# taz.de -- Rainer Schäfer Radikale Weine: Lieber mal langsam machen
       
       Das Leben um ihn herum werde immer hektischer und schneller, sagt Stefan
       Sander. Deswegen pflege er bei seinen Réserve-Weinen einen
       „Slow-Motion-Stil“: „Ich gebe ihnen genau die Zeit, die sie brauchen, um
       sich zu entfalten.“
       
       Der Winzer aus Mettenheim in Rheinhessen hat festgestellt, dass viele Weine
       zu schnell altern und schon frühzeitig Reifetöne zeigen. Das liege auch an
       der Ungeduld der Weintrinker. „Schon im Februar wird nach dem neuen
       Jahrgang gefragt“, sagt Sander, und diese Tendenz breite sich leider aus,
       auch in traditionellen Weinländern wie Frankreich. Stefan Sander erinnert
       sich, dass sein Großvater Otto Heinrich und sein Vater Gerhard „viel
       langlebigere Weine erzeugt haben“.
       
       Ein Marienkäfer ist das Symbol der Sanders, er steht für den respektvollen
       Umgang mit der Natur. Die Familie zählt zu den ersten Ökowinzern in
       Deutschland. Schon Mitte der 1950er fingen die Sanders an, ökologischen
       Weinbau zu betreiben, nach und nach stellten sie auf Biodynamie um. Seitdem
       werden auch Mond- und Sonnenphasen berücksichtigt. Galten sie anfangs noch
       als grüne Spinner, kamen nach und nach immer mehr andere Winzer „zum Gucken
       vorbei“, wie sich Stefan Sander erinnert, der das Weingut vor gut zehn
       Jahren übernahm.
       
       Der heute 48-Jährige baute 2015 seinen ersten Réserve – also einen
       besonders lang gelagerten – Wein aus, einen Pinot Noir. Zwei Jahre später
       folgten ein Riesling und ein Chardonnay, zu dem er ein besonderes
       Verhältnis entwickelte. „Er ist mein Baby“, sagt Sander. Die Reben stehen
       im Schlossberg, einem abgelegenen Winkel, wo die Hälfte der Trauben von
       Rehen gefressen werden. Schon am Morgen scheint dort die Sonne und trocknet
       die Trauben, „die ewig gesund bleiben“. Im Schlossberg liegen auch
       Kalksteine, die für Mineralität im Wein sorgen.
       
       Seine Réserve-Weine keltert Sander „bewusst altmodisch, durch einen
       entschleunigten Ausbau“: Die Maische lässt er mehrere Tage stehen, dann
       vergärt er sie mit natürlichen Hefen in einem 1.000-Liter-Holzfass, dem
       Tonneau. Sander belässt einen Anteil ganzer Beeren im Fass, dadurch lösen
       sich zusätzliche Gerbstoffe und Phenole, was die Weine haltbarer macht.
       Nach der Gärung verbleibt der Wein noch auf der Feinhefe im Fass,
       frühestens nach anderthalb Jahren kommt er in den Verkauf.
       
       Der Chardonnay Réserve aus dem Jahr 2017 zeigt in der Nase Kräuter, Birne
       und Rauch, am Gaumen in einer kräftigen Textur Fülle, ein feines Säurespiel
       und mineralische Grundierung. Es ist ein Wein mit enormer innerer Balance.
       Schon jetzt bereitet er Genuss, aber er hat das Potenzial für weitere zehn
       Jahre Reife.
       
       14 Sep 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rainer Schäfer
       
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