# taz.de -- Rückkehr von IS-Frauen aus Finnland: Politik auf Instagram
       
       > Wie umgehen mit Frauen und Kindern, die beim IS in Syrien gelebt haben?
       > Die neue finnische Regierung sucht ausgerechnet auf Instagram nach
       > Antworten.
       
 (IMG) Bild: „Was meinst du?“, fragt Finanzministerin Katri Kulmuni auf Instagram
       
       STOCKHOLM taz | Gerade noch [1][als „Frauenregierung“ international
       beachtet], ist Finnlands frisch angetretene Regierungskoalition unsanft im
       Alltag gelandet. Als Erstes muss [2][Ministerpräsidentin Sanna Marin] ein
       Problem lösen, das sie von ihrem Vorgänger Antti Rinne geerbt hat – ein
       Erbe, bei dem sich die fünf Regierungsparteien höchst uneinig sind und bei
       dem sich nun auch noch die neue Finanzministerin und Vorsitzende der
       liberalen Zentrumspartei Katri Kulmuni alles andere als hilfreich verhalten
       hat.
       
       Es geht um die „Al-Hol-Frauen“: finnische Staatsangehörige, die zeitweise
       beim sogenannten „Islamischen Staat“ in Syrien gelebt haben und die jetzt
       im überfüllten Flüchtlingslager von al-Hol in Nordsyrien leben. Ihre Kinder
       sind meist jünger als sechs Jahre.
       
       In Helsinki streitet die Regierung darum, ob Finnland diese Mütter mit
       ihren Kinder zurücknehmen soll oder nur die Kinder. Dabei geht es lediglich
       um elf Frauen, von denen eine bereits angekündigt hat, nicht nach Finnland
       zurückkehren zu wollen. Kulmuni und ihre Zentrumspartei sind im Gegensatz
       zu Sozialdemokraten, Linken, Grünen und Liberalen der Auffassung, nur die
       Kinder sollten nach Finnland zurückkehren dürfen.
       
       Am Donnerstag entschloss sich die Zentrumsvorsitzende, dazu die
       „Öffentlichkeit“ befragen zu wollen. Ausgerechnet im Rahmen einer
       „Instagram-Story“ stellte sie zwei Alternativen zur Abstimmung: „Sollen wir
       den finnischen Kindern zurückhelfen? Oder sollen wir auch deren Mütter
       zurücknehmen?“ Mit der eigenen Meinung hielt sie nicht hinterm Berg: „Von
       letzterer Alternative bin ich nicht begeistert, denn ich glaube, dass mit
       diesen Erwachsenen ein fürchterliches Terrorrisiko verbunden wäre. Was
       meinst du?“
       
       ## Eine Grenze überschritten
       
       Schnell verbreiteten sich Bilder dieser Abstimmung in den sozialen Medien
       und es regte sich internationale Empörung. „Fürchterlich“, [3][twitterte
       Andrew Stroehlein, Kommunikationschef der Menschenrechtsorganisation Human
       Rights Watch.] „Ein Staat sollte in jeder Situation die Rechte seiner
       Mitbürger verteidigen und nicht eine öffentliche Abstimmung in sozialen
       Medien über Leben und Tod seiner Bürger veranstalten.“ Und er fragte: „Was
       kommt als Nächstes? Öffentliche Hängung je nach der Lautstärke des Beifalls
       im Stadion?“
       
       „Mein Ziel war es, eine Diskussion über ein kompliziertes Thema in den
       sozialen Medien zu führen. Das ist gescheitert. Ich entschuldige mich für
       die Umfrage“, reagierte Kulmuni einen Tag später und entfernte ihre Umfrage
       wieder. Trotzdem kommentierte die Tageszeitung Hufvudstadsbladet am
       Samstag, Kulmuni habe alle Grenzen überschritten: „Geschmacklos,
       unverantwortlich, naiv und als Parteivorsitzende und Finanzministerin des
       Landes ungeeignet.“
       
       Erst im September zur Parteivorsitzenden gewählt, steht die 32-jährige
       Kulmuni unter einem enormen Erfolgsdruck. Das Zentrum, das von 2015 bis
       2019 die Regierung führte, hatte bei den Parlamentswahlen in diesem
       Frühjahr ein Drittel seiner Stimmen verloren und sackt seither in Umfragen
       weiter ab.
       
       Im Bemühen, diesen Trend zu stoppen und die Partei zu profilieren, brach
       das Zentrum bereits jene Regierungskrise los, [4][die zum Rücktritt von
       Antti Rinne geführt] und damit den Weg für Sanna Marin geöffnet hatte. Nun
       spaltet sie die Koalition erneut.
       
       Eine gefährliche Situation, warnt der Politikwissenschaftler Lauri
       Karvonen. Die oppositionellen Wahren Finnen, die ebenso wie die
       oppositionellen Konservativen und das Zentrum gegen eine Rücknahme sind,
       freuen sich über die uneinige Koalition und wollen noch in dieser Woche
       eine parlamentarische Anfrage zu den „Al-Hol-Frauen“ stellen. Für Mittwoch
       drohen sie mit einem Misstrauensantrag.
       
       15 Dec 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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