# taz.de -- Wegen Erdoğan-Beleidigung: Grünen-Politiker angeklagt
       
       > Der Ex-Bundestagsabgeordnete Memet Kılıç hat Erdoğan einen
       > „Vaterlandsverräter“ genannt. Die türkische Justiz will ihn zur
       > Verantwortung ziehen.
       
 (IMG) Bild: Glaubt, die türkische Regierung wolle ihn mundtot machen: Memet Kılıç
       
       Berlin taz | Erstmals ist ein aktiver deutscher Politiker in der Türkei
       wegen Beleidigung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan angeklagt worden. Der
       Grünen-Politiker Memet Kılıç, ehemals [1][Bundestagsabgeordneter] aus
       Baden-Württemberg und heute auf Landesebene aktiv, wird von der
       Oberstaatsanwaltschaft in Ankara der Präsidentenbeleidigung beschuldigt. Er
       hatte Erdoğan in einem Zeitungsinterview vorgeworfen, der Türkei Schaden
       zuzufügen, und ihn als „Volksverräter“ bezeichnet.
       
       Kılıç hat die deutsche und türkische Staatsbürgerschaft, lebt [2][als
       Anwalt] in Heidelberg und hält sich nicht in der Türkei auf. Der
       Nachrichtenagentur dpa sagte er, er reise wegen Drohungen gegen ihn schon
       seit drei Jahren nicht mehr in die Türkei. Das Regime versuche ihn mundtot
       zu machen, glaubt Kılıç. Die Anklage sieht er als neue Eskalationsstufe.
       „Mir ist nicht bekannt, dass schon einmal ein deutscher Politiker in der
       Türkei angeklagt wurde.“
       
       Kılıç hat von der Anklage erfahren, weil sie an einen Neffen von ihm in der
       Türkei zugestellt wurde. Das Gerichtsverfahren soll im Dezember beginnen,
       er denkt nach eigenen Angaben noch darüber nach, ob er zu diesem Anlass in
       die Türkei fahren will.
       
       Verfahren wegen Beleidigung des Präsidenten, die mit knapp fünf Jahren Haft
       geahndet werden können, werden in der Türkei immer häufiger genutzt, um
       Oppositionelle mundtot zu machen, einzuschüchtern und letztlich auch ins
       Gefängnis zu bringen. Ein besonders spektakulärer Fall fand am vergangenen
       Freitag statt, als die Istanbuler Vorsitzende der größten Oppositionspartei
       CHP, Canan Kaftancıoğlu, unter anderem wegen Beleidigung des Präsidenten
       [3][zu knapp neun Jahren und acht Monaten Haft verurteilt wurde].
       
       Der Vorsitzende der CHP, Kemal Kılıçdaroğlu, ist schon so oft wegen
       Präsidentenbeleidigung angeklagt worden, dass Parlamentskollegen bereits
       für ihn gesammelt haben, damit er die Strafen bezahlen kann, wenn er nach
       seiner Zeit im Parlament seine Immunität verliert.
       
       ## Tochter von Sängerin Hozan Canê verhaftet
       
       Aber auch andere deutsche Staatsbürger sind betroffen. Im April wurde ein
       Deutscher aus Braunschweig wegen des Beleidigungsvorwurfes zu zehn Monaten
       Haft auf Bewährung verurteilt. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die in
       Köln lebende kurdische Sängerin Hozan Canê, die bereits wegen angeblicher
       „Terrorpropaganda“ zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt ist, nun
       auch noch wegen Präsidentenbeleidigung angeklagt werden soll. Darüber
       hinaus ist auch ihre Tochter verhaftet worden, die trotz Ausreisesperre die
       Türkei verlassen wollte und dabei festgenommen wurde.
       
       Ebenfalls wegen Präsidentenbeleidigung steht derzeit ein Mitarbeiter der
       deutschen Friedrich-Naumann-Stiftung in Istanbul vor Gericht. Er soll
       Erdoğan in einem Tweet einen „Dieb“ genannt haben. Das Auswärtige Amt warnt
       Türkei-Urlauber seit langem, mit Äußerungen im Internet vorsichtig zu sein,
       da die Gefahr bestehe, dafür in der Türkei festgenommen zu werden.
       
       10 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://web.archive.org/web/20130522062621/http://www.bundestag.de/bundestag/abgeordnete17/biografien/K/kilic_memet.html
 (DIR) [2] https://memet-kilic.de/startseite/lebenslauf/
 (DIR) [3] /Opposition-in-der-Tuerkei/!5623987
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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