# taz.de -- Die Wahrheit: Ruhm und Preis dem Rais!
       
       > Lobet alle laut und lang den Herrn der Türken, den großen Staatenlenker,
       > den unfehlbaren Weisen und Weltführer Recep Tayyip Erdoğan.
       
       Ja, er ist der Größte, Beste und Schönste! Recep Tayyip Erdoğan, der Führer
       der Türkei seit bald siebzehn Jahren, der Herr Kleinasiens und Schutzpatron
       aller Turkvölker des Universums!
       
       Erdoğan der Prächtige, Erdoğan der Mächtige: Sein Lob ertönt auf allen
       Kanälen seines Riesenlandes, ihm zu Füßen liegen die Menschen, soweit sie
       Türken sind. Ihn und nur ihn und ihn allein loben sie, wenn sie das
       Recep-Tayyip-Erdoğan-Stadion in Istanbul betreten. Ihn preisen sie, wenn
       sie in derselben Stadt durch die Recep-Tayyip-Erdoğan-Gärten flanieren. Ihn
       rühmen sie, wenn sie durch den Recep-Tayyip-Erdoğan-Park in Ankara
       lustwandeln. Und verzückt rufen sie seinen Namen, wenn sie an der
       Recep-Tayyip-Erdoğan-Universität in Rize studieren dürfen: in Rize, das
       sich schmeicheln darf, die Heimatstadt von Erdoğans Vater Ahmed zu sein,
       der wie Er den Namen Erdoğan tragen darf. Und Rize ebenbürtig sind Teheran
       und Seoul, denen Recep Tayyip „Ehrenbürger“ Erdoğan mit ihm sich zu
       schmücken die Gunst gewährt hat.
       
       Und doch ist Recep Tayyip Erdoğan bescheiden, bescheiden wie kein anderer.
       Die von ihm errichtete dritte Bosporusbrücke wurde nicht nach ihm benannt,
       sondern nach Sultan Selim I., der das Kalifat nach Istanbul brachte. Der
       von Erdoğan erbaute Präsidentenpalast in Ankara trägt nicht den Namen
       „Recep Tayyip Erdoğan“, sondern heißt so nach „Präsident Recep Tayyip
       Erdoğan“; auch nimmt die Architektur des Palastes Anleihen bei der
       Seldschuken-Dynastie auf, nicht bei Erdoğans Elternhaus im Istanbuler
       Stadtteil Kaşımpaşas.
       
       Am 26. Februar 1954 war der mindestens 1,90 Meter lange Präsident Recep
       Tayyip Erdoğan dort als Kind armer Leute erschienen und wurde gleich als
       „Koran-Nachtigall“ angehimmelt, als das Goldstück auf die religiöse
       Imam-Hatip-Schule ging – lange bevor sich der Augenstern und Liebling
       Allahs der Welt zuwandte und 1981 am Institut für Wirtschafts- und
       Verwaltungswissenschaften der Marmara-Universität ein Diplom erzielte. Zwar
       hieß das Institut erst 1982 so, kamen Dekan und Rektor, die die Urkunde
       unterschrieben, auch erst 1982 ins Amt, gab es die Schrifttype, in der sie
       ausgefertigt wurde, 1981 nicht und war Erdoğan sowieso Angestellter der
       Istanbuler Nahverkehrsgesellschaft in Vollzeit – alles richtig und vier
       Beweise für Recep „Wundertäter“ Erdoğans Auserwähltheit!
       
       ## Übermenschliches Maß
       
       Sie ist auch der Grund, warum Recep „die Leuchte“ Erdoğans Wissen das
       menschliche Maß übersteigt. So lehrte der Begnadete am 15. November 2014
       die Welt, dass die Muslime bereits 1178 Amerika erreicht hatten; und Recep
       „der Seher“ Erdoğan weiß auch, dass sie viel früher schon den Mond entdeckt
       hatten.
       
       Ja, mit seinen Wundergaben könnte Erdoğan ein Auto ohne Fahrgestell und
       Karosserie entwickeln, dem der Motor fehlt, woran heute selbst die besten
       Ingenieure des Erdballs vergeblich tüfteln; zu wenig aber für einen Recep
       „Einstein“ Erdoğan, der lieber aus dem einen Raum die tausend Räume seines
       Präsidentenpalasts schuf, ohne dass ein einziger dieser Räume gekrümmt
       wäre. Natürlich wäre es Alleskönner Erdoğan auch ein Leichtes, die Steine
       Anatoliens in Juwelen zu verwandeln! Doch „das Genie vom Ararat“ begnügt
       sich damit, eine neue Erde zu erschaffen, ein neues Paradies.
       
       Recep Tayyip Erdoğan der Große wird die Türkei wieder zur Vormacht des
       Islam machen, wird die Brüder auf der Krim, im Kaukasus, in Aleppo und
       Mossul, auf dem Balkan und überall im Sonnensystem erwecken und in sein neu
       begründetes Kalifat führen. Über Jerusalem wird wie über allen Planeten
       wieder die Fahne Osmaniens wehen, und der Schandvertrag und Schmachfrieden
       von Lausanne 1923 wird in den Staub getreten werden!
       
       Dann regiert Recep „Schnabelschuh“ Erdoğan als Vater aller Mütter auch die
       Schwestern dieser Brüder, und eine neue Zeit beginnt auf der Erdscheibe.
       Erdoğan der Süße wird regieren, und wo er hintritt, wächst Gras. Der Holde
       wird die Morgenfrische kommen heißen und die feuchte Abendkühle rufen, so
       Ochs und Esel, Mensch und Tier sich erquicken, laben und letzen gleich ihm.
       Die Tage sind Tage des Glückes, die ungeschlachte Nacht aber wird für immer
       Vergangenheit sein.
       
       Aber noch ist es nicht Recep „Honigstimme“ Erdoğan, der eine gartenschöne
       Welt in seiner Hand hat. Noch tut Recep der Granitene not, die stahlharte
       türkische Zeder, der Herr der wilden Hörner vom Schwarzen Meer!
       
       ## Buchhalter einer Wurstfabrik
       
       Heiliger Hass auf die kemalistische und laizistische Oberschicht befeuerte
       den Präsidenten schon mit zehn, elf Jahren, wenn er auf der Straße
       Lebensmittel verkaufte und zum Charismatiker wurde. Der Tribun der
       Gedeckelten, der Patron der Angeschmierten und Buchhalter einer Wurstfabrik
       schloss sich deshalb der Nationalen Heilspartei, anschließend der
       Wohlfahrtspartei, dann der Tugendpartei und am Ende der Partei für
       nationales Heil, Wohlfahrt und Tugend an, der AKP, die genau genommen
       „Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung und Erdoğan“ heißt.
       
       „Minarette sind Bajonette, Moscheen Kasernen, Gläubige Soldaten“, zitierte
       Recep „Geistesmensch“ Erdoğan 1997 den Dichter Ziya Gökalps. Aber Erdoğan
       ist nicht bloß ein Gigant des Gehirns, sondern auch ein Titan der Tat! Seit
       bald siebzehn Jahren und besonders seit dem Jahre des Segens 2015 überrollt
       Recep „Donnerkeil“ Erdoğan die Feinde, reißt den Abtrünnigen die Köpfe ab
       und wird auch die Kurden zerstückeln, bis sie endlich gelernt haben, ihn zu
       lieben. Dann aber wird Recep „Allererbarmer“ Erdoğan Gnade walten lassen
       wie bei dem sowieso nicht korrupten Herrn Necmeddin Bilal, der sein Sohn
       ist; nur darin besteht Erdoğans Mitwissen.
       
       Denn Recep „Wohlgeruch“ Erdoğan ist rein. Er steht über dem Gesetz wie
       alle, die an ihn glauben und ihm, Recep Tayyip Erdoğan dem Herrlichen,
       folgen. Seht: Erdoğan ist der Freund aller Menschen, wenn es welche sind.
       Seine Haut ist faltenfrei, und seine Füße sind eben und fest wie der
       Brustpanzer einer Schildkröte. Seine Haut glänzt wie Gold, und kein Staub
       und Schmutz vermag an ihr zu haften. Stehend misst er inzwischen drei Meter
       und kann mit beiden Handflächen den Himmel berühren.
       
       Lob und Preis also der Zierde des Bosporus, der Blüte Anatoliens und der
       Morgenröte Osmaniens! Ja, Recep „Osman“ Erdoğan ist das Licht des Orients,
       das tausend Sonnen überstrahlt, Erdoğan der Riese, der Rais, der
       Tausendpfünder! Recep „Sultan“ Erdoğan, Recep „Kalif“ Erdoğan: Möge er bald
       ewig leben!
       
       2 Nov 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Köhler
       
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