# taz.de -- Coronainfizierter Erntehelfer tot: Schutzlos bei der Ernte
       
       > Ein erkrankter Rumäne wird tot auf einem Spargelhof bei Freiburg
       > gefunden. Der Seuchenschutz macht Aushilfen noch abhängiger von ihrem
       > Arbeitgeber.
       
 (IMG) Bild: Harte Arbeit, wenig Geld: Rumänen ernten auf einem Feld in Baden-Württemberg Spargel
       
       Berlin taz | In Baden-Württemberg ist ein rumänischer Erntehelfer nach
       einer Infektion mit [1][dem Coronavirus] gestorben. Der 57-Jährige wurde am
       vergangenen Samstag tot in seiner Unterkunft gefunden und später positiv
       getestet, teilte das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald am Donnerstag
       mit. Die Polizei schloss Fremdverschulden oder Suizid aus.
       
       Laut [2][Spiegel] hatte der Rumäne in einem Bad Krozinger Betrieb nahe
       Freiburg bei der Spargelernte geholfen. Er habe sich wohl in Deutschland
       mit dem Virus infiziert. Vor seinem Tod soll er über Husten und Schnupfen
       geklagt haben. Die rumänische Botschaft in Berlin teilte der taz mit, der
       Mann sei am 20. März angereist. Dem Landratsamt zufolge ist auch ein
       weiterer Spargelstecher auf dem Hof erkrankt, der sich an die Vorgaben zur
       Beschäftigung von Erntehelfern gehalten habe. Beispielsweise hätten die
       Arbeiter den Betrieb nicht verlassen.
       
       Der Fall ist politisch brisant, weil die Arbeitsbedingungen von
       ausländischen Erntehelfern von jeher umstritten sind. Wegen der
       Corona-Pandemie hat das Bundesinnenministerium am 25. März den
       normalerweise jährlich 300.000 Saisonkräften etwa aus Rumänien die
       [3][Einreise verboten]. Die Behörde begründete die Maßnahme mit der großen
       Zahl von Personen, die kommen würden, obwohl wegen der Seuche soziale
       Kontakte reduziert werden sollen.
       
       Damals waren aber laut Agrarministerium schon 20.000 Aushilfen eingereist.
       Außerdem stimmte das Innenministerium auf Druck der Branche dann doch der
       Einreise von insgesamt 80.000 SaisonarbeiterInnen im April und Mai unter
       speziellen Hygieneauflagen zu. Sonst hätten viele Landwirte Geld und einen
       Teil der Gemüse- und Obsternte verloren, denn für den Branchen-Mindestlohn
       von 9,35 Euro brutto pro Stunde lassen sich nur wenige Arbeitskräfte aus
       dem Inland rekrutieren.
       
       Der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Friedrich
       Ostendorff, sieht durch den Todesfall seine Kritik am Erntehelfersystem
       bestätigt. „Bei der Menge von Menschen, die zu uns kommen, ist es
       wahrscheinlich, dass solche Fälle passieren“, sagte er der taz. Dennoch
       würden Sicherheitsmaßnahmen oft nicht eingehalten. Die Unterkünfte – etwa
       Mehrbettzimmer – seien vielerorts katastrophal. Zu klären sei, ob der
       Arbeiter sich nicht getraut hat, sich krank zu melden, obwohl er Symptome
       hatte: „Man muss fragen, ob alles getan wurde, um diesen Todesfall zu
       verhindern.“
       
       Der Grüne kritisierte wie die Beratungsstelle des Deutschen
       Gewerkschaftsbunds „Faire Mobilität“ für Arbeitnehmer aus Mittel- und
       Osteuropa, dass die Erntehelfer wegen der Corona-Sicherheitsmaßnahmen
       dieses Jahr noch abhängiger von ihrem Arbeitgeber seien. Tatsächlich sehen
       die vom Innen- und Agrarministerium vereinbarten Regeln vor, dass die
       Neuanreisenden in den ersten 14 Tagen das [4][Betriebsgelände nicht
       verlassen] dürfen.
       
       Auch danach sollen die Arbeiter zum Beispiel nicht selbst außerhalb
       einkaufen. Die Ausreise muss der Bundespolizei von den Arbeitgebern
       angekündigt werden. Da die Helfer in ihre Heimat fliegen müssen, aber die
       Regierung in Bukarest für das Ziel Deutschland [5][nur noch von den
       Arbeitgebern organisierte Charterflüge] genehmigt, können sie nicht auf
       eigene Faust abreisen.
       
       „Sie sind gebunden an ihren Arbeitgeber“, sagte Dominique John, der Leiter
       des Beratungsprojekts, der taz. Normalerweise könnten die Beschäftigten
       abreisen, wenn die Bedingungen zu schlecht sind. „Dieses Jahr können sie
       das nicht. Die sitzen da fest“, ergänzte Berater Szabolcs Sepsi. Er und
       seine KollegInnen könnten die Arbeiter auch nicht auf den Feldern
       ansprechen. John forderte, dass allen Erntehelfern bei der Anreise die
       Nummer der telefonischen Beratung von „Faire Mobilität“ mitgeteilt wird. In
       den Regeln der Ministerien ist davon aber nicht die Rede.
       
       „Die Arbeitsbedingungen sind oft sehr schlecht. Es werden meist Akkordlöhne
       gezahlt, mit denen oft der Mindestlohn umgangen wird. Das ist Ausbeutung“,
       so Sepsi. Weil die Arbeiter nach ein paar Monaten zurück nach Rumänien
       reisten, könnten sie sich kaum wehren. Es sei zynisch, dass das
       Agrarministerium von einer „faktischen Quarantäne“ der Helfer spricht:
       „Diese Quarantäne gibt es nur gegenüber der einheimischen Bevölkerung in
       Deutschland.“ Tausende Arbeiter hätten dichtgedrängt am Flughafen warten
       müssen, sie wohnten in Massenunterkünften, obwohl sie aus verschiedenen
       Teilen Rumäniens kämen. Sepsi: „Die werden nur abgeriegelt vor der
       deutschen Bevölkerung, ihr eigener Schutz spielt keine große Rolle“.
       
       Das Agrarministerium teilte mit, die Arbeitgeber müssten sich an alle
       Regeln halten und die Behörden das kontrollieren. „Die Verhandlungsposition
       der Saisonkräfte hat sich in der jetzigen Situation erkennbar verbessert“,
       erklärte der Bauernverband, „die Löhne steigen, die Wertschätzung für die
       Erntehelfer ist extrem hoch. Unsere Saisonarbeiter kommen gerne und
       freiwillig – teilweise seit vielen Jahren – nach Deutschland“.
       
       16 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746/
 (DIR) [2] https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/coronavirus-rumaenischer-erntehelfer-in-baden-wuerttemberg-nach-corona-infektion-gestorben-a-7ca0532c-6acd-49b3-b443-bcb806816bb7
 (DIR) [3] /Wegen-Corona-Pandemie/!5670731/
 (DIR) [4] https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Presse/PM062-Corona-Saisonarbeitskraefte.html?__blob=publicationFil
 (DIR) [5] https://rumaenien.diplo.de/ro-de/aktuelles/-/2312186
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Erntehelfer
 (DIR) Landwirtschaft
 (DIR) Ausbeutung
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Spargel
 (DIR) Erntehelfer
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Erntehelfer
 (DIR) Erntehelfer
 (DIR) Erntehelfer
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Ausbeutung in der Landwirtschaft: Das kaputte Zertifikat
       
       Wird unser Obst und Gemüse unter guten Arbeitsbedingungen geerntet? Ja,
       sagen die Supermärkte. taz-Recherchen zeigen ein anderes Bild.
       
 (DIR) Coronavirus in Bayern: Weiterer Ausbruch in Mamming
       
       Die Corona-Neuinfektionen in Deutschland steigen. Im bayrischen Mamming ist
       ein weiterer landwirtschaftlicher Betrieb vom Virus betroffen.
       
 (DIR) Moralisches Konsumieren: Ein fragiles Gebilde
       
       Ich kaufe wegen eines verstorbenen rumänischen Erntehelfers dieses Jahr
       keinen Spargel. Ist das absurd?
       
 (DIR) Fehlende Schutzmaßnahmen vor Coronavirus: Seehofer will mehr Erntehelfer
       
       Spargelstecher aus Osteuropa sind oft schlecht vor Corona-Infektionen
       geschützt. Doch der Innenminister spricht sich für weitere Einreisen aus.
       
 (DIR) Tod des coronainfizierten Erntehelfers: Keine unterlassene Hilfeleistung
       
       Die Ermittler sehen keine Straftat im Fall des in Baden-Württemberg
       gestorbenen Erntehelfers. Der Rumäne war mit dem Coronavirus infiziert.
       
 (DIR) Beleg für Angabe zu Erntehelfertod fehlt: Falsche Infos von Klöckner?
       
       Die Ministerin behauptet, ein infizierter Erntehelfer aus Rumänien sei
       nicht an Covid-19, sondern an einem Infarkt gestorben. Das Gesundheitsamt
       widerspricht.
       
 (DIR) Erntehelfer-Flüge aus Rumänien: Für eine Handvoll Spargel
       
       Um Luxusgemüse verkaufen zu können, werden tausende Erntehelfer gefährdet.
       Das ist menschenverachtend.
       
 (DIR) Erste Flüge für Erntehelfer aus Rumänien: Regeln gegen Corona verletzt
       
       Gedränge beim Einchecken in Rumänien, enge Flugzeuge und Busse. Grüne
       fordern, dass Agrarministerin Klöckner die „Spargelstecher-Luftbrücke“
       stoppt.
       
 (DIR) Forderung zu Saisonarbeitern und Corona: Mehr Schutz für Erntehelfer
       
       Kritiker verlangen, dass die Höfe ihre Aushilfen besser als bisher geplant
       vor Corona-Infektionen schützen. Mehrbettzimmer seien zu gefährlich.