# taz.de -- Coronavirus in Berlin: „Das ist nicht die Pest“
       
       > In seiner Hausarzt-Praxis herrsche keine große Aufregung wegen
       > Sars-CoV-2, sagt Michael Janßen. Ein Gesprächsprotokoll mit dem Hausarzt
       > aus Neukölln.
       
 (IMG) Bild: Bad in der Menge trotz Corona? Keine Panik, sagt der Hausarzt
       
       „In unserer Praxis ist die Lage relativ entspannt. Wir haben einige
       telefonische Nachfragen, einige Patient*innen, die in die Praxis kommen und
       einen Abstrich wünschen. Wir führen seit dieser Woche Abstriche durch unter
       den Schutzmaßnahmen, die das Robert-Koch-Institut (RKI) vorgibt. Bislang
       haben wir vier Abstriche gemacht und ins Labor geschickt, drei sind
       negativ, bei einem steht der Befund noch aus. Den Befund können wir immer
       am nächsten Vormittag abfragen.
       
       Insgesamt muss man sagen: Die normale Grippe- und Erkältungssaison klingt
       gerade ab, zumindest aus der Wahrnehmung unseres Mikrokosmos. Und die
       meisten Menschen, die Erkältungssymphome haben, sind ganz gelassen und
       gehen nicht davon aus, dass sie die Lungenkrankheit Covid-19 haben. Die
       Symptomatik ist ja durchaus ähnlich, Halskratzen, Husten, Fieber, man
       braucht als Arzt also keine besonderen Fragen zu stellen. Das Entscheidende
       ist, ob man unter die Risikokriterien beziehungsweise -personen der Gruppe
       1 und 2 nach dem Schema vom RKI fällt.
       
       Also: hatte man direkten Kontakt mit einem Erkrankten und hat Symptome, das
       wäre Gruppe 1. War man kürzlich in einem der Risikogebiete in China, Iran,
       Südkorea und Nord-Italien und hat Grippesymptome, das ist Gruppe 2. Die
       meisten die wir hier sehen, sind allerdings aus der Risikoklasse 3 – also
       mit Symptomen, aber keinem direkten Kontakt zu Infizierten oder einer Reise
       in ein Risikogebiet, sondern nur Aufenthalöt in einer Region mit
       Covid-19-Fällen, dazu gehört jetzt auch Berlin. Das frage ich aber nur ab,
       wenn ein Patient kommt und direkt fragt, ob er/sie möglicherweise zu den
       Infizierten gehören könnte.
       
       Man muss jetzt auch keine Angst haben, dass man sich bei uns im Wartezimmer
       ansteckt: Wenn jemand anruft mit Grippesymptomen und selber meint, er oder
       sie könnte zu den Infizierten gehören, bitten wir ihn oder sie erst zum
       Ende der Sprechzeit zu kommen. So können wir die Leute einzeln untersuchen
       und behandeln. Und wenn ein Mensch, der sich selbst des Covid-19
       „bezichtigt“, in die Praxis kommt und wir den Abstrich machen, wird
       natürlich auch der entsprechende Mitarbeiter geschützt, sprich: zieht
       Schutzkittel, -brille, Maske und Handschuhe an.
       
       Also jetzt bitte nicht die Zähne zusammenbeißen und den Arzt-Besuch
       verschieben, weil man denkt, die Hütte ist voll und ich will mich nicht
       anstecken: Zu uns kann jeder jederzeit mit jedem Problem kommen und wir
       versuchen eine Lösung zu finden.
       
       Die Gesundheitssenatorin hat ja kürzlich erklärt, alte Leute sollten sich
       vorsorglich jetzt schnell impfen lassen gegen Grippe und Pneumokokken. Bei
       uns in der Praxis ist es auch so, dass unsere ältere Stammklientel ohnehin
       im Herbst oder Winter gegen Grippe geimpft worden. Von daher ist bei uns
       die Nachfrage danach im Moment auch geringer.
       
       Ansonsten muss ich sagen, dass die Gesundheitsverwaltung für uns Ärzte
       jetzt keine wichtigen Informationen oder Handlungsanweisungen parat hat.
       Die bekommen wir vom RKI und der Kassenärztlichen Vereinigung. Aber auf so
       eine Situation kann man sich auch gar nicht richtig vorbereiten, denke ich.
       
       Ich muss auch sagen, dass viele Leute bislang nicht besonders gut
       informiert sind, etwa über die Risikogruppen. Das habe ich gemerkt, als ich
       am Mittwoch fünf Stunden Telefondienst gemacht habe bei der
       Kassenärztlichen Vereinigung. Viele Leute rufen da an uns sagen, ihre
       Tochter kennt jemanden in der Parallelklasse, der einen kennt von einer
       Schule, wo es jetzt einen Covid-19-Fall gibt. Und wollen dann wissen, ob
       sie jetzt auch infiziert sind. Da muss man dann im einzelnen aufdröseln,
       wie eng die Kontakte konkret sind und ob überhaupt ein nennenswertes Risiko
       besteht.
       
       Andererseits bin ich ganz froh, dass viele nicht so besonders informiert
       sind. Denn man darf nicht vergessen: Das ist fast immer eine harmlose
       Erkrankung. Trotzdem gibt es schon drei Konferenzen, an denen ich
       teilnehmen wollte, die abgesagt wurden. Da ist viel Überreaktion dabei!
       Denn für die große Masse der Bevölkerung, die gesund ist, ist Covid-19
       harmlos. Klar, die Mortalität ist relativ hoch mit 0,5 bis 0,7 – aber bei
       Krankheits-vorbelasteten Bevölkerungsgruppen. Das ist nicht wie bei der
       Pest oder Ebola, wo die Leute umkippen wie die Fliegen! Aber gut, im
       Zweifelsfall gehen die Leute lieber auf Nummer sicher. Auch ein
       Schulleiter, der von besorgten Eltern belagert wird, macht lieber
       vorsorglich die Schule zu als sich Ärger einzuhandeln. Ob das überzogen ist
       oder nicht, wissen wir letztlich erst viel später. Im Moment würde ich
       sagen: ja.“
       
       6 Mar 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Memarnia
       
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