# taz.de -- York Schaefer Popmusik und Eigensinn: Karneval gegen rechts
       
       Ein unerwartet cleveres Wortspiel steckt im Titel des jüngsten Albums des
       Hamburger Musikerkollektivs Deichkind: „Wer sagt denn das?“ Eigentlich eine
       eher harmlos nachfragende Alltagsformulierung, die Deichkind in Zeiten von
       Fake News und Filterblasen in einen neuen, kritischen Zusammenhang über
       Themen wie vermeintliche Worthoheiten und die Spaltung der Gesellschaft
       stellen. „Wer sagt denn das?“ ist für sie die Frage auf alle patzigen
       Antworten, die sich immer öfter jeglicher Diskussion verweigern.
       
       Deichkind bewegen sich seit ihrer Gründung zwischen den Polen Hedonismus
       und Sozialkritik, Feiern und Kritik am Feiern, zwischen Party und Protest,
       Saufen und Sinnieren. Ausgestattet mit einer natürlichen Anti-Haltung, die
       selbst in plakativen und live inbrünstig mitgegrölten Parolen wie „Kein
       Staat, kein Gott, lieber was zu saufen“ oder „Leider geil“ zum Ausdruck
       kommt. Letzterer geht dann auch mal – zumindest vorübergehend – in den
       allgemeinen Sprachgebrauch der Zielgruppe über. Im sehr amüsanten Video zu
       dem konsumkritischen Elektro-Knaller turnt der Schauspieler Lars Eidinger
       grotesk herum. Das Gesamtkunstwerk Deichkind ist längst auch in den
       Feuilletons der Republik angekommen. 2010 spielten sie mit „Deichkind in
       Müll – eine Diskurs-Operette“ im Hamburger Kampnagel-Theater.
       
       Auch medienkritische Songs wie „Like mich am Arsch“ gehören zum Programm,
       das Video zum Anti-WM- und Anti-Partypatriotismus-Stück „Ich habe eine
       Fahne“ von 2014 ließ sogar die Fifa verbieten. In anderen Songs gibt man
       sich antikapitalistisch.
       
       Wobei sich Deichkind um Gründungsmitglied Philipp Grütering aka Kryptic Joe
       und den zweiten Songschreiber Sebastian „Porky“ Dürre längst selbst von
       einer lustigen Hamburger Hip-Hop-Kapelle zu einem über die ganze Republik
       verstreuten, glamourösen Hightech-Entertainment-Unternehmen gewandelt
       haben. Im ökonomischen Sinne hat die Band schon früh die Zeichen der Zeit
       erkannt und setzt angesichts sinkender Tonträgerverkäufe längst auf ein
       ausgeklügeltes, streng durchchoreografiertes Livekonzept mit opulenten
       Bühnenshows. Vor den großen Mehrzweckhallen der Republik parken dann
       mehrere Sattelschlepper, drinnen feiert eine im Stil der Band grellbunt und
       schräg kostümierte Masse den pumpenden Elektro-Sound.
       
       Deichkind sind ein bisschen wie die Institution Karneval. Party trifft auf
       politischen Protest, man verkleidet sich, um die Rollen und die
       Perspektiven zu wechseln, im Kostüm sind schließlich erst mal alle gleich.
       Vielleicht kein schlechtes Modell, um in Zeiten von Rechtsruck, Populismus
       und einfachen Wahrheiten mal wieder miteinander ins Gespräch zu kommen.
       
       Di, 3. 3., 20 Uhr, ÖVB-Arena
       
       29 Feb 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) York Schaefer
       
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