# taz.de -- Kommunalwahlen in Frankreich: Macrons Listen ohne Chance
       
       > Die Wahlbeteiligung in der ersten Runde sinkt auf unter 50 Prozent,
       > Stichwahlen werden womöglich abgesagt. Praktisch für den Wahlverlierer
       > Macron.
       
 (IMG) Bild: Macrons Partei LREM erlitt bei den Kommunalwahlen schwere Rückschläge
       
       Paris taz | Die lokalen Wahllisten von Emmanuel Macrons Regierungspartei
       „Le République en marche“ (LREM) haben bei den Kommunalwahlen am Sonntag
       einen schweren Rückschlag erlitten. Gute Resultate erzielten dagegen sowohl
       in den Großstädten wie in den kleineren Ortschaften die bisherigen
       Bürgermeister der traditionellen linken und rechten Parteien. Bei diesen
       Kommunalwahlen haben die WählerInnen offenbar mehrheitlich auf Bewährtes
       gesetzt. Die Regierungspartei dagegen büßt an der kommunalen Wahlurne
       häufig für die Enttäuschung über die nationale Regierungspolitik.
       
       Der von den Umfragen angekündigte grüne Trend wird durch die Ergebnisse des
       ersten Durchgangs bestätigt. Keine Verschiebung nach rechts gab es in
       Paris, wo die Sozialistin Anne Hidalgo gute Chancen hat mit einer
       rot-grünen Koalition sechs weitere Jahre als „Maire“ der Hauptstadt im
       „Hôtel de ville“ zu regieren. Dass LREM weder in Paris noch in anderen
       Großstädten wie Lyon, Marseille oder Bordeaux triumphiert, ist mehr als
       bloß von symbolischer Bedeutung.
       
       In etwas eigenartiger und ziemlich beunruhigender Weise vermischten sich am
       sonntäglichen französischen Kommunalwahlabend auf allen TV-Sendern
       Meldungen von lokalen Teilergebnissen, Trends mit Prozentzahlen mit den
       neuesten alarmierenden Informationen über die Ausbreitung der Zahl der
       Infektionen und der Opfer von Covid-19. Alle SprecherInnen der
       verschiedenen Parteien und Listen waren es sich und ihren Anhängern
       schuldig zu sagen, die Gesundheit komme vor der Politik.
       
       Zyniker könnten dazu kommentieren, das Coronavirus habe bei diesen Wahlen
       gesiegt. Die Tatsache, dass in diesem Kontext trotz enormer Vorkehrungen
       und Regierungsappellen die Wahlbeteiligung um fast 20 Prozentpunkte
       gesunken ist – erstmals seit Bestehen der Fünften Republik haben landesweit
       deutlich unter 50 Prozent der Berechtigten gewählt und in einigen
       Großstädten sogar weniger als 35 Prozent – beweist, wie stark die Angst vor
       dem Coronavirus sich auf diesen Wahlgang ausgewirkt hat.
       
       Dass die Regierung trotz der beschleunigten Ausbreitung der Vireninfektion
       an diesem ersten Durchgang festgehalten hat, wurde kritisiert. In weiten
       Teilen der Bevölkerung herrscht die Meinung vor, dass dieser Entscheid mit
       [1][den Präventivmaßnahmen] nicht in Einklang zu bringen seien. Heute
       fordern mehrere Oppositionsparteien – von den Grünen bis zur extremen
       Rechten des Rassemblement National –, dass die grundsätzlich für kommenden
       Sonntag angesetzten Stichwahlen auf unbestimmte Zeit verschoben werden
       müssen.
       
       Die Regierung, die Vorwürfe mangelnder Vorsicht fürchtet, verschanzt sich
       hinter Gutachten von medizinischen Experten und wollte nicht sofort sagen,
       ob auch am 22. März wieder gewählt wird oder nicht. Spätestens für Dienstag
       erwartet man außerdem in Frankreich ein Dekret oder einen Erlass des
       Präsidenten, das ein strenges Ausgehverbot für alle anordnet, die nicht
       unbedingt außer Haus arbeiten müssen. Schon die Resultate des ersten
       Wahlgangs interessierten in diesem dramatischen Kontext nur halbwegs.
       
       Dass Macrons relativ neue und lokal wenig verankerte Regierungspartei La
       République en marche (LREM) eine Schlappe einstecken würde, war zudem
       erwartet worden. Einen Durchbruch können die Listen der Grünen
       (Europe-Ecologie-Les Verts) feiern, die in Lyon, Bordeaux, Straßburg oder
       Besançon in Führung liegen und dank Allianzen mit der politischen Linken in
       einer zweiten Runde siegen könnten. Frankreich hatte bisher nur einen
       grünen Bürgermeister in einer größeren Stadt: Eric Piolle in Grenoble.
       Seine Liste lag nun bei der Abstimmung weit vorn. In Rouen erreichten die
       Grünen, die als Favoriten galten, mit 23 Prozent überraschend den zweiten
       Platz hinter den Sozialisten, die auf knapp 30 kommen.
       
       Die Sozialisten und ihre Verbündeten haben den Niedergang seit den
       Präsidentschaftswahlen 2017 stoppen können. Viele bisherige „Maires“ der
       Parti Socialiste wie François Hollandes Ex-Minister Martine Aubry in Lille
       oder Sztéphane Le Foll in Le Mans dürften wiedergewählt werden, andere in
       kleineren Städten wurden sogar schon im ersten Durchgang im Amt bestätigt.
       Ein politischer Testfall war Paris, wo die Sozialistin Anne Hidalgo, die
       seit 2014 an der Spitze einer rot-grünen Koalition regiert, am Sonntag mit
       mehr als 30 Prozent klar vor ihrer konservativen Konkurrentin Rachida Dati
       (22 Prozent) und der deutlich distanzierten LREM-Kandidatin Agnes Buzyn (17
       Prozent) liegt. Der französische Premierminister Edouard Philippe, der für
       LREM in Le Havre antrat, wo er bis 2017 Bürgermeister war, wurde anders als
       2014 nicht auf Anhieb im ersten Durchgang gewählt. Er kam zwar auf 44
       Prozent, muss aber gegen einen Kommunisten zu einer Stichwahl antreten,
       deren Ausgang alles andere als gewiss ist.
       
       Keinen massiven Zuwachs konnte Marine Le Pens rechtsextremes Rassemblement
       national (RN) erzielen, auch wenn in Hochburgen wie Fréjus und
       Hénin-Beaumont RN-Bürgermeister oder in Béziers der parteilose
       Rechtsextreme Rober Ménard mit großen Mehrheiten auf Anhieb wiedergewählt
       wurden. Mit Perpignan, vo der RN-Spitzenkandidat mit 35,65% ganz vorn liegt
       und der bisherige konservative Maire mit 18,4% von seinen Mitbürgern an der
       Urne abgestraft wurde, bekommt das RN eine reelle Chance, eine Stadt mit
       mehr als 100.000 Einwohnern zu regieren.
       
       In den allermeisten Fällen der größeren unter den 35.000 Kommunen ist ein
       zweiter Wahlgang erforderlich, bei dem grundsätzlich Listen mit mehr als
       10% aus der ersten Runde nochmals antreten oder sich mit einer anderen für
       die Stichwahlen qualifizierten zusammenschließen können. Mehrere
       KandidatInnen haben wegen der Coronavirus-Krise aber ihren Wahlkampf
       ausgesetzt, weil sie nicht denken, dass der zweite Durchgang überhaupt
       stattfinden könne.
       
       16 Mar 2020
       
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