# taz.de -- Politischer Konflikt beim Viertligisten: Wer's glaubt
       
       > Daniel Frahn droht den alternativen SV Babelsberg 03 zu spalten. Für die
       > einen steht er rechts außen, für die anderen ist er naiv.
       
 (IMG) Bild: Neue Heimat für Daniel Frahn: Antifa-Folklore in Babelsberg statt Nazigedenken in Chemnitz
       
       Wie oft wohl Daniel Frahn dieses Bekenntnis in den letzten Wochen abgelegt
       hat? „Ich bin kein Nazi, war nie Nazi, war auch nie Sympathisant einer
       rechten Gesinnung, war nie in irgendeiner Gruppe drinne.“ Anfang dieser
       Woche im Karl-Liebknecht-Stadion von Babelsberg hat der 32-Jährige es noch
       einmal vorgetragen in einem grauen Kapuzenpullover mit der dezenten
       Aufschrift „Bolzplatzkind“. „Naiv“ wird er sich unter anderem schimpfen.
       Gute sechs Minuten spricht er im Presseraum, der mit über 20 Journalisten
       gut gefüllt ist. Dann kommen Fragen. Knapp eine Stunde lang.
       
       Wenige Tage zuvor hat er sich ein paar Meter weiter im VIP-Raum vor etwa
       200 Fans erklärt. Vor so vielen Menschen musste Frahn noch nie über sich
       sprechen. Auch da hat er klargestellt, wer er nicht ist. Und Fragen
       beantwortet. Über eine Stunde lang. Bei seinem neuen Verein, dem SV
       Babelsberg 03, weiß man, dass es weiter so gehen wird. Dass er kein Nazi
       ist, wird Daniel Frahn noch ein paarmal erklären müssen. Vorstand Piet
       Könnicke sagt: „Uns ist bewusst, dass es keine Sache von Tagen oder Wochen
       ist, möglicherweise auch nicht eine Frage von einer Rückrunde.“
       
       Würde das Arbeitsamt Fußballprofis vermitteln, wäre die Akte Frahn in den
       letzten Monaten wohl zwischen den Schubfächern „schwer vermittelbar“ und
       „nicht vermittelbar“ hin und her gewandert. Seine Fähigkeiten sind
       unbestritten. Für den Drittligisten Chemnitzer FC erzielte er zuletzt in
       der Aufstiegssaison die meisten Treffer. Doch Frahn ist ein Präzedenzfall
       im deutschen Profifußball. Denn noch nie zuvor wurde ein Spieler wegen des
       Verdachts, eine Nähe zu Rechtsextremisten zu pflegen, entlassen. Anfang
       August vergangenen Jahres hat sich der Chemnitzer FC zu dem Schritt
       entschlossen.
       
       Ein Verein, dem seit Jahren vorgeworfen wird, zu nachgiebig mit
       rechtsextremistischen Fans umzugehen. [1][Verpflichtet hat ihn nun] Ende
       Januar der SV Babelsberg. Ein Klub, bei dem Frahn zu Beginn seiner Karriere
       schon einmal gespielt hat. Ein Klub, der Urheber der Kampagne „Nazis raus
       aus den Stadien“ ist, das erste offizielle Fußballteam von Geflüchteten
       gegründet hat und das Logo der Seebrücke auf der Brust trägt, eines
       Bündnisses, das sich gegen Europas Abschottungspolitik richtet.
       
       ## Erzählung der Unwissenheit
       
       Als „größten Fehler meines Lebens“ bezeichnet Frahn [2][„die
       T-Shirt-Aktion“]. Als am 9. März 2019 vor einem Fußballspiel des gerade
       verstorbenen Thomas Haller, des Mitbegründers der Hoonara (Hooligans Nazis
       Rassisten), im Chemnitzer Stadion von Verein und Fans in einer
       Trauerzeremonie gedacht wird, hält Frahn wenig später nach einem Torerfolg
       ein T-Shirt hoch, das Haller gewidmet ist. Schon die Aufschrift „Support
       your local hool“, räumt Frahn in Babelsberg reumütig ein, hätte ihn davon
       abhalten müssen.
       
       Von Hallers rechtsextremem Hintergrund habe er aber nichts gewusst, so
       erklärte er damals wie heute. Verband und Verein sanktionierten ihn. Er
       erhielt eine zweite Chance. Als er dann im August verletzt ausfällt und ins
       Auto eines rechtsextremistischen Anführers in der Chemnitzer Fanszene
       steigt, um sich mit ihm in der Kurve das Auswärtsspiel seiner Kollegen in
       Halle anzuschauen, entlässt ihn der Klub umgehend. Wieder verteidigt sich
       Frahn mit seiner Unwissenheit.
       
       Beim Treffen mit den Babelsberger Fans im VIP-Raum werden die 200 Anhänger
       zur offenen Kommunikation ermutigt. Frahn erzählt seine Geschichte von der
       Unwissenheit und verspricht, etwas gegen seine politische Ahnungslosigkeit
       zu unternehmen. Gern auch mithilfe der Fans. Er will sich bilden. Er bietet
       an, die Hälfte seiner Punkteprämien für eine Initiative zu spenden, die er
       mit Fans und Verein aussuchen möchte. Er bekennt sich zu den
       antirassistischen und antisexistischen Grundwerten des Vereins. Er sagt, er
       sei ein Junge von hier, kenne diese Werte von früher und sei froh, wieder
       zurück in Babelsberg zu sein, wo er seine Karriere begonnen hatte. Und er
       entschuldigt sich immer wieder, fast schon unterwürfig.
       
       Am Ende applaudieren die meisten der gekommenen Fans und Mitglieder. Aber
       nicht alle. Die Kritiker dürfen jetzt Fragen stellen. Zuerst greift sich
       ein Mann mit Anzughose und weißem Hemd das Mikro, heißt Frahn willkommen im
       Verein und lobt ihn für seine Worte. Applaus. Dann greifen die Kritiker
       ein: Wie es denn sein könne, dass er keine Ahnung gehabt habe, wessen er
       gedenkt, mit wem er ins Stadion fährt; wieso er sich nicht informiert habe;
       ob er denn nicht wisse, wie viel Verantwortung er beim Chemnitzer FC gerade
       als Kapitän getragen habe; ob er zwischen dem Sport und seinem privaten
       Leben trenne und wie er sich diese Trennung vorstelle; wie sie es jetzt
       noch rechtfertigen sollten, Leute mit Thor-Steinar-Klamotten aus dem
       Stadion auszuschließen.
       
       Dann übernimmt wieder der Mann mit der Anzughose und dem weißen Hemd und
       lobt Frahn erneut. Andere Fans schreien rein, er solle sich nicht
       wiederholen, ob er denn eine Frage habe. Eine ältere Dame nimmt sich das
       Mikrofon, sie trägt eine Regenjacke des Vereins und erzählt, sie sei 77
       Jahre alt und gerade jetzt, im Abstiegskampf, sehr froh darüber, dass „der
       Daniel“ jetzt da sei. Immer wieder kommt es zu kleineren
       Auseinandersetzungen im Publikum. Oft erklingt aber ein lauter Applaus,
       wenn Frahn auf die Fragen antwortet. Und mit jeder seiner Antworten, die
       naiv und unbedarft daherkommen, dadurch aber aufrichtig und ehrlich wirken,
       scheint er mehr Unterstützer im Raum für sich zu gewinnen, manche Zweifler
       von ihm zu überzeugen. Die Kritiker bleiben aber kritisch, formulieren noch
       konfrontativer.
       
       ## „Absurde Kommunikationsstrategie“
       
       Der Ton wird schärfer, als sich Vorstandschef Horlitz den Fragenden stellt.
       Das ist zugleich ein Moment, der zeigt, wie gespalten die Fangemeinschaft
       nach Frahns Verpflichtung ist. Denn die Wut vor allem der politischen
       Babelsberger Fans richtet sich mehr auf die Vereinsfunktionäre denn auf
       Daniel Frahn. Die Fans klagen darüber, dass die Entscheidungsträger sie
       übergangen, vor vollendete Tatsachen gestellt hätten.
       
       Im Namen von sieben Fangruppen wurde Anfang Februar [3][ein offener Brief]
       verbreitet. Dem Vorstand werfen die Anhänger darin „intransparenten Umgang
       und eine absurde Kommunikationsstrategie“, „Scheinheiligkeit“ sowie die
       „Missachtung von entscheidenden Teilen der Fans und Mitglieder“ vor. Die
       Auswirkungen dieses Handelns auf vereinsinterne Strukturen, Fanbasis und
       Glaubwürdigkeit des Vereins seien „Stand jetzt noch nicht absehbar“.
       
       Die Entscheidungsträger sagen, sie hätten keine Wahl gehabt. Der
       Rechtsstreit, den Frahn mit dem Chemnitzer FC geführt habe, sei erst zwei
       Tage vor Ende der Transferperiode abgeschlossen gewesen. Es hätte nicht
       viel Zeit für Kommunikation gegeben. Dabei hatte Frahn schon seit
       Jahresbeginn mit Babelsberg trainiert. Als sie das mitbekommen haben, sagen
       manche der Fans an diesem Donnerstagabend im VIP-Raum, hätten sie dem
       Vorstand geraten, es so früh wie möglich mitzuteilen, falls es Interesse
       an einer Verpflichtung gebe. Der Vorstand ist nun bemüht, das Verpasste
       nachzuholen. Man erklärte, noch im April auf einer öffentlichen
       Veranstaltung über die Werte des Vereins diskutieren zu wollen.
       
       Bemerkenswert ist, dass die Klubführung des Vorletzten der Regionalliga
       Nordost die Verpflichtung des treffsicheren Stürmers auch
       gesellschaftspolitisch zu begründen weiß. Piet Könnicke sagt: „Wir haben
       diese Verantwortung übernommen, weil wir wissen, was der SVB leisten kann,
       was er in der Vergangenheit geleistet hat, dass Spieler, Menschen hier auch
       eine zweite Chance bekommen.“ Kann sich Frahn in der Besserungsanstalt
       Babelsberg rehabilitieren?
       
       ## Aufgeklärt von einem Freund
       
       Schon vor knapp einem Jahr, nach dem T-Shirt-Jubel in Chemnitz, hat Daniel
       Frahn Besserung gelobt, erklärt, dass er kein Nazi sei. In der
       Journalistenrunde erzählt er, damals sei er nach Babelsberg gefahren, um
       sich mit einem Freund zu treffen. Das sei einer, der im Verein sehr aktiv
       und „politisch auf der Höhe sei“. Der Freund habe ihn erst über den
       rechtsextremen Hintergrund von Thomas Haller aufgeklärt.
       
       Vor Chris Junghänel, einem der Köpfe der rechtsextremen verbotenen
       Fangruppierung Kaotic Chemnitz, zu dem er Monate später ins Auto stieg,
       habe ihn niemand gewarnt. „Er war mir nicht als Nazi bekannt. Ich wusste,
       dass er der Gruppe Kaotic Chemnitz angehörte.“ Es sei aber erzählt worden,
       die Gruppe habe sich aufgelöst. „Deshalb war mein Gedanke: Der Mann kann so
       schlecht gar nicht sein.“ Zumal er bei der Aufstiegsfeier gemeinsam auch
       mit Vereinsverantwortlichen des Chemnitzer FC über längere Zeit in der
       Kabine war.
       
       Vier-, fünfmal habe er Playstation mit Junghänel gespielt. So wie andere
       Spieler des Chemnitzer FC auch. Von Wohnung zu Wohnung – nicht im selben
       Raum. Politische Gespräche habe es nie gegeben, auch kein
       freundschaftliches Verhältnis.
       
       Die Geschichte vom ahnungslosen Daniel Frahn ist nicht leicht zu
       vermitteln. Er selbst erzählt, auch der schottische Erstligist Heart of
       Midlothian habe Interesse an ihm gezeigt. „Die Besitzerin aber hat gesagt,
       das ist ihr zu heiß. An die Sache traut sie sich nicht heran.“
       
       In Chemnitz wollte man ihm nicht mehr glauben. Dass Frahn beim klammen
       Verein über einen üppigen Vertrag mit vermutlich fünfstelligem Monatssalär
       verfügte, dass der Imageschaden auf potenzielle Sponsoren abschreckend
       wirkte, mag dabei auch eine Rolle gespielt haben. In Babelsberg dagegen
       will die Vereinsführung Frahn glauben. Dass man derzeit von großer
       Abstiegsnot geplagt wird, mag dabei auch eine Rolle spielen. Für die linke
       Fanszene von Chemie Leipzig lässt sich damit gar alles erklären. Beim
       Debüt von Daniel Frahn am 2. Februar hatten die Fans ein Plakat
       mitgebracht: „SVB: Im Abstiegskampf ist jedes Mittel rechts“.
       
       23 Feb 2020
       
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