# taz.de -- Essayband zu Corona-Pandemie: Die tödliche Suppe von Wuhan
       
       > Der Argentinier Pablo Amadeo hat 15 Essays von Philosophen zur
       > Coronakrise zu einem Buch zusammengefasst – und stößt auf großen
       > Widerhall.
       
 (IMG) Bild: Mann und Globus in einem Park in Wuhan
       
       „Die Suppe von Wuhan“ ist in Lateinamerika angekommen. Der Argentinier
       Pablo Amadeo hat unter diesem Titel 15 Essays von Philosophen und
       Soziologinnen zu einem Buch zusammengefasst, das er nun kostenlos online
       anbietet. Der Kommunikationsprofessor will damit jenseits der
       Informationsflut und der Paranoia in Zeiten des Coronavirus „kreative
       Fluchtpunkte“ schaffen. De facto hat er Texte gesammelt, die bereits in
       anderen Medien erschienen sind.
       
       Der Versuch, Übersicht in die philosophische Debatte über die Pandemie zu
       bringen, stößt auf großen Widerhall. [1][„Die Suppe von Wuhan“] zirkuliert
       derzeit auf zahlreichen lateinamerikanischen Plattformen, Tweets und
       Facebook-Posts.
       
       Die Auswahl der Autorinnen und Autoren ist ziemlich bunt. Die verstörenden
       Klagen des italienischen Philosophen [2][Giorgio Agamben] „über
       irrationale und völlig ungerechtfertigte Notstandsmaßnahmen“ in seiner
       Heimat sind darin ebenso zu finden wie [3][Byung-Chul Hans] Vergleiche der
       Bekämpfung des Virus im autoritären China und den individualistisch
       geprägten Staaten Europas.
       
       [4][Slavoj Žižek] fordert einen radikalen Wandel hin zu einer von
       Solidarität geprägten Gesellschaft jenseits von Nationalstaaten und Judith
       Butler hofft, dass soziale Bewegungen und die Idee einer sozialistischen
       USA wieder Aufwind bekommen.
       
       ## Philosoph*innen aus sozialer Bewegung
       
       Nur zwei Texte in Amadeos Rundumschlag der Corona-Philosophien haben
       lateinamerikanischen Ursprung. Mit Raúl Zibechi und María Galindo schreiben
       zwei Personen, die sozialen Bewegungen entstammen und für ihre kritischen
       Haltung gegenüber autoritären Regimen bekannt sind. Das lässt hoffen.
       
       Doch die Kritik des Uruguayers Zibechi am chinesischen Kampf gegen das
       Virus endet in einem fatalistischen Szenario: Die Weltmacht USA hat
       ausgedient, Europa ist schwach und blieb ohnehin seit dem Zweiten Weltkrieg
       ein Lakai des US-Imperiums, nun drohen uns totalitäre chinesische
       Verhältnisse.
       
       Jüngst spitzte Zibechi Agambens These von der „Erfindung einer Epidemie“
       und dem Ausnahmezustand als Ziel der Virus-Bekämpfung noch zu: In der
       mexikanischen Tageszeitung La Jornada schrieb er, die Bilder aus China
       erinnerten an ein „enormes Konzentrationslager“. Ähnlich fantasierte sich
       der deutsche Querfrontler Ken Jebsen jüngst in seinem YouTube-Kanal in die
       Frühzeit des NS, um die Maßnahmen gegen Covid 19 anzuprangern.
       
       Alarmistisch wie Zibechi argumentiert auch die Bolivianerin Galindo. Sie
       kritisiert zunächst zu Recht das dümmliche Gerede, vor dem Virus seien alle
       gleich: „Die bolivianische Gesellschaft ist eine proletarische, ohne Lohn,
       ohne Arbeitsplätze, ohne Industrie, die meisten überleben mit einem eigenen
       gigantischen Netzwerk auf der Straße.“
       
       ## „Setzen wir uns Ansteckung aus“
       
       Weil für die Unterstützung der Verarmten das Geld fehle, plädiert sie
       jedoch für einen „Ungehorsam“: „Kultivieren wir die Ansteckung, setzen wir
       uns ihr aus.“ Galindo setzt auf Umarmungen, Quinoa-Suppe sowie „nicht
       pharmazeutische“ Medizin, „die sie uns gelehrt haben zu verachten“. Die
       Wohnung der Menschen zu Gefängnissen zu machen, wie es Spaniens Regierung
       praktiziere, sei dagegen faschistisch.
       
       Heilkräuter statt Faschismus? Vergleiche mit Konzentrationslagern? Eine
       Elite, die eine Grippe als Vorwand nutzt, um soziale Kontrolle
       durchzusetzen? Selbstverständlich ist Kritik am Abbau demokratischer Rechte
       notwendig. Aber auch in Lateinamerika ist die tödliche Suppe von Wuhan im
       wirklichen Leben längst angekommen.
       
       In Ecuador werden Menschen auf der Straße verbrannt, weil Behörden und
       Bestatter überfordert sind, auf dem gesamten Subkontinent fehlt es an
       medizinischer Ausstattung, Beatmungsgeräte sind Mangelware. Ideologisch
       begründeter Fatalismus hilft da nicht weiter.
       
       7 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.elextremosur.com/files/content/23/23684/sopa-de-wuhan.pdf
 (DIR) [2] /Corona-und-der-Alltag/!5669280
 (DIR) [3] /Byung-Chul-Hans-neues-Werk/!5373896
 (DIR) [4] /Neues-Buch-von-Slavoj-iek/!5559784
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolf-Dieter Vogel
       
       ## TAGS
       
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