# taz.de -- Vorkaufsrecht in Berlin-Kreuzberg: Wider die Spekulation
       
       > Erneut hat Friedrichshain-Kreuzberg das Vorkaufsrecht gezogen – doch
       > dieses Mal will der Bezirk nicht den spekulativen Kaufpreis zahlen. Geht
       > das?
       
 (IMG) Bild: Alter Bekannter: Proteste für die Bäckerei Filou, 2017
       
       Worum geht es? 
       
       Der Gebäudekomplex ist ein alter Bekannter im Kreuzberger Kampf gegen
       Verdrängung: Als die im Erdgeschoss befindliche Bäckerei Filou Anfang 2017
       gekündigt wurde, löste das einen [1][Sturm der Entrüstung] aus. Am Ende
       lenkten [2][die beiden Eigentümer], zwei Lononer Investoren ein, [3][das
       Filou durfte bleiben] – jetzt aber wollten sie [4][die drei Häuser
       inklusive Bäckerei verkaufen]. An eine Briefkastenfirma in Luxemburg, die
       zur Immobiliengruppe NAS Invest gehört. Das will der Bezirk
       Friedrichshain-Kreuzberg verhindern, [5][indem er das bezirkliche
       Vorkaufsrecht ausübt].
       
       Der Bezirk will nicht zum Kaufpreis von elf Millionen, sondern zum
       Verkehrswert von acht Millionen kaufen. Ist das erlaubt? 
       
       Das ist nicht ganz klar. Grundsätzlich darf das Vorkaufsrecht zum
       Verkehrswert ausgeübt werden, [6][wenn der Kaufpreis diesen deutlich
       überschreitet]. In Berlin wurde das schon zwei Mal versucht: 2015 in
       Tempelhof-Schöneberg und 2016 für ein Haus in der Glogauer Straße 6. Beide
       Fälle wurden in erster Instanz vom Gericht kassiert. Die Richter
       begründeten die Entscheidung damit, der Bezirk dürfe nur dann zum
       Verkehrswert kaufen, wenn der aufgerufene Kaufpreis mehr als 25 Prozent
       über dem Verkehrswert liege – in den fraglichen Fällen waren es aber
       [7][nur 23] beziehungsweise 17 Prozent.
       
       Warum sollte jetzt erfolgreich sein, was schon zwei Mal nicht geklappt hat? 
       
       Im aktuellen Fall liegt der Kaufpreis von elf Millionen Euro mehr als 37
       Prozent über dem Verkehrswert von acht Millionen Euro – die in den anderen
       Verfahren festgelegte Grenze von 25 Prozent ist damit überschritten.
       
       Dann ist rechtlich alles klar? 
       
       Nein. Der Verkehrswert wurde durch das Bezirksamt berechnet – es ist auch
       möglich, dass die Berechnung vor Gericht angefochten wird. Gerade die
       Tatsache, dass zu dem Gebäudeensemble nicht nur zwei Wohnhäuser gehören,
       sondern auch ein Neubau mit Ferienwohnungen, macht die Berechnung des
       Verkehrswerts schwierig. „Wir haben uns trotz Unsicherheiten für diesen Weg
       entschieden“, sagt Florian Schmidt, Baustadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg
       (Grüne). „Einerseits um weitere Verhandlungen zu ermöglichen, andererseits
       um deutlich zu machen, dass wir derart spekulativem Umgang mit Wohnraum
       einen Riegel vorschieben.“
       
       Ist der bisherige Eigentümer denn gezwungen, jetzt auch wirklich zum
       Verkehrswert zu verkaufen? 
       
       Nein, er kann sich auch entscheiden, den Verkauf komplett zurückzuziehen.
       Dann bleibt erst mal alles, wie es ist. Theoretisch wäre denkbar, dass der
       Verkäufer in einem neuen Anlauf einen etwas niedrigeren Kaufpreis verlangt,
       der weniger als 25 Prozent über dem Verkehrswert liegt. Dann müsste der
       Bezirk, falls er wiederum das Vorkaufsrecht ausüben will, wohl den
       Kaufpreis zahlen.
       
       Könnte der Eigentümer versuchen, die Gebäude stattdessen über einen
       sogenannten Share Deal loszuwerden, also über den Verkauf von
       Firmenanteilen statt Häusern? 
       
       „Das wäre aus unserer Sicht eine klare Umgehung des Vorkaufsrechts“, sagt
       Florian Schmidt – sollte es dazu kommen, würde der Bezirk deswegen
       rechtlich dagegen vorgehen.
       
       Der Verkauf an den Bezirk könnte also entweder durchgehen, vor Gericht
       landen oder ganz zurückgezogen werden. Gibt es noch eine Möglichkeit, was
       mit den Häusern passieren könnte? 
       
       Ja. Die Immobiliengruppe, die das Haus kaufen wollte, hat nämlich laut
       Bezirk signalisiert, dass sie eigentlich nur an dem Ferienwohnungsneubau
       Interesse hat und sich vorstellen könnte, die Wohnhäuser gleich
       weiterzuverkaufen. Auch dafür stehe die landeseigene
       Wohnungsbaugesellschaft Gewobag bereit, sagt Schmidt, die
       Preisvorstellungen seien hier „ganz vernünftig“. Möglicherweise wird also
       nachverhandelt.
       
       29 Sep 2019
       
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