# taz.de -- Uber in Kalifornien: Jagd auf die Einhornfirmen
       
       > Uber und Co drangsalieren mit ihren Geschäftsmodellen ihre Arbeitnehmer.
       > Mit einem Gesetz will Kalifornien nun das Arbeitsrecht verbessern.
       
 (IMG) Bild: Mit dem neuen Gesetz könnte es dem Uber-Konzern (noch mehr) an den Kragen gehen
       
       Das Gesetz, das der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom Mitte September
       unterzeichnete, hat einen nichtssagenden Titel: AB-5. Doch wenn „AB-5“ in
       Kalifornien konsequent angewendet wird und andere Bundesstaaten ähnliche
       Gesetze verabschieden, bedeutet es eine dramatische Verbesserung des
       Arbeitsrechts in den USA.
       
       Dort haben Unternehmen wie Uber oder Lyft die bisherigen laxen Regeln für
       ein Geschäftsmodell ausgenutzt, das nur dann funktionieren kann, wenn man
       ein weitgehend rechtloses Prekariat per App umherhetzen kann. Uber und Lyft
       sind im Grunde Taxifirmen, die ihre Fahrer nicht fest anstellen, sondern
       als „unabhängige Unternehmer“ betrachten. Je nach Marktsituation legen sie
       dabei selbst die Preise fest, die die Fahrer akzeptieren können oder eben
       nicht – im letzteren Fall sind sie dann eben leider arbeitslos.
       
       Auch für ihre Altersvorsorge und Krankenversicherung sind die Fahrer selbst
       verantwortlich. Sie fahren mit ihren eigenen Autos, und wer krank ist,
       verdient nichts. Die Kontrollmacht liegt ganz bei den Unternehmen, deren
       Algorithmus den Fahrern ihre Routen zuweist: Im Konfliktfall werden sie
       einfach „deaktiviert“ – Tech-Sprech für „gefeuert“. So entstand eine „Gig
       Economy“ für ein entrechtetes Dienstleistungsproletariat mit unsicheren und
       schlecht bezahlten sogenannten McJobs.
       
       Damit ist in Kalifornien nun Schluss. Das neue Gesetz bestimmt, dass
       Menschen, die regelmäßig und im Kerngeschäft für eine Firma tätig sind,
       fest anzustellen sind. Die erbitterten Konkurrenten Uber und Lyft haben
       schon 90 Millionen Dollar zusammengelegt, um ein Volksbegehren gegen das
       Gesetz zu starten.
       
       ## Ausbeutung und toxische Firmenkultur
       
       Denn das Gesetz kommt in einer für Uber und Lyft schwierigen Zeit. Beide
       Unternehmen haben seit Gründung nur Miese gemacht. Uber musste gerade
       wieder einen Rekordverlust bekannt geben: 5,2 Milliarden Dollar im zweiten
       Quartal dieses Jahres, so viel wie niemals zuvor. Im Juli hatte die Firma
       rund 400 Mitarbeiter entlassen. In der vergangenen Woche mussten 435
       Angestellte gehen. Die Uber-Aktie ist seit dem Börsengang im Mai um fast
       25 Prozent gesunken. Konkurrent Lyft geht es ähnlich schlecht.
       
       Daher stellt sich langsam die Frage, ob das Geschäftsmodell von Uber, Lyft
       und all den anderen Firmen, die mit ähnlichen Methoden die weltweiten
       Märkte erobern wollen, überhaupt funktioniert. Wenn diese Firmen schon dann
       nicht in der Lage sind, Geld zu verdienen, wenn sie ihre Fahrer nach
       Herzenslust ausbeuten können – , was soll dann erst passieren, wenn sie
       diese normal bezahlen müssen? Die neuen Regeln dürften Lyft und Uber allein
       in Kalifornien pro Jahr schätzungsweise 800 Millionen Dollar kosten.
       
       Dabei galt gerade Uber seit seiner Gründung als die firmengewordene
       Bestätigung, dass eine vollkommen freie Marktwirtschaft ohne staatliche
       Einmischung die besten Ergebnisse für alle liefert. In welchem Land auch
       immer die Firma ihre Dienste anbot, trat sie auf, als gälten die lokalen
       Gesetze für sie nicht. Das führte zu [1][Protesten von Taxifahrern]. Immer
       wieder machten wahllos eingestellte Chauffeure durch gesetzwidriges
       Verhalten Schlagzeilen. In Ländern wie Indonesien, Thailand, den
       Niederlanden, Spanien und Indien wurde Uber zeitweise oder dauerhaft
       verboten.
       
       Die Chefs taten alles, um Uber als Firma zu profilieren, die glaubt, dass
       für sie keine Regeln gelten. Das Unternehmen missbrauchte Kundendaten und
       plante die Einschüchterung missliebiger Journalisten und Politiker. Man
       senkte die versprochene Bezahlung seiner Fahrer nach Gutdünken und trieb
       viele von ihnen in die Insolvenz. Firmengründer Travis Kalanick, ein
       bekennender Anhänger des Marktradikalismus, installierte als Management
       eine Jungsclique, die bei Uber eine toxische Firmenkultur etablierte, zu
       der sexuelle Übergriffe und erbarmungslose Leistungsanforderungen an
       Untergebene gehörten.
       
       ## Ruf als „Einhorn-Unternehmen“
       
       Obwohl Kalanick 2017 nach Eskapaden in einer Sexbar in Seoul und zunehmend
       chaotischer Unternehmensführung [2][seinen Posten räumen musste], bleibt
       Uber ein Unternehmen ohne Einnahmen und ohne einen Plan dafür, wie es
       solche erwirtschaften will. Dass es überhaupt noch existiert, hat es
       Investoren zu verdanken, die die Firma mit Milliardenbeträgen durchfüttern
       wie geduldige Eltern ein verzogenes Kind, das nicht aufhören kann, Mist zu
       bauen.
       
       Denn lange galt Uber als ein „Einhorn-Unternehmen“ mit so todsicherem
       Geschäftsmodell, dass man mit ihm Wahnsinnssummen verdienen würde, wenn
       erst alle Konkurrenten vom Markt verdrängt wären. Doch zunehmend erscheint
       Uber nicht als Beweis für das Funktionieren der freien Marktwirtschaft,
       sondern als das größte Milliardengrab in der internationalen
       Wirtschaftsgeschichte.
       
       Ähnlich funktionieren übrigens viele der Unternehmen, die derzeit
       unangenehm auffallen: Seien es die Leihfahrräder und die
       [3][Elektroroller], die weltweit die Großstädte vermüllen, seien es die
       Plattformen für die Vermittlung von Putzkräften und Handwerkern, die
       Lieferung von Lebensmitteln oder gereinigter Wäsche, die Hungerlöhne zahlen
       und Bürgersteige und Radwege zuparken – in der Regel werden diese Dienste
       von Risikokapitalisten mit tiefen Taschen subventioniert, obwohl nicht nur
       ihr gesellschaftlicher Nutzen zweifelhaft ist, sondern auch ihre
       ökonomischen Erfolgschancen.
       
       Dass diese Hasardeure von selbst zur Vernunft kommen – darauf kann man im
       Zeitalter des entfesselten Neoliberalismus und der grenzenlosen Gier wohl
       lange warten. Stattdessen ist beherztes Durchgreifen des Staates nötig, um
       dafür zu sorgen, dass zweifelhafte Internet-Geschäftsmodelle nicht auf
       Kosten realer Arbeitnehmer ausprobiert werden.
       
       Das AB-5-Gesetz aus Kalifornien ist ein Beispiel dafür, dass das möglich
       ist – interessanterweise kommt es aus genau dem US-Bundesstaat, in dem
       solche Geschäftsideen seit Jahrzehnten ausgebrütet und finanziert werden.
       
       24 Sep 2019
       
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