# taz.de -- Zugerichtete Athlet*innen im Spitzensport: Mechanismen des Missbrauchs
       
       > Das Beispiel der Schwimmerin und Olympiasiegerin Casey Legler zeigt: Der
       > Leistungssport beeinträchtigt das Leben Jugendlicher brutal.
       
 (IMG) Bild: Hartes Training: ein Jugendlicher pflügt sich durchs Wasser
       
       Vor einigen Tagen hat Casey Legler [1][dem britischen Guardian] vielsagende
       Einblicke in die Nachwuchsförderung im Schwimmen gegeben. Ihre Aussagen
       sind auch deshalb so wichtig, weil sie den Blick weiten: Nicht nur
       sexueller Missbrauch ruiniert Leben im Sport. Es gibt weitere, subtilere
       Mechanismen im Umgang mit jugendlichen Elite-SportlerInnen, die enorme
       Schäden anrichten und kaum kontrollierbar und in den meisten Fällen nicht
       strafbar sind.
       
       Wie verbreitet sie sind oder ob sie heute noch so gelten, lässt sich daraus
       nicht ablesen; ihre Ursache aber liegt im System. Casey Legler brach 1996
       mit 19 Jahren im Training den Weltrekord über 50 Meter Freistil, beendete
       jedoch schon mit 21 Jahren ihre Karriere, litt unter Alkohol- und
       Drogensucht. Beides sei weit verbreitet gewesen unter minderjährigen
       SpitzensportlerInnen, hat Legler nun gesagt. „Wir wurden einfach
       alleingelassen.“
       
       Sie beschreibt ein System der Extreme: Trainer, die einerseits absolute
       Kontrolle über die Jugendlichen und ihre Körper ausüben (auch Legler wurde
       von einem Physiotherapeuten sexuell missbraucht) und Kinder wie Geldanlagen
       behandeln, ihnen aber andererseits in den Trainingslagern lange Phasen
       totaler Freiheit lassen, ohne sich darum zu scheren, was die Kinder tun.
       Die bei Verletzungen rücksichtslos auf Weitermachen drängen, bei Doping und
       Essstörungen wegschauen, „die Normalisierung von Vernachlässigung“ nennt es
       Legler.
       
       Jugendliche, die unter hohem Druck stehen, aber von niemandem ernsthaft
       betreut werden. Das französische Schwimmteam habe hart getrunken und Drogen
       genommen, um „uns die Macht zurückzuholen“, um seine Verachtung zu zeigen
       für diese Welt der heuchlerischen Erwachsenen. Einige, so sagt es Legler,
       kämpften bis heute mit der Sucht.
       
       Es sind Mechanismen, die, ähnlich wie [2][sexueller Missbrauch, aus einem
       System] erwachsen, in dem eindeutige Machtpositionen verteilt sind: hier
       die TrainerInnen, dort die Schützlinge, oft gemeinsam isoliert in
       abgeriegelten Trainingszentren. Mindestens ebenso aber sind sie Ergebnis
       des Leistungssystems. Sie bleiben, das zeigt das Beispiel Schwimmen, nicht
       reduziert auf Sportarten, wo große Profitmargen warten: Es reicht die
       Aussicht auf Titel, damit TrainerInnen Jugendliche als Ware betrachten.
       
       Viel wird derzeit über zu ehrgeizige Eltern gesprochen, wenig über
       rücksichtslose TrainerInnen. Es muss über das System Spitzensport an sich
       gesprochen werden. Und über Verantwortung. Nicht nur sexueller Missbrauch
       ist Missbrauch.
       
       18 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.theguardian.com/books/2019/sep/12/i-was-a-dangerous-person-casey-legler-on-life-as-a-teenage-olympian-and-raging-alcoholic
 (DIR) [2] /Sexuelle-Gewalt-im-Sport/!5470022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alina Schwermer
       
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