# taz.de -- Krisenprofiteur Tischtennis: Lockerungen an der Platte
       
       > Pingpong Delite, umsonst und draußen: Unter den derzeitigen Umständen ist
       > Tischtennis plötzlich eine Gewinnersportart.
       
 (IMG) Bild: Stylische Platte: Bei der WM 2019 präsentiert sich der Tischtennis-Weltverband hochmodern
       
       Sprechen wir über Tischtennis. Die landläufig unter „Pingpong“ laufende
       Sportart hat wie alle schönen Dinge zwei Seiten: eine alltägliche und eine
       mediale.
       
       In der medialen Wahrnehmung hat das professionelle Tischtennis allerlei
       Macken: Es sieht wie eine Haudrauf-Sportart aus, die bevorzugt von Nerds,
       also spaßbefreiten Informatik- oder BWL-Studierenden, betrieben wird. Die
       Ballwechsel sind dermaßen schnell und unübersichtlich und im Vergleich zum
       großen Tennis von minderer Raffinesse, dass der [1][ITTF], der
       internationale Verband (der sich immer schön auf den Schlägern verewigt,
       dazu unten mehr), schon mehrfach vergeblich versucht hat, das Ding
       „fernsehtauglicher“ zu machen.
       
       Gelbe Bälle, orange Bälle, größere Bälle, Bälle aus Plaste statt Zelluloid.
       Tische, die aussehen wie im Weltall designt. Dazu neue Zählweisen: Sätze
       bis 11 statt bis 21, dafür drei oder vier Gewinnsätze. Genutzt hat es nicht
       viel: Der Sport leidet unter Einseitigkeit, weil alles, was gewinnt, aus
       China stammt; und der Sport leidet daran, dass er im Fernsehen immer etwas
       stumpf aussieht.
       
       Oder einfach gesagt: Selber spielen ist geil, macht Spaß; den Profis
       zusehen eher nicht so.
       
       ## Spielen mit Scheinwerfern
       
       Auf der alltäglichen Seite ist Tischtennis schon länger ein nicht nur im
       urbanen Raum gern von jederfrau und jedermann betriebener Sport. Die
       Grünflächenämter dieser Republik haben dafür gesorgt, dass jeder noch so
       olle Spielplatz oder Schulhof mit einer dieser unverwüstlichen
       Tischtennisplatten aus Stein versehen wurde; ein Angebot, das nur allzu
       gern angenommen wird.
       
       Von der Alkoholikerszene als Ausgleich, von jungen Paaren als Möglichkeit
       des Austauschs, von Kindern und Hipstern als selbstverständliches
       Bewegungs- und Partyangebot assimiliert. In den Nullerjahren entstanden
       Tischtennisbars, in denen Rundlauf zum DJ-Set gespielt werden konnte, der
       Schrei dieser Tage ist die Beleuchtung to go, also aufklappbare
       Scheinwerfer mit Batteriebetrieb, die das Spielen über Sonnenuntergang
       hinaus ermöglichen.
       
       Rundlauf ist das Stichwort, um auf die derzeitige Krise zu sprechen kommen.
       Obwohl auch das Tischtennis unter den Einschränkungen im Zuge des Lockdowns
       schwer litt – beim Doppel ist das mit der Abstandswahrung schwierig –, ist
       die Sportart nach den ersten Lockerungen eine der Gewinnerinnen der Krise.
       Kontaktsportarten sind noch auf längere Sicht tabu; Joggen ist kein Sport,
       sondern ein Fitnessprogramm; Tests für alle können sich nur
       Fußball-Bundesligisten leisten, und selbst dort ist dieses Verfahren
       umstritten.
       
       Tischtennis hingegen: Spätestens seit Öffnung der Spielplätze kann überall
       und draußen gespielt werden. Für ein Match braucht man nicht viel mehr als
       eine Flasche Sagrotan, zwei Schläger und einen sauber desinfizierten Ball,
       der Mindestabstand ist beim Einzel durch den Tisch garantiert. Und für den
       Fall, dass die Gegnerin immer wieder mit fiesen Aufschlägen und Bällen auf
       die schwache Rückhand nervt, gibt es fürs Homeoffice anschauliche
       Youtube-Tutorials.
       
       Obwohl, da sind wir fast wieder auf der nerdigen, nicht so richtig coolen
       Seite des Sports. Da herrschen vorgeschobene Ellbogen und knickbare
       Handgelenke vor holzvertäfelten Sporthallenwänden vor, und Nerds, die auch
       schon vor der Krise das schnelle Heimfrisieren dem Salonbesuch vorgezogen
       haben, zeigen ihre nerdig anmutenden Künste. Die zeigen, was das gute
       Tischtennis vom Pingpong unterscheidet – die Bälle haben Sterne, den
       ordentlichen Schläger erkennt man daran, dass er das ITTF-Zeichen trägt.
       
       So oder so aber gilt: [2][Die Krise des Sports] ist eine Krise des
       Konsumismus; internationaler Wettbewerb findet in absehbarer Zeit nur noch
       unter hohem Aufwand statt und ist tendenziell nur etwas für Neoliberale;
       jetzt und hier ist der Sport ein Sport, der relativ gefahrlos zu zweit an
       der frischen Luft gespielt werden kann. Ihr habt Aufschlag.
       
       5 May 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.ittf.com/
 (DIR) [2] /Damen-Tischtennis-in-Deutschland/!5097250
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) René Hamann
       
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