# taz.de -- Impeachment gegen Trump: Fronten verschieben sich
       
       > Drei Frauen werfen US-Botschafter Gordon Sondland sexuelle Übergriffe
       > vor. Der Aufschrei bei den linken Liberalen bleibt aber bislang aus.
       
 (IMG) Bild: Gordon Sondland braucht während der Anhörung in Washington mal eine Pause
       
       Berlin taz | Wie sehr doch Timing die öffentliche Wahrnehmung verändert.
       Drei Frauen, so berichtet jetzt die US-amerikanische Gruppe für
       investigativen Journalismus [1][ProPublica] zusammen mit dem Magazin
       [2][Portland Monthly], beschuldigen [3][Gordon Sondland], dem
       US-Botschafter bei der Europäischen Union, sie vor vielen Jahren sexuell
       belästigt zu haben. Es geht um unerwünschte Umarmungen, Kussversuche und
       Angrapschen.
       
       Zwei von ihnen hatten Sondland, 62, den erfolgreichen Hotelier und
       Geschäftsmann aus Portland, um Hilfe gebeten – die eine suchte einen Job,
       die andere brauchte Investitionen für ein Magazin. Die dritte arbeitete mit
       ihm zusammen.
       
       Was sie durchaus glaubwürdig erzählen – und Sondland rundheraus dementiert
       – ist die typische #MeToo-Story über einen Mächtigen, der glaubt, es sei
       schon okay, es zumindest zu versuchen, unter Ausnutzung seiner Position
       Frauen zum Sex zu kriegen. Alle drei wiesen ihn zurück, und alle drei
       berichten, er habe sich danach an ihnen im Job für die Zurückweisung
       gerächt. Eklige Geschichte, ekliger Typ.
       
       Wären die Vorwürfe im Juni 2018 bekannt geworden – demokratische
       Senator*innen hätten sie aufgegriffen und Sondland vorgehalten. Womöglich
       [4][hätte es Demonstrationen des Womech in Washington, D. C., gegeben]. Da
       nämlich hatte US-Präsident Donald Trump Sondland als US-Botschafter für die
       Europäische Union nominiert, und es liefen die Anhörungen zu seiner
       Bestätigung – eines Mannes ohne jede außenpolitische Erfahrung, dessen
       einziges Verdienst darin bestand, Trump für die Amtseinführungszeremonie
       eine Million Dollar gespendet zu haben.
       
       ## Unbekannte Größe
       
       Das Narrativ wäre klar gewesen: Trump, selbst von über 20 Frauen wegen
       sexueller Übergriffe beschuldigt, belohnt einen Typ gleichen Kalibers. Ein
       Reicher kauft sich, was er will.
       
       Oder, wie Sondland selbst [5][bei einer Podiumsdiskussion] auf die Frage
       sagte, warum er in die Hotelbranche gegangen sei: Ein Hotel „bringt alle
       Elemente zusammen, die mir einen Grund geben, morgens aufzustehen: Du hast
       Essen, du hast Wein, du hast Design, du hast Kunst, du hast Intrigen, du
       hast Sex. Alles, was du dir wünschen kannst.“
       
       Aber die Vorwürfe wurden nicht 2018 öffentlich, Sondland wurde ohne große
       Debatte als Botschafter bestätigt, und in den USA blieb er eine unbekannte
       Größe.
       
       Seit knapp zehn Tagen ist das alles anders. Denn da sagte Sondland
       öffentlich vor dem Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses aus, und
       was er sagte, brachte neuen Schwung in den zähen Versuch, Trump
       Amtsmissbrauch [6][in der Ukraine-Affäre] nachzuweisen.
       
       ## Eine weitere Einer-lügt-Geschichte
       
       Ungewohnt klar [7][sagte Sondland], es habe massiven Druck von Trump und
       seinem persönlichen Anwalt Rudy Giuliani auf den ukrainischen Präsidenten
       Wolodimir Selenski gegeben, um öffentlich die Einleitung von Ermittlungen
       anzukündigen, in deren Mittelpunkt der Sohn des führenden demokratischen
       Präsidentschaftskandidaten in spe, Joe Biden, stehen sollte.
       
       Kein Wunder, dass sich der Aufschrei der liberalen Linken aufgrund der
       neuen Vorwürfe gegen den wichtigsten Zeugen gegen Trump in Grenzen hält.
       Sondland selbst [8][erklärt], alles sei frei erfunden und offensichtlich
       aus politischen Motiven heraus koordiniert.
       
       Niemand außer den betroffenen Frauen und Sondland selbst kann genau wissen,
       was oder was nicht da geschehen ist. Es kann beides stimmen: Die Berichte
       der Frauen treffen zu, der Zeitpunkt der Veröffentlichung aber ist
       politisch motiviert. Aber nicht einmal das ist derzeit nachzuweisen.
       
       Klar ist, dass sich plötzlich die Fronten umdrehen. Sind es sonst
       Republikaner und Rechtspopulisten, die #MeToo-Klagen zum Bestandteil von
       Genderwahn und feministischen Flirtverbotsfantasien erklären, kommt den
       Republikanern diese „öffentliche Hinrichtung“ des wichtigsten Zeugen gegen
       Trump ganz recht. Und das gemeine Publikum ist vor allem angewidert davon,
       sich nunmehr mit einer weiteren detailreichen Einer-lügt-Geschichte
       befassen zu sollen.
       
       28 Nov 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.propublica.org/article/multiple-women-recall-sexual-misconduct-and-retaliation-by-gordon-sondland
 (DIR) [2] https://www.pdxmonthly.com/articles/2019/11/27/multiple-women-recall-sexual-misconduct-and-perceived-retaliation-by-gordon-sondland
 (DIR) [3] /Impeachmentverfahren-gegen-Trump/!5643233
 (DIR) [4] /Womens-March-in-den-USA/!5478649
 (DIR) [5] https://www.bizjournals.com/portland/news/2019/10/10/listen-to-provenance-hotels-gordon-sondlands-full.html
 (DIR) [6] /Impeachmentverfahren-in-USA/!5641691
 (DIR) [7] /Impeachment-gegen-Trump/!5643221
 (DIR) [8] https://www.documentcloud.org/documents/6561833-STATEMENT-FROM-AMBASSADOR-GORDON-SONDLAND.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Pickert
       
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