# taz.de -- Debatte um Absage der TV-Sendung: Dschungelcamp ist gut fürs Klima
       
       > Wegen der Buschbrände in Australien wollen einige am liebsten das
       > RTL-Dschungelcamp absagen. Dabei hilft es, den Blick auf die Probleme zu
       > lenken.
       
 (IMG) Bild: Werden auch über die Feuer sprechen: „Dschungel“-Moderatoren Daniel Hartwig und Sonja Zietlow
       
       Rund um den Jahreswechsel ereignet sich das stets gleiche Schauspiel im
       deutschen Boulevard: Zunächst wird gerätselt, welche D-Promis dieses Mal
       ins RTL-Dschungelcamp ziehen. So lange, bis RTL die Namen der zwölf
       KandidatInnen offiziell bekannt gibt. Im Anschluss werden laue Geschichten
       aus deren Vergangenheit hervorgekramt ([1][„Ich habe echt ein
       Badehosenproblem“]), es wird über Gagen spekuliert ([2][100.000 Euro für
       Sonja Kirchberger?]) und nach möglichen Konfliktfeldern zwischen den
       KandidatInnen gesucht ([3][„Ist der erste Zickenkrieg schon
       vorprogrammiert?“]). Und dann, ab Januar, kennt der Boulevard eigentlich
       kaum ein anderes Thema mehr als „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“,
       wie das Dschungelcamp offiziell heißt.
       
       Am Freitag ist nun die Show gestartet. Doch in diesem Jahr ging es im
       Vorfeld nicht nur um Badehosen und Zickenkrieg, sondern auch um politisch
       Relevantes: Thema waren die Buschfeuer, die seit Monaten in Australien
       wüten und bereits H[4][underte Millionen Tiere] und zwei Dutzend Menschen
       das Leben gekostet haben – darf das Dschungelcamp überhaupt in Australien
       stattfinden?
       
       [5][Ja, sagt RTL]. Die Brände seien mehrere hundert Kilometer entfernt vom
       Camp. Für viele Mitarbeiter vor Ort sei die Show eine wichtige
       Einnahmequelle. Man werde Sicherheitsvorkehrungen treffen.
       
       Nein, findet dagegen unter anderem SPD-Politiker Karl Lauterbach. [6][Der
       Bild-Zeitung sagte er]: „Ich finde es angemessen, während dieser Brände die
       Sendung Dschungelcamp, die ich persönlich aber auch grundsätzlich entbehren
       könnte, dort nicht weiter zu drehen.“ Das Ganze erinnere ihn an einen Tanz
       auf dem Vulkan. Neben Lauterbach hat die Bild Anfang der Woche noch etliche
       andere Hinterbänkler aus fast allen Parteien zu kritischen Statements
       überredet – und zusätzlich eine Horde von Ex-DschungelteilnehmerInnen zu
       Wort kommen lassen.
       
       Auch bei Twitter empören sich etliche UserInnen. [7][„An Zynismus kaum zu
       überbieten“], heißt es dort. Aus Pietätsgründen, so der Tenor, sollte die
       Show dieses Jahr abgesagt werden. Nicht wenige Twitterer schließen sich
       Boykottaufrufen an.
       
       Aber wer hätte etwas davon, wenn RTL die Show nun tatsächlich absagen
       würde? Die Feuer würden weiter wüten, Menschen ihre Häuser verlieren,
       Millionen Tiere ihr Leben. Und die Welt würde sich weiterdrehen.
       
       Und überhaupt: Australien ist ein Kontinent, nur etwas kleiner als Europa.
       Dürfte man dann angesichts der Lage in Europa, wo noch immer regelmäßig
       Geflüchtete im Mittelmeer ums Leben kommen, es politische Morde gibt, Krieg
       in der Ukraine und Waldbrände in Portugal, überhaupt noch
       Unterhaltungsshows in Dänemark oder in Österreich drehen?
       
       Trotzdem [8][schreibt nun selbst Raul Richter], der einst durch die
       RTL-Vorabendserie „Gute Zeiten, schlechte Zeichen“ bekannt wurde und nun
       als Teilnehmer in den Dschungel geht, bei Instagram, wie paradox es sei,
       ausgerechnet jetzt in Australien eine Unterhaltungsshow zu machen – und
       rechtfertigt zugleich seine Teilnahme: „Wir haben alle Verträge
       unterschrieben und sind verpflichtet, diese einzuhalten.“ Er ruft zu
       Spenden auf und kündigt an, einen Teil seiner Gage zu spenden und das Thema
       „Klimawandel und Co.“ in der Sendung anzusprechen.
       
       Genau das ist der zentrale Punkt. Man mag die Sendung wahlweise für
       irrelevant, volksverdummend oder furchtbar halten, muss aber anerkennen,
       dass das Dschungelcamp zu den am meisten gesehenen Fernsehsendungen in
       Deutschland zählt.
       
       Knapp sechs Millionen Menschen werden auch dieses Jahr wieder jeden Abend
       einschalten, etwa so viele, wie die 20-Uhr-Ausgabe der „Tagesschau“ in der
       ARD erreicht – und doppelt so viel wie politische Talkshows. In der
       werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen erreicht die Show
       regelmäßig einen Marktanteil von mehr als 40 Prozent.
       
       ## Der Sender RTL trägt Verantwortung
       
       RTL wird sich seiner Verantwortung bewusst sein, die AutorInnen der Show
       werden nicht umhinkommen, dem ModeratorInnen-Duo Sonja Zietlow und Daniel
       Hartwig einige Sätze zu Buschbränden, verbrannten Koalas und dem
       Klimawandel auf die Kärtchen zu schreiben.
       
       Wahrscheinlich wird der Sender im Rahmen der Show auch initiieren, dass für
       die Opfer der Buschfeuer oder die Helfer in Australien gespendet wird.
       Vielleicht wird RTL selbst einen Teil der Einnahmen aus der Show spenden.
       Und auch Raul Richter wird sicher, wie angekündigt, das Thema im
       Dschungelcamp aufgreifen – und RTL die entsprechenden Sequenzen dann
       hoffentlich auch ausstrahlen.
       
       Auf diesem Weg wird das Dschungelcamp zu einer Chance für den Klimaschutz:
       Mit einem Schlag werden knapp sechs Millionen Menschen die Folgen des
       Klimawandels vor Augen geführt. Auch solchen Menschen, die eigentlich nur
       einschalten, um verblassenden Stars beim Känguruhodenessen zuschauen zu
       können und sich am Streit der KandidatInnen zu ergötzen. Das Dschungelcamp
       adressiert eben auch eine Zielgruppe, die nicht täglich Leitartikel
       bundesweit erscheinender Tageszeitungen liest oder jeden Abend die
       „Tagesschau“ sieht.
       
       Wer wirklich will, dass sich was ändert in Sachen Klimaschutz, muss auch
       diese Zielgruppe erreichen, anstatt bloß den längst Bekehrten zu predigen.
       Für einen echten Wandel braucht es nämlich alle BürgerInnen. Es muss darum
       gehen, eine Aufmerksamkeit zu erzeugen, ohne zu den üblichen Mitteln der
       Volkspädagogik zu greifen. Es ist daher nicht hilfreich, Unterhaltungsshows
       zu verbieten. Ganz im Gegenteil kann es nicht schaden, wenn auch ein wenig
       Spaß zum Einsatz kommt beim Erreichen des guten Zwecks.
       
       Karl Lauterbachs Vergleich mit dem „Tanz auf dem Vulkan“ bedeutet eben
       auch, dass man angesichts einer akuten Bedrohung ausgelassen feiert. Was
       angesichts der aktuellen Weltlage nicht abzulehnen, sondern geradezu
       geboten ist. Würde vielleicht auch der SPD helfen.
       
       10 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.gala.de/lifestyle/film-tv-musik/dschungelcamp--markus-reinecke-hat-ein-badehosenproblem-22201728.html
 (DIR) [2] https://www.tz.de/tv/dschungelcamp-2020-rtl-gagen-kandidaten-geld-stars-promis-australien-tv-zr-13414698.html
 (DIR) [3] https://www.gala.de/lifestyle/film-tv-musik/dschungelcamp-2020--zickenkrieg-zwischen-danni-buechner-und-elena-miras--22201724.html
 (DIR) [4] /Australische-Tierwelt-in-Gefahr/!5653594
 (DIR) [5] https://kommunikation.mediengruppe-rtl.de/pressemitteilung/Dr.-Bob-bangt-um-sein-Heim-Ich-habe-mein-Haus-schon-ausgeraeumt-und-hoffe-dass-es-nicht-abbrennt/
 (DIR) [6] https://www.bild.de/politik/inland/leute/dschungelcamp-2020-im-australien-feuer-politiker-wollen-sendung-stoppen-67150032.bild.html
 (DIR) [7] https://twitter.com/DoctorB0B/status/1214151353410433024
 (DIR) [8] https://www.instagram.com/p/B67rg3HnMYx/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Paul Wrusch
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Global Pop
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Australien
 (DIR) Dschungelcamp
 (DIR) Privatfernsehen
 (DIR) Kolumne Frühsport
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Australien
 (DIR) Geht's noch?
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Domino Day kommt zurück: Die Plastiksteine purzeln wieder
       
       Abgeknallte Spatzen und bongotrommelnde Frösche: Nach elfjähriger Pause
       kehrt mit dem Domino Day ein Stück Fernsehgeschichte zurück.
       
 (DIR) Athleten in der C-Promi-Unterhaltung: Sich durch den Dschungel boxen
       
       Warum Sportler mit all ihren Fähigkeiten und ihrer Erfahrung für den
       RTL-Trash so wichtig sind. Und wieso das gut ist.
       
 (DIR) Klimaexpertin zu Feuern in Australien: „Kohlelobby hat Regierung im Griff“
       
       In Australien wüten die Buschfeuer, doch der Premier leugnet die
       Klimakrise. Wegen des Einflusses der Kohlekonzerne, sagt Klimaexpertin
       Brynn O’Brien.
       
 (DIR) Materielle Brandschäden in Australien: Angst vor dem Feuersturm
       
       Die materiellen Schäden sind trotz des Infernos nicht so hoch wie bei den
       Buschfeuern in Kalifornien 2018. Die Regierung sagt finanzielle Hilfen zu.
       
 (DIR) Australische Tierwelt in Gefahr: Tote Koalas sind erst der Anfang
       
       Wissenschaftler fürchten, die anhaltenden Brände in Australien könnten
       fatale Folgen für das gesamte Ökosystem haben.
       
 (DIR) Ex-Politiker im Dschungelcamp: Faust aufs Auge
       
       Der frühere Verkehrsminister und CDU-Politiker Günther Krause zieht ins
       „Dschungelcamp“. Dort ist er vielleicht besser aufgehoben, als man glaubt.