# taz.de -- taz🐾thema: Der schönste Schnee zu Ostern 
       
       > Im Herbst haben wir an dieser Stelle im Sinne der Selbstermächtigung
       > darüber referiert, wie die Furcht vor Hefeteig zu bewältigen ist. Nun
       > heran an den nächsten Angstgegner. Allez, allez: Es gibt Soufflé!
       
 (IMG) Bild: Die immerwährende Warnung, die Backofentür niemals zu öffnen, wenn ein Soufflé aufsteigt, ist berechtigt. Finger weg!
       
       Von Carola Rönneburg
       
       Bis meine Mutter endlich einen elektrisch betriebenen Mixer besaß, gab es
       in unserem Haushalt ein kleines Handrührgerät. Man musste kurbeln, um ein
       Zahnrad in Bewegung zu versetzen, das dann zwei Quirle antrieb. Eiweiß
       schlagen war eine mühsame, langwierige Angelegenheit. „Ist es jetzt gut?“
       Wann immer ich, als Kind durchaus kurbelversessen, den aktuellen Stand
       präsentierte, war es nicht gut, noch nicht gut, immer noch nicht gut. Am
       Ende musste immer meine Mutter die Schaumschlägerei übernehmen. Eischnee
       war aber wichtig: Er wurde unter den Pfannkuchenteig gehoben, lockerte die
       Quarkspeise auf und gehörte in den Käsekuchen. Kein Wunder also, dass meine
       Eltern mir, kaum dass ich von zuhause ausgezogen war, einen damals sicher
       teuren Handmixer von Krups schenkten, der übrigens heute noch im Einsatz
       ist.
       
       Laienhaft gesehen, ist Eischnee ein Wunder, wissenschaftlich nicht. Ein
       Eiweiß besteht aus Wasser und Proteinen, die ein spezielles Verhalten an
       den Tag legen: Sie mögen Wasser und Luft gleichermaßen, außerdem sind sie
       entrollbar. Schlägt man Eiweiß auf – der Gastrosoph Carl Friedrich von
       Rumohr spricht 1832 noch von „gepeitschtem Eiweiß“ –, entknäulen sich die
       eigentlich sehr verwickelten, kugelförmig aufgerollten Proteine.
       Gleichzeitig geraten durch das Aufschlagen Luftbläschen in die Flüssigkeit.
       In dieser Zone, in der Grenzschicht zwischen Luft und Wasser, lagern sich
       die Proteinmoleküle besonders gern an und stabilisieren die Luftbläschen.
       Damit ein fester Schaum entsteht, sind allerdings sehr viele und vor allem
       kleine Luftbläschen nötig. Das passiert durch die Dauer des Schlagens – die
       anfangs großen Blasen werden kleiner und kleiner und bilden schließlich ein
       solides Netzwerk. Kleine Mengen von Zucker oder Salz, in der Mitte der
       Einpeitscherei hinzugegeben, verstärken es. Dann schalten Sie bitte Ihren
       Ofen auf 180 Grad.
       
       Theoretisch wie praktisch kann das schöne Gebilde auseinanderfallen, wenn
       es zu lange bearbeitet wird. Tatsächlich passiert das aber nur denen, die
       den Prozess nicht beobachten oder Hochleistungsgeräte benutzen. Wer
       Handrührer oder Küchenmaschine in kurzen Schritten auf Volldampf bringt und
       so wieder herunterfährt, schont übrigens den Motor.
       
       Der Eischnee, den wir wollen, enthält alle Luftbläschen, die wir
       unterbringen können. Er ist sozusagen schnittfest, und wenn wir das Gefäß,
       in dem wir ihn geschlagen haben, auf den Kopf stellen, rinnt kein Wasser
       herunter. Er ist perfekt und hat sich, gemessen am Ausgangsvolumen, mehr
       als vervierfacht.
       
       Jetzt kommt diese tolle Masse zum Einsatz, und zwar bei einem Gericht, an
       sich viele nicht trauen: Soufflé. Ein Soufflé ist ein schnell zubereitetes
       Gericht, das süß oder salzig daherkommen kann. Die Grundzutaten für ein
       süßes Soufflé sind Butter, Zucker, Milch, Mehl und, nach Meisterkoch O.
       Kahn: „Eier, wir brauchen Eier!“ Benötigt wird außerdem eine
       backofentaugliche Form von etwa 16 Zentimeter Durchmesser und sechs
       Zentimeter Höhe, gebuttert und gezuckert. Wer die nicht zur Hand hat,
       verteilt das Soufflé lieber auf kleinere Formen und nimmt auf keinen Fall
       die klassische große Springform.
       
       Das Prinzip für ein Vierpersonengericht: Man verrührt 60 Gramm Zucker, 45
       Gramm Mehl und vier Esslöffel Mehl und bringt einen Viertelliter Milch zum
       Kochen. Ein Schubs der Milch kommt zum Verrührten, das wiederum sachte in
       den Milchtopf geht, und zwar beständig geschlagen. Das ist kein Aufwand,
       denn hier geht es nicht um Luftbläschen, sondern um eine homogene Masse. 20
       Gramm Butter unterschlagen. Das war’s vorerst, denn nun muss alles
       abkühlen. Das dauert etwa eine Viertelstunde, aber solange es noch kühl
       ist, kann man den Topf auch auf den Balkon oder das Sims stellen und sich
       sicherer fühlen. Als nächstes fügen wir schließlich vier Eigelbe hinzu, und
       die reagieren empfindlich auf Hitze.
       
       Bis heute ist nicht geklärt, warum Eigelbe in dieser Phase nicht gesamt,
       sondern nacheinander untergerührt werden sollen. Der wunderbare Physiker
       Hervé This-Benckhard vermutete, dass die Zugabe einzelner Eigelbe bloß
       Einfluss auf die Temperatur hätten. Es mag aber auch sein, dass es schlicht
       ums gründliche Verrühren geht, immerhin sehen Rezepte für Rührkuchen ein
       gleiches Prozedere vor. Wie auch immer: Bis man es selbst besser weiß und
       erklären kann, ist sklavische Unterordnung manchmal die bessere Lösung.
       Heißt: Wir rühren brav eines von vier Eigelben nacheinander unter und geben
       dann Aromen zu. Das ist kein Aufwand, denn hier geht es nicht um
       Luftbläschen, sondern um eine homogene Masse.
       
       Nun geht eigentlich alles: Nüsse, Obst, Saft oder Alkohol. Entscheidend
       ist, dass nicht zu viel Flüssigkeit das Werk verdirbt, sonst kommt das
       Soufflé mit Bodensuppe aus dem Ofen. Für einen ersten Versuch bietet sich
       unbehandelte Zitrone an: Den Saft einer kleinen, halben Zitrone zugeben
       sowie etwas Abrieb der Schale. Auch probat für erste Schritte: Etwas
       Orangenabrieb und drei Esslöffel Grand Marnier.
       
       Und nun der Eischnee. Sollten Sie enthusiasmiert meinem Text gefolgt sein,
       prüfen Sie bitte, ob er noch fest und perfekt ist. Heben Sie ihn vorsichtig
       unter die Teigmasse. Vorsichtig heißt, Sie sollen die Luftbläschen nicht
       zerstören, also gehen Sie die Sache gemächlich an. Danach aber soll das
       alles fix in den Ofen und ist nach 20 Minuten fertig. Wer noch einen alten
       Herd besitzt und die Entwicklung nicht beobachten kann, muss durchhalten.
       Alle anderen können mit Blick durch das Glasfenster zusehen, wie das
       Soufflé aufgeht. Die immerwährende Warnung, die Backofentür niemals zu
       öffnen, wenn ein Soufflé aufsteigt, ist berechtigt. Finger weg! Allerdings
       stimmt es auch, dass ein Soufflé einknickt, wenn es erst einmal den
       Backofen verlässt. Nicht traurig sein: Es schmeckt so gut.
       
       4 Apr 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Carola Rönneburg
       
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