# taz.de -- Gesundheitspersonal in Spanien: Erst Maskenmangel, dann Arztmangel
       
       > 14 Prozent der Angestellten in Spaniens Kliniken haben sich mit dem
       > Coronavirus angesteckt. Für die Erkrankten gibt es immer weniger
       > Personal.
       
 (IMG) Bild: Eine Mitarbeiterin im Operationssaal des provisorischen Krankenhauses auf der Messe in Madrid
       
       MADRID taz | Rafael Beijinho fragt sich immer wieder, wie er sich wohl
       angesteckt hat. „Ich habe immer Schutzkleidung getragen“, erklärt der
       35-jährige Arzt aus der Notaufnahme im Krankenhaus Infanta Leonor im
       Madrider Arbeiterviertel Vallecas. Seit knapp zwei Wochen ist er mit
       Covid-19 zu Hause. Husten, Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns, die
       Krankheit verlief zum Glück glimpflich.
       
       Beijinho wartet nun auf das Testergebnis. Sobald es negativ ist, will er
       wieder arbeiten. Er wird dringend gebraucht. Das Krankenhaus hat derzeit
       drei Mal so viele Patienten, wie die eigentliche Kapazität. „Auf so etwas
       kann niemand vorbereitet sein“, ist sich Beijinho sicher. Nach einer kurzen
       Pause fügt er dann hinzu: „Vor zehn Jahren, vor den Kürzungen im
       Gesundheitssystem im Rahmen der Eurokrise, waren wir wesentlich besser
       aufgestellt.“ 4.000 Stellen und 3.000 Betten wurden alleine in der Region
       Madrid gestrichen.
       
       Auch bei den Materialvorräten macht sich das Sparen bemerkbar. „Die guten
       Schutzausrüstungen waren schnell aufgebraucht“, sagt der Notarzt. Dann
       kamen neue, von viel schlechterer Qualität. „Und wir mussten die Kittel und
       auch die Masken mehrmals benutzen“, berichtet er.
       
       Das verstößt gegen die Schutzbestimmungen im Falle von hochansteckenden
       Krankheiten, wie Covid-19. In einigen Krankenhäusern wurden zeitweise die
       Wegwerfkittel gar gewaschen und desinfiziert. Schutzschilder die das
       Gesicht abdecken und Teile zur Beatmung werden vielerorts von Unternehmen
       und Privatpersonen gespendet, die sie auf 3-D-Druckern herstellen.
       
       ## Schutzkleidung aus Müllsäcken
       
       14 Prozent der Angestellten in Spaniens Kliniken, Ambulanzen und
       Gesundheitszentren haben sich angesteckt. [1][In Italien] sind es acht
       Prozent, in China vier. Zehn Ärzte, eine Krankenschwester und eine
       Hilfskraft sind in den vergangenen Wochen in Spanien am Coronavirus
       verstorben.
       
       „Das Personal wird durch die Ansteckungen dezimiert. Es gibt immer weniger
       Fachkräfte, die sich um die Kranken kümmern“, sagt Marisol Castro,
       gesundheitspolitische Sprecherin der Gewerkschaft CCOO in Madrid, der
       Region [2][mit den meisten Corona-Fällen in Spanien]. Mittlerweile werden
       selbst Krankenpfleger-Schüler aus dem letzten Jahrgang eingestellt.
       
       Mangels offizieller Angaben durch die konservative Regionalregierung trägt
       die Gewerkschaft selbst Daten zusammen. Demnach haben sich in Madrid
       mindestens 8.700 Mitarbeiter in Kliniken, Ambulanzen und Gesundheitszentren
       angesteckt. In Beijinhos Krankenhaus waren es am vergangenen Wochenende
       301.
       
       „Vermutlich übertragen wir den Virus längst innerhalb der Belegschaft“,
       sagt Mar Ruiz. Die 48-jährige Intensivpflegerin ist eine der 447
       Infizierten an der Universitätsklinik Ramón y Cajal im Norden der
       spanischen Hauptstadt. „Wir hatten schnell kaum mehr Material“, berichtet
       sie. Die hochwirksamen FP2- und FP3-Masken gibt es nur auf der
       Intensivstation, in der Notaufnahme und den Stationen meist nur die
       einfachen, chirurgischen Papiermasken.
       
       „Auf den Stationen fertigen sie teilweise Schutzkleidung aus Müllsäcken,
       während auf der Intensivstation minderwertige Kittel ausgegeben werden“,
       sagt Ruiz. Am allerschlimmsten treffe die Krise das Hilfspersonal: „Sie
       haben nur Papiermasken und Handschuhe, wenn sie Betten umherschieben oder
       reinigen. Schutzkittel gibt es keine.“
       
       ## Der Engpass bleibt
       
       Die Lage habe sich in den letzten Tagen leicht verbessert, berichtet die
       Krankenschwester, die ständig mit ihren Kollegen in Kontakt steht. Die
       Zentralregierung hat jetzt das gemacht, was die regionalen Behörden
       verpasst haben. Sie hat die die nationale Produktion von Masken und auch
       von Beamtmungsgeräten in die Wege geleitet und Kittel sowie [3][Millionen
       von chirurgischen Masken in China gekauft].
       
       „Das neue Material ist furchtbar“, berichtet Alicia García. Die 42-jährige
       OP-Schwester hat nach 17 Tagen Covid-19 überwunden und ist zurück an ihrem
       Arbeitsplatz im Krankenhaus Infanta Sofia, in einem nördlichen Vorort
       Madrids. „Die Masken, die wir jetzt haben, rufen Verletzungen an den Ohren
       und der Nase hervor“, sagt García. All zu sehr beschweren möchte sie sich
       dennoch nicht. Denn „immerhin gibt es wieder Material“.
       
       Doch der Engpass ist längst nicht überwunden. „In normalen Zeiten braucht
       ein Pflegerin bei Betreuung von drei isolierten Patienten 50 chirurgische
       Masken am Tag“, rechnet Garcia vor. Mit dem Coronavirus müsste eigentlich
       jede Pflegekraft auf den Stationen diese Menge an Masken haben.
       
       „Bei uns hat sich jeder fünfte angesteckt“, berichtet Ruben Herrera,
       Pfleger in der Notaufnahme an der Universitätsklinik in der Madrider
       Kleinstadt Alcalá de Henares. Anders als 373 seiner Kollegen blieb der
       35-Jährige bisher verschont.
       
       Kaum eine Klinik in Spanien hat so eine Welle an Covid-19-Fällen erlebt,
       wie die in Alcalá. Die Kinderklinik wurde mit Covid-Patienten belegt, der
       Saal für Krankengymnastik und die Bibliothek mit Betten vollgestellt.
       Betten auf den Gängen, auf dem Boden liegende Kranke, Patienten in
       Rollstühlen und Sesseln in den Warteräumen.
       
       „Wir hatten Fälle, die drei bis vier Tage im Sitzen behandelt werden
       mussten“, sagt Herrera. Manchmal hätten bis zu 150 Patienten in der
       Notaufnahme auf ein Bett gewartet. „Langsam geht der Andrang zurück“, sagt
       Herrera. „Der Alarmzustand mit seiner Ausgangssperre zeigt wohl Wirkung“,
       fügt der Pfleger hinzu. Wie all seine Kollegen schaut er Tag für Tag auf
       die Kurve der Neuansteckungen, in der Hoffnung, sie könnte endlich
       dauerhaft nach unten weisen.
       
       7 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Auf-einer-Intensivstation-in-Bergamo/!5676117
 (DIR) [2] /Covid-19-Epidemie-in-Spanien/!5670978
 (DIR) [3] /Chinesische-Hilfslieferungen/!5670647
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Spanien
 (DIR) Gesundheitspolitik
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Spanien streitet um Corona-Maßnahmen: Nichts als Polemik
       
       Erst forderte Spaniens Rechte massiv Ausgangssperren. Seit sie da sind,
       wittern sie eine kommunistische Diktatur mit Ministerpräsident Pedro
       Sánchez.
       
 (DIR) Einkommenseinbußen durch Corona: Wie Länder in Europa Bürgern helfen
       
       Europas Staaten ergreifen unterschiedliche Maßnahmen gegen die
       wirtschaftlichen Folgen. Es regt sich Unmut.
       
 (DIR) Tourismus in Spanien: Keine klaren Horizonte
       
       Die spanische Tourismusbranche leidet unter den Folgen des Coronavirus. Es
       herrscht Ausgangssperre im ganzen Land und damit Reiseverbot.