# taz.de -- Neuer Trainer bei Hertha: Nach oben mit dem Vorwärts-Typen
       
       > Bei Hertha BSC soll es nun Jürgen Klinsmann als Trainer richten.
       
 (IMG) Bild: Lacht jetzt trainerlich für Hertha BSC: Jürgen Klinsmann
       
       Kaum je ist ein Fußballtrainer so schnell vergessen gewesen wie der
       erfolglose Ante Čović nach seiner Demission bei Hertha. Eine Fußnote eines
       Irrtums, Minuten später schon irrelevant unter der Wucht seines
       Nachfolgers: Jürgen Klinsmann ist bis zur Sommerpause [1][Übergangstrainer
       bei Hertha] BSC. Kamerateams, bundesweite Schlagzeilen, „Berlin wartet auf
       etwas Großes“, raunte Klinsmann bei der ersten Pressekonferenz am Mittwoch,
       und Hertha wartet mit ihm. Ein zutiefst mittelmäßiger Bundesligist mit
       zutiefst mittelmäßigem Fußball, der nun blühen darf im Glanze eines
       Glücklichen, Klinsi. „Was ich tue, tue ich richtig“, kündigte der
       Ex-Bundestrainer an, und niemand zweifelt daran.
       
       Für Hertha bedeutet sein Einstieg durchaus einen Umbruch. Vor allem in
       Bezug auf Strukturen und Außenwirkung – nicht auf die Spielidee.
       
       Das Engagement des notorisch optimistischen Immer-vorwärts-Typen bringt
       zunächst eine Atempause in der Abwärtsbewegung. Dass Hertha unter Klinsmann
       absteigt, ist schwer vorstellbar, eher schon erwartet das Fußballvolk, dass
       er die Mannschaft irgendwie doch noch nach oben in die Europa League
       peitscht. Zugleich aber verdeckt der große Name die Tatsache, dass Hertha
       sich spielerisch im Kreis dreht. Von Pál Dárdai wurde attraktiver
       Ballbesitzfußball gefordert, den er nie einzulösen vermochte. Čović wurde
       dasselbe aufgetragen, doch die nötige Zeit für so einen Systemwechsel hat
       man dem Neuling nicht gewährt.
       
       Von Anfang an war Ante Čović ein Notnagel: Sein Scheitern ist zu mächtigem
       Anteil auch dem ziellosen Lavieren von Hertha geschuldet, das seinen
       Jugendtrainer ohne Vorerfahrung in die Bundesliga schickte und dann schon
       nach vier Monaten abservierte. „Es geht im Moment nicht um den
       attraktivsten Fußball, es geht darum, Punkte zu holen“, hat nun Jürgen
       Klinsmann ausgerufen. Langfristige Spielentwicklung opfert der Verein
       wieder einmal einem kurzfristigen Ziel. Finanziell nachvollziehbar, ist es
       ein als Fortschritt getarnter Rückschritt.
       
       Verdächtig oft ist in den vergangenen Tagen neben und durch Klinsmann dabei
       der Name Lars Windhorst gefallen. Der Investor, der mittlerweile 49,9
       Prozent von Herthas KGaA besitzt und 225 Millionen Euro in den Verein
       gepumpt haben soll, ist eng mit Klinsmann verbandelt und hat zum Ausdruck
       gebracht, dass er bald Rendite sehen möchte. Windhorst gewinnt sichtbar an
       Einfluss, mancher sieht den Trainerwechsel schon als Machtübernahme.
       
       Für Hertha bedeutet das gefährliche Abhängigkeiten, aber auch eine Chance:
       nach Jahren des piefigen Stillstands kommt Wind auf. Gut möglich, dass
       Klinsmann radikal die Strukturen reformiert. Hertha würde profitieren.
       
       Für echte Entwicklung fehlt es dem Klub allerdings an Geduld und an einer
       Spielphilosophie. Klinsmann selbst hat kaum Erfahrung als Vereinstrainer
       vorzuweisen und seit „Sommermärchen“-Zeiten auf der Bank wenig glücklich
       agiert. Dass auf ihn Niko Kovač folgen soll, wieder eher ein Typ der
       Dárdai-Kämpferei, unterstreicht eine bemerkenswerte Konzeptlosigkeit.
       Langfristig Kick and Rush bejubeln, das funktioniert nur bei Union.
       
       30 Nov 2019
       
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