# taz.de -- Überraschung in der Bundesliga: Steinzeit ist Spitze!
       
       > Die schlichten Mittel von Union Berlin reichen aus, um das vielfach
       > gelobte Spiel des Tabellenführers Borussia Mönchengladbach zu entzaubern.
       
 (IMG) Bild: Irgendwie weg damit: Unions Torhüter Rafal Gikiewicz in Aktion
       
       Schon wieder. Tabellenführerbesieger. Jetzt können sie bei Union Berlin
       beginnen, T-Shirts für das Weihnachtsgeschäft mit diesem Wort zu bedrucken.
       Man war schon wieder fassungslos An der Alten Försterei. Am dritten
       Spieltag hatte der Aufsteiger den damaligen Tabellenführer Borussia
       Dortmund mit 3:1 geschlagen, am zwölften Spieltag folgte ein 2:0 gegen den
       nunmehrigen Spitzenreiter Borussia Mönchengladbach. Schon wieder also war
       etwas Unfassbares in Köpenick geschehen. Und doch war so ziemlich alles
       anders als zu Saisonbeginn. Union wird nicht mehr belächelt, auch nicht von
       den besten Teams der Liga. Der Aufsteiger hat sich Respekt erarbeitet.
       
       Nach dem Spiel ging das Staunen darüber, was da im Südosten Berlins gerade
       geschieht, weiter. Da hatte der hochgelobte Tabellenführer vom Niederrhein
       gerade bei Union verloren, und niemand aus der Entourage der Gäste war
       wirklich enttäuscht. Die Spieler redeten, als hätten sie ein Duell mit
       einem Spitzenteam knapp verloren. „Wir haben versucht, uns zu wehren“,
       sagte Gladbachs Sportdirektor Max Eberl da etwa. Und: „Wir haben sehr, sehr
       gut versucht dagegenzuhalten.“ Oder: „Union hat unfassbar gut Fußball
       gespielt.“
       
       Mittelfeldspieler Florian Neuhaus meinte beinahe schon stolz auf die
       Leistung seiner Mannschaft: „Wir sind immer wieder angerannt.“ Und Kollege
       Christoph Kramer war auch ganz zufrieden mit dem Spiel der Seinen. „Das war
       ja jetzt kein Auftritt, nach dem man sagt, boah, wie soll das denn jetzt
       weitergehen.“
       
       Was war geschehen? Das Team des Tabellenführers war mit vier Punkten
       Vorsprung auf den Zweitplatzierten nach Berlin gereist. In den vergangenen
       Wochen war das Spiel ihres Klubs über den grünen Klee gelobt worden. Vor
       allem vom Gegenpressing wurde geschwärmt. Dass dieser Nervensägenfußball,
       der vor allem davon lebt, den Gegner am Spielaufbau zu hindern, auf Platz
       eins führen kann, sagt einiges über die Qualität der Liga aus.
       
       Dass die Gladbacher mit ihrer Art gegen einen spielerisch eher bescheiden
       aufgestellten Klub wie Union nur zu drei echten Torchancen gekommen sind,
       dass sie in der zweiten Hälfte gar nicht mehr gefährlich waren, darf zudem
       als Beleg dafür gelten, dass stimmt, was Florian Neuhaus nach dem Spiel
       gesagt hat. „Wir sind noch nicht so weit, wie wir teilweise geschrieben
       wurden.“ In Wahrheit war es ein trauriger Auftritt, den Mönchengladbach da
       hingelegt hat.
       
       ## Ball auf der Tribüne
       
       Unions Trainer Urs Fischer war gewiss stolz auf die Leistung seiner
       Spieler, die [1][seinen Matchplan] gut umgesetzt hätten, wie er meinte.
       Sein Plan: lange Bälle nach vorne, in der Hoffnung, einer Stürmer würde
       sich mal einen Abpraller schnappen. Fast schien es ihm peinlich, dass es so
       einfach sein kann, die von anderen so gefürchtete Gegenpressingmaschine mit
       einem beinahe schon primitiven Mittel auszuschalten. „Rein fußballerisch
       gesehen, fand ich den Fußball von unserer Seite her nicht so toll“, sagte
       er. Wie sehr das genervt haben muss, das lässt sich aus diesem Satz von
       Gladbachs Christoph Kramer schließen: „„Tja, Gegenpressing. Es war eben
       auch nicht so einfach, uns den Ball schnell wiederzuholen, weil der Ball
       gleich irgendwo auf der Tribüne gelandet ist.“
       
       Das Heimpublikum kann gut damit leben. In der 18. Minute jubelte es
       erstmals, als ein Verteidiger den Ball mit einem saftigen Befreiungssschlag
       ins Irgendwo gedroschen hat. Kurz zuvor war Union nach einem Ballgewinn im
       Mittelfeld, einem schnellen Pass nach vorne, einer Flanke und einem
       Kopfball von Anthony Ujah in Führung gegangen. Unmittelbar davor wiederum
       hatte Unions Verteidiger Manuel Friedrich vergeblich versucht, das Spiel
       planvoll aufzubauen. Schnell hatte er gesehen, dass das sinnlos ist, und
       den Gladbachern dafür lieber einen Einwurf geschenkt.
       
       Nein, es war wirklich kein schöner Tag für alle, die das Spiel am Fußball
       mehr lieben als den Kampf. Dass der 1. FC Union für diese mit aller
       Leidenschaft angewandten Mittel aus der Zeit des Steinzeitfußballs von den
       Verlierern auch noch gelobt wurde, als sei er eine Spitzenmannschaft, ist
       bemerkenswert. Rot-weißen Fans kann so etwas natürlich egal sein. In der
       Nachspielzeit hatte Sebastian Andersson ja sogar noch das 2:0 geköpft. Es
       durfte wieder geweint werden An der Alten Försterei. Schon wieder.
       
       24 Nov 2019
       
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