# taz.de -- Sadomasochismus und Verantwortung: Das Paradox der Dominanz
       
       > Beim Sex gelingt das Machtspiel nur, wenn das Begehren ernst genommen
       > wird – und das Oben und Unten real. Das braucht die richtige innere
       > Haltung.
       
 (IMG) Bild: Man muss den Sub als Hund sehen, wenn man sein Begehren ernst nimmt
       
       Macht ist ein Ort der Einsamkeit. Das gilt für die realen Verhältnisse
       ebenso wie für das Oben und Unten im sadomasochistischen Spiel. Die Chefin
       mag sich gegenüber dem Mitarbeiter nach Anerkennung sehnen, die Mutter
       gegenüber dem Kind nach Gegenliebe, beiden mag dieser Wunsch ab und zu
       erfüllt werden. Aber wahre Nähe zum Unten bleibt ihnen verwehrt.
       
       Herr-und-Knecht-Dialektik hat Hegel das genannt. Nicht anders ist es
       zwischen Dom, also dem dominanten Part, und Sub, dem unten stehenden,
       liegenden, knienden Gegenstück in der SM-Beziehung. Denn die ist auch bloß
       Simulation realer Machtverhältnisse unter Laborbedingungen, kontrolliert,
       gerahmt und reduziert aufs Wesentliche: das Oben und Unten.
       
       Für Doms ergibt sich daraus ein Paradox: Obgleich sie in der Logik des
       Spiels die Macht haben, sind sie der oder dem Sub gegenüber verpflichtet,
       verantwortlich, ihren oder seinen Bedürfnissen ausgeliefert. Sogar ihre
       Macht selbst existiert nur so lange, wie die Grenzen der oder des Sub nicht
       erreicht sind. Als Dom muss ich, will ich es richtig machen, mehrere
       Aufgaben jonglieren.
       
       Das erschöpft sich nicht darin, Leder oder Uniform zu tragen, meine Stimme
       zu senken und mein Gegenüber kreativ zu demütigen. Das ist nur äußere
       Handlung, und die fällt, wie jede soziale Rolle, mit der Zeit immer
       leichter. Schwieriger ist die innere Haltung, die es der oder dem Sub
       erlaubt, sich fallen zu lassen in einen Raum von Sicherheit, Fürsorge und
       Akzeptanz.
       
       ## Ein echter Sadist?
       
       Das Machtspiel gelingt nur, wenn ich das Sub-Begehren [1][einhundert
       Prozent ernst nehme], das Oben und Unten real werden lasse. Ich den anderen
       also tatsächlich als den dreckigen, wertlosen Köter sehe, der er in diesem
       Moment sein möchte. Würde ich das nicht tun, würde ich nur so tun als ob,
       dann würde ich damit sein ehrliches Begehren verraten.
       
       Ich muss also bereit sein, ihm alles zu nehmen, seinen Wert als Person,
       seine [2][Verantwortung sich selbst gegenüber], seine Scham. Und zugleich
       muss ich aufmerksam bleiben für den Moment, an dem er seine Grenzen
       erreicht. Denn obwohl ich alles kontrolliere, kontrolliere ich das
       Entscheidende nicht: wann das Spiel endet.
       
       Dem oder der Sub wird so ermöglicht, sich zu befreien. Der oder die Dom
       hingegen nimmt alle Bürden auf sich. Das ist massive Sorgearbeit, und es
       kommt nicht selten vor, [3][dass Doms danach in ein Loch fallen]. Denn
       während des Spiels hat sich niemand um meine Bürden, meine emotionalen
       Lasten, meine Scham gekümmert. Ich war an der Macht, und dort, an der
       Macht, ist niemand für dich da.
       
       Manche werden nun einwenden, dass ich kein echter Sadist sei, wenn ich so
       denke. Dass ich das Begehren nach Macht gar nicht mitbringe, mir die Rolle
       einfach nicht liege. Das mag sein, mag aber auch nicht sein. Denn die
       Machtposition reizt mich schon. Und wenn es nur ist, um mein devotes,
       kniendes, wimmerndes Gegenüber gut aufgehoben zu wissen.
       
       29 Nov 2019
       
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