# taz.de -- Corona in Bolsonaros Brasilien: Auf dem Weg zur Corona-Revolte
       
       > Für Bolsonaro ist Corona nur eine „kleine Grippe“, das Land müsse zurück
       > zur Normalität. Gegen Brasiliens Präsident formiert sich nun eine
       > Bewegung.
       
 (IMG) Bild: Mit Corona völlig überfordert: Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro
       
       São Paulo taz | Fast gingen Jair Bolsonaros Worte im Lärm unter: Am
       Dienstagabend wandte sich Brasiliens Präsident mit einer Fernsehansprache
       an die Bevölkerung. In zahlreichen Städten schlugen Brasilianer*innen an
       ihren Fenstern auf Kochtöpfe, brüllten Sprechchöre gegen die Regierung und
       zündeten Feuerwerkskörper. Mit seinem Aussagen zum Coronavirus katapultiert
       sich Bolsonaro immer mehr ins Abseits. Er hat selbst dafür gesorgt, dass
       eine Bewegung gegen ihn entstanden ist.
       
       Während seiner Ansprache bezeichnete er Corona erneut als „kleine Grippe“
       und forderte eine Rückkehr zur Normalität. Einzelne Bundesstaaten hatten in
       den letzten Tagen den Notstand ausgerufen, Veranstaltungen wurden abgesagt,
       der Einzelhandel weitestgehend geschlossen, Menschenansammlungen verboten.
       Bolsonaro fordert nun, alle Einrichtungen und Geschäfte wieder zu öffnen.
       
       Laut Bolsonaro habe [1][Italien] „ein komplett anderes Klima“, deshalb sei
       eine Situation wie in dem südeuropäischen Land unvorstellbar in Brasilien.
       Da die Risikogruppe des Virus ältere Menschen seien, mache es zudem keinen
       Sinn, Schulen zu schließen.
       
       „Dadurch, dass Bolsonaro ein ‚normales Leben‘ in dieser Pandemie fordert,
       nimmt er den Tod von tausenden Menschen in Kauf“, sagte Orlando Silva,
       Bundesabgeordneter der Kommunistischen Partei von Brasilien (PCdoB), der
       taz. „Bolsonaro hat es in seiner Rede geschafft, alle Empfehlungen der
       Weltgesundheitsorganisation anzufechten und jegliche Studien der
       Wissenschaft zu leugnen.“
       
       ## Kollaps des Gesundheitssystems für Ende April befürchtet
       
       Auch Gesundheitsexpert*innen widersprechen dem Präsidenten vehement und
       warnen vor einer dramatischen Eskalation der Krise. Brasilien hat bereits
       jetzt mehr als 2.000 bestätigte Corona-Fälle, mehr als 40 Menschen starben
       in den vergangenen Tagen an der Covid-19-Krankheit.
       
       Gesundheitsminister Luiz Mandetta sagte einen Kollaps des
       Gesundheitssystems für Ende April voraus. Zudem wurden Anfang der Woche die
       ersten Fälle in den dicht besiedelten Favelas gemeldet. Laut dem
       Medizin-Professor Miguel Srougi droht durch Corona eine Katastrophe für die
       sozial benachteiligte Bevölkerung. „Die Armen werden an den
       Krankenhaustüren sterben“, sagte der Wissenschaftler der renommierten
       Universität von São Paulo dem Nachrichtenportal UOL.
       
       Die Aussagen vom Dienstag sind symptomatisch für den kopflosen Kurs
       Bolsonaros. Mehrmals hatte er das Virus als „Fantasie“ und „Hysterie“
       bezeichnet. Dabei wurden sein Kommunikationschef Fabio Wajngarten und mehr
       als 20 Regierungsmitarbeiter*innen nach einer USA-Reise positiv auf das
       Virus getestet.
       
       Und auch Bolsonaro steht selbst [2][unter Corona-Verdacht]. Das
       Krankenhaus, in dem der Ex-Militär getestet wurde, überreichte den Behörden
       am Dienstag eine Liste mit Infizierten. Zwei Namen wurden darauf geschwärzt
       – nicht wenige vermuten, dass es sich dabei um Bolsonaro handeln könnte.
       
       Bereits am Montag hatte der Präsident des größten Landes Lateinamerikas für
       Empörung gesorgt, als er ein Dekret auf den Weg brachte, dass Unternehmen
       erlauben sollte, Arbeitsverträge für vier Monate auszusetzen und
       Angestellten in dieser Zeit weder Lohn noch Arbeitslosenversicherung zu
       zahlen. Nach einem öffentlichen Aufschrei zog der Rechtsradikale den
       umstrittenen Teil des Dekrets zurück.
       
       ## Bolsonaro ist mit der Situation komplett überfordert
       
       Es wird immer deutlicher, dass Bolsonaro mit der Situation komplett
       überfordert ist. Statt die aufgeheizte Situation zu beruhigen, geht er zum
       Angriff auf alle über, die Kritik an ihm üben. Am Dienstagabend attackierte
       er wieder einmal die Medien und machte sie für die Ausbreitung des Virus
       mitverantwortlich. Selbst ultrakonservative Zeitungen und Fernsehsender
       hatten in den letzten Tagen den Umgang Bolsonaros mit der Pandemie deutlich
       kritisiert.
       
       Bolsonaro ist zunehmend isoliert, und auch die Frustration in der
       Bevölkerung wächst. So könnte die Coronakrise schaffen, was der
       orientierungslosen und schwachen Linken nicht gelungen ist: eine Bewegung
       gegen die Regierung aufzubauen.
       
       Die nun allabendlichen Kochtopfproteste an den Fenstern werden mit jedem
       Abend lauter, auch viele ehemalige Unterstützer*innen der Regierung wenden
       sich von Bolsonaro ab. Die Bolsonaro-kritischen Proteste waren am
       Dienstagabend auch in vielen Vierteln zu hören, wo er die Wahl im Oktober
       2018 noch mit absoluter Mehrheit gewonnen hatte. Linke Abgeordnete wollen
       nun ein Amtsenthebungsverfahren gegen Bolsonaro einleiten.
       
       Der Präsident kam während seiner Ansprache am Dienstagabend auch noch auf
       seine eigene Gesundheit zu sprechen. Sollte er angesteckt werden, erklärte
       er selbstsicher, mache es sich keine Sorgen. Denn er sei ja früher Athlet
       gewesen.
       
       25 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
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