# taz.de -- Berlinale-Film „Hinter feindlichen Linien“: Der Krimi zum Brexit
       
       > 3sat zeigt einen fünf Jahre alten Film, der nicht aktueller sein könnte.
       > Als mörderischen Thriller getarnt erzählt er den Kriegszustand
       > Nordirlands.
       
 (IMG) Bild: 1971 sind die Straßen der nordirischen Metropole Belfast Tag und Nacht ein Schauplatz von Gewalt
       
       Es ist schon einigermaßen bizarr, wenn sich nächtliche 3sat-Kinofilme auf
       einmal als politische Kommentare aufs aktuelle Weltgeschehen verstehen
       lassen. Was für ein Film also zum Abschluss [1][einer Woche, die für
       Großbritannien und Irland so entscheidend war].
       
       Es handelt sich um den [2][fünf Jahre alten Berlinale-Film] „71: Hinter
       feindlichen Linien“. Und der zeigt ausgerechnet jene Geschichte, die den
       brutalen Kriegszustand in [3][Nordirland] so eindrücklich vorführt, dass
       man eigentlich nur erst recht sagen kann: Sorry, Leute, aber wer’s bis
       jetzt nicht kapiert haben sollte, ein Brexit ohne „Backstop“-Regelung ist
       geschichtsvergessener Riesenquatsch.
       
       Kurze Rekapitulation: Ohne diesen „Backstop“ besteht die Gefahr, dass es
       nach dem Brexit erstmals wieder eine echte, harte, reale Grenze zwischen
       Irland und Nordirland geben könnte. Und dass damit der alltägliche Terror
       auf der Insel wieder anfängt, wofür es zuletzt schon Anzeichen gab. Ach so,
       jetzt aber endlich mehr zum Film, ich bitte um Verzeihung.
       
       Dass das Langdebüt von Regisseur Yann Demange der richtige Film zur
       richtigen Zeit ist, liegt daran, dass er uns über den Protagonisten Gary
       Hook (Jack O’Connell) mitten ins unübersichtliche, verängstigende,
       rauchschwaden-wabernde Chaos auf den Straßen Belfasts zerrt. Hook ist
       englischer Soldat, ein junger Kerl, der keine Ahnung hat, was er da
       eigentlich tut – kurzfristig abkommandiert mit seiner Truppe in den
       Straßenkrieg gegen die IRA. Als er und ein Kollege vom Rest getrennt werden
       und der Kumpan ermordet wird, sind dessen Mörder auch hinter ihm her – und
       Hook flieht, taucht unter, versucht, sich durchzuschlagen, um zurück zu
       seinen Leuten zu kommen.
       
       Durch Wohnungen, Hinterhöfe, Schuppen, bis sich die Grenzen zwischen jenen,
       denen er in diesem politischen Konflikt trauen kann und misstrauen muss
       komplett auflösen – und von O’Connell so gespielt, dass noch das kleinste
       Zucken im Gesicht alles erzählt. Den irisch-irischen Alltagskriegterror als
       mörderischen Thriller zu erzählen, statt den historischen Makrokosmos
       aufzurollen, ist ein gelungener Kniff, um den Horror jener Zeit greifbar zu
       machen.
       
       Hook dürfe nicht dem trauen, was er sehe, sagt ihm sein Vorgesetzter
       einmal. Wäre ja mal super, wenn wir unseren Augen nicht trauen müssten,
       wenn Boris Johnson wieder mal mit einem neuen Plan um die Ecke kommt.
       
       8 Sep 2019
       
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