# taz.de -- Corona in Osteuropa: Slivovic desinfiziert
       
       > Pflaumenschnaps soll gegen Corona helfen. Glaubt ein serbischer Arzt. Das
       > Gesundheitssystem auf dem Balkan allerdings ist total krank.
       
 (IMG) Bild: Hebt auch die Stimmung: Slivovic
       
       Split taz | Aus [1][Serbien dringt frohe Kunde]. Denn es ist ein Heilmittel
       gegen Corona gefunden. Und das ist das alte Heilmittel des Balkan:
       Pflaumenschnaps, in Deutschland bekannt als Slivovic oder kurz Sliva. Der
       hilft bei Magenproblemen, stärkt zusammen mit Knoblauch bei zwei Gläschen
       am Tag das Immunsystem, desinfiziert kleine Wunden und hilft eingerieben
       gegen Muskelverhärtungen. Und vieles mehr. Hebt auch die Stimmung.
       
       Und jetzt dies: Seitdem der Virologe Dr. Jovan Adamovski vor sechs Wochen
       das hochprozentige Produkt in einem Artikel in einer wissenschaftlichen
       Zeitung als Heilmittel gegen Corana angepriesen hat, ist der Export des
       Getränks in die EU um 115 Prozent hochgeschnellt. Auch China hat schon
       Kontingente bestellt. Präsident Vucic will bei seinem Chinabesuch am 15.
       März Sliva den Chinesen noch schmackhafter machen.
       
       [2][In seltsamen Kontrast] zu dem Optimismus des Präsidenten steht
       allerdings, dass Serbien nun auch [3][Einreiseerschwernisse für Menschen
       aus Italien,] Frankreich und Teilen der Schweiz erlassen hat – in der
       Schweiz wohnen 75.000 Serben, die oftmals zum Heimaturlaub kommen. Bald
       werden wohl Ausländer aus anderen EU-Ländern und Deutschland wie schon in
       Bosnien und Herzegowina nach der Einreise für 14 Tage in die Quarantäne
       gehen müssen.
       
       Die Behörden in den beiden Teilrepubliken – zuerst in der serbischen
       Teilrepublik und seit vorgestern auch in der bosniakisch-kroatischen
       Föderation- haben sich zu dieser drastischen Maßnahme gezwungen gesehen.
       Zwar sind bis Mittwoch nachweislich erst 11 Menschen in Bosnien an Corona
       erkrankt, doch man zog in beiden Landesteilen die Reißleine. Denn allen
       Beteiligten ist klar, dass angesichts des ohnehin schon kollabierenden
       Gesundheitssystems die Zunahme von Krankheitsfällen nicht mehr kontrolliert
       werden könnte.
       
       ## Kliniken sind kaputtgewirtschaftet
       
       Denn nach dem Zerfall Jugoslawiens in den 90er Jahren haben die
       Nachfolgestaaten das einstmals vorbildliche staatliche Gesundheitssystem
       kaputtgewirtschaftet. In den Kliniken fehlt es an allem, nicht nur an
       Medikamenten, an Reinigungsmitteln und natürlich an Personal. In den
       vergangenen Jahren haben in fast allen Nachfolgestaaten geschätzt
       mindestens 50 Prozent der ÄrztInnen und Krankenschwestern das staatliche
       System verlassen. Viele MedizinerInnen und Krankenschwestern gingen in die
       EU oder heuerten bei den Privatkliniken an. Die haben zwar einen durchaus
       akzeptablen Standard, aber die Behandlungen dort sind für Normalbürger
       unerschwinglich. Zudem sind die staatlichen Kliniken in einem erbärmlichen
       baulichen Zustand. Wo sollen Leute untergebracht werden, die in die
       Quarantäne gehen müssen? Darauf ist man überhaupt nicht vorbereitet.
       
       In allen Westbalkanstaaten bis auf Slowenien und teilweise Kroatien fehlt
       es an Schutzkleidungen für das Personal. Seitdem sich Deutschland weigert,
       Schutzkleidungen und Mundschutz außerhalb der EU zu exportieren, sind
       Serbien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Kosovo, Nordmazedonien und
       Albanien der auf sie zurollenden Corona-Epidemie fast schutzlos
       ausgeliefert.
       
       Das erklärt die drastischen Maßnahmen an den Grenzen. Aber wie überall auf
       dem Balkan ist damit zu rechnen, dass es immer „Möglichkeiten“ gibt, die
       strengen Erlasse zu umgehen. Um staatliche Präsenz zu zeigen, werden jetzt
       – wie in der bosnischen Industriestadt Tuzla – sogar Waren in
       Lebensmittelläden mit Desinfektionsmitteln besprüht. Wer denkt da
       eigentlich an das Gift, das in diesen Mitteln enthalten ist?
       
       Dieser Aktionismus soll den Leuten wohl Vertrauen in die staatliche
       Fürsorge einflößen. Doch fast allen sei klar, dass das nur die Schwächen
       des Systems offenbart, erklärte ein anonymer Arzt aus dem
       Kosevo-Krankenhaus in Sarajevo. Kritik am System sei unerwünscht. So ist
       mit einem weiteren Ansteigen der Corana-Fälle zu rechnen.
       
       In Kroatien fürchtet man zu Recht um die Tourismussaison, der
       Haupteinahmequelle des Landes. Die bisher 19 Corona-Fälle traten vor allem
       im Norden und in Istrien auf. In Dalmatien dagegen ist bisher noch kein
       Fall bekannt. Was nicht heißt, dass es sie nicht gibt. Die Fähre nach
       Italien wurde vorgestern eingestellt.
       
       Der Autor dieses Textes, der als Deutscher nicht nach Sarajevo reisen darf,
       wartet auf einer dalmatinischen Insel zusammen mit Nachbarn, isst Knoblauch
       und trinkt Sliva.
       
       12 Mar 2020
       
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