# taz.de -- Neue Hoffnung im Brexit-Streit: Eine Formel für die Grenze zu Irland?
       
       > Nur wenige Tage bleiben für eine Brexit-Lösung vor dem EU-Gipfel. Nach
       > einem konstruktiven Gespräch mit Irland soll es nun neue Verhandlungen
       > geben.
       
 (IMG) Bild: Flaggenstreit in Brüssel
       
       BRÜSSEL dpa | Nach unerwarteten Fortschritten im [1][Brexit-Streit] sieht
       die Europäische Union neue Einigungschancen und startet eine weitere
       intensive Verhandlungsrunde mit Großbritannien. Dies bestätigten Diplomaten
       am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Die Ankündigung nährt
       neue Hoffnung, dass noch ein geregelter Austritt Großbritanniens gelingt.
       Gesucht wird eine Lösung bis zum EU-Gipfel Ende nächster Woche. Der Brexit
       ist für den 31. Oktober angekündigt.
       
       EU-Ratspräsident Donald Tusk erklärte, zwar fehlten immer noch umsetzbare
       und realistische Vorschläge aus Großbritannien. Doch gebe es
       „vielversprechende Signale“ aus Irland. „Selbst die kleinste Chance muss
       genutzt werden“, schrieb Tusk auf Twitter. Zuvor hatte EU-Unterhändler
       Michel Barnier am Freitagvormittag ein „konstruktives Gespräch“ mit dem
       britischen Brexit-Minister Stephen Barclay geführt, wie beide Seiten
       mitteilten. Die 27 bleibenden EU-Staaten gaben anschließend grünes Licht
       für neue Verhandlungen.
       
       Am Donnerstag waren der britische Regierungschef Boris Johnson und sein
       irischer Kollege Leo Varadkar überraschend einer Lösung näher gekommen. Ein
       Deal bis zum Austrittsdatum 31. Oktober sei noch möglich, sagte Varadkar
       nach einem mehr als zweistündigen Gespräch mit Johnson in der Nähe von
       Liverpool. Zugleich wies er darauf hin, dass noch etwas schiefgehen könnte.
       
       Tusk wollte nach eigenen Worten eine Einigung öffentlich für unmöglich
       erklären, wenn bis (zum heutigen) Freitag keine machbaren britischen
       Vorschläge vorlägen. Stattdessen verwies der Ratspräsident darauf, dass
       Johnson und Varadkar selbst erstmals den Weg zu einem Deal erkennen
       könnten. Es gebe natürlich keine Erfolgsgarantie, aber die Chance müsse
       genutzt werden.
       
       ## Mit oder ohne Vertrag?
       
       Die irische Einschätzung ist wichtig für die gesamte EU. Denn der
       entscheidende Knackpunkt ist die Frage, wie die Grenze zwischen dem
       britischen Nordirland und dem EU-Nachbarn Irland offen gehalten werden
       kann. Gibt es bis 19. Oktober keinen Deal, ist Johnson nach einem
       britischen Gesetz gehalten, bei der EU eine längere Austrittsfrist zu
       beantragen. Der Premier hat allerdings immer wieder angekündigt, [2][sein
       Land zum 31. Oktober notfalls auch ohne Vertrag aus der EU zu führen].
       
       Worüber Johnson und Varadkar im Einzelnen gesprochen haben, war zunächst
       nicht offiziell bekannt. Doch sickerten Informationen über eine neue
       mögliche Formel für die irische Grenzfrage durch. Die EU will eine feste
       Grenze mit Kontrollposten auf der irischen Insel vermeiden, weil neue
       Unruhe in dem ehemaligen Bürgerkriegsgebiet befürchtet wird. Gleichzeitig
       will die EU verhindern, dass unkontrolliert und unverzollt Waren über die
       neue EU-Außengrenze in den Binnenmarkt strömen.
       
       Johnson hatte bereits angeboten, dass Nordirland sich auch nach dem Brexit
       an EU-Produktstandards hält, was Warenkontrollen an der inner-irischen
       Grenze unnötig machen würde. Nun steht nach britischen Medienberichten eine
       spezielle Zollpartnerschaft für Nordirland zur Debatte, die auch
       Zollkontrollen vermeiden könnte. Die nordirische Volksvertretung Stormont
       könnte, wie von London gewünscht, ein Mitspracherecht bekommen, ob die
       Lösung dauerhaft angewandt wird. Doch sollen nicht einzelne Parteien ein
       Vetorecht ausüben dürfen.
       
       ## Johnson braucht die Hilfe der Opposition
       
       Das britische Unterhaus könnte am 19. Oktober zu einer Sondersitzung
       zusammenkommen. Ob Johnson für einen etwaigen Brexit-Deal mit einer
       Mehrheit rechnen kann, ist unklar. Während seine Vorgängerin Theresa May
       mithilfe der nordirisch-protestantischen DUP wenigstens rechnerisch eine
       Mehrheit hatte, führt Johnson offiziell eine Minderheitsregierung an.
       
       Nach dem Rauswurf von 21 No-Deal-Gegnern aus seiner Fraktion ist er nicht
       nur auf die DUP, sondern auch auf erhebliche Hilfe aus der Opposition
       angewiesen. Stellen sich die zehn DUP-Abgeordneten wegen zu großer
       Zugeständnisse in der Irland-Frage gegen Johnson, muss er auch mit dem
       Widerstand einiger Brexit-Hardliner in seiner eigenen konservativen
       Fraktion rechnen. Noch unsicherer ist, ob ausreichend viele
       Labour-Abgeordnete Johnson ihre Stimme leihen würden.
       
       11 Oct 2019
       
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