# taz.de -- Delmenhorst gegen Werder: Freude übers Gegentor
       
       > Werder Bremen besiegt den fünftklassigen Underdog Atlas Delmenhorst 6:1
       > im DFB-Pokal und ist dabei Gast im eigenen Stadion
       
 (IMG) Bild: Wollen an die besseren Zeiten anknüpfen: die Atlas-Spieler nach dem Treffer gegen Werder Bremen
       
       Bremen taz | Mehrfach hatte Werder Bremens Trainer [1][Florian Kohfeldt]
       die Konterabsicherung zum wichtigsten Thema der Saisonvorbereitung erklärt,
       also das Verhindern von Toren durch schnelle Gegenstöße.
       
       Und dann das: Nach einem Werder-Angriff wird Atlas-Rechtsverteidiger Oliver
       Rauh in der 30. Minute mit einem simplen Doppelpass an der Mittellinie
       freigespielt, läuft ungehindert Richtung Strafraum, passt zu Tom Schmidt,
       der den Ball aus 17 Metern ins kurze Eck schießt und 41.000 Zuschauer
       jubeln lässt.
       
       „Es war ein unbeschreibliches Gefühl“, sagte der Torschütze später. Und
       Kohfeldt, der sich so herrlich über Fehler seiner Mannschaft aufregen kann?
       Sagt nach dem Spiel: „Irgendwie freut mich das auch für Atlas.“
       
       Wenn zwei Klubs aufeinandertreffen, deren Stadien nur 16,6 PKW-Kilometer
       voneinander entfernt liegen, spricht man gemeinhin von einem Derby. „Von
       Rivalität oder einem Derby kann man nicht sprechen, da beide Vereine in
       ihrer langen Geschichte noch nie ein Pflichtspiel gegeneinander bestritten
       haben“, sagte Delmenhorsts sportlicher Leiter Bastian Fuhrken über dieses
       Spiel. „Bestimmt 80 Prozent der Personen, die eine Verbindung zum SV Atlas
       Delmenhorst haben, gehen auch zu den Heimspielen von Werder.“
       
       ## Schon mal für Werder gekickt
       
       Im Atlas-Kader standen am Samstag acht Spieler, die in den
       Juniorenmannschaften von Werder kickten. Umgekehrt war der in Delmenhorst
       geborene Werder-Trainer Florian Kohfeldt in seiner Jugend Torhüter beim
       Lokalrivalen TV Jahn Delmenhorst – wo er zeitweise auch mit Bastian Fuhrken
       zusammenspielte.
       
       Schon die Auslosung hatte in der einst blühenden Wolle-Stadt, deren Image
       in den letzten Jahren hauptsächlich durch Schrottimmobilien und
       Krankenhaus-Morde geprägt war, Euphorie ausgelöst. Am Samstag machten sich
       dann über 10.000 Delmenhorster auf den Weg über die Weser.
       
       ## Atlas offizieller Gastgeber
       
       Der Verlegung des Spiels aus dem ungeeigneten eigenen Stadion ins
       Weserstadion hatte der DFB nur zugestimmt, weil Atlas diese Arena schon
       vorher als mögliche Ausweichspielstätte angegeben hatte und für dieses
       Spiel von der Bremer Weser-Stadion GmbH anmietete. Offiziell war damit
       Atlas Gastgeber und begrüßte durch seinen Präsidenten Manfred Engelbart das
       Publikum.
       
       „Ich könnte jetzt heulen, und ich glaube, ich tue das auch“, sagte er am
       Ende seiner emotionalen Rede und drückte die Bedeutung aus, die dieses
       Ereignis für jeden einzelnen Beteiligten, aber auch für die gebeutelte
       Stadt insgesamt hatte.
       
       Kann man beim Aufeinandertreffen eines Bundes- und eines Oberligisten schon
       im Normalfall nicht von Augenhöhe sprechen, grenzte dieses hier fast an ein
       kleines Fußballwunder. Atlas Delmenhorst hatte es zwar in den
       1970/1980er-Jahren schon mal in die damals drittklassige Oberliga-Nord
       geschafft, musste aber 2002 Insolvenz anmelden und existierte jahrelang nur
       noch in der Erinnerung seiner ehemaligen Anhänger.
       
       ## Wollten das nicht hinnehmen
       
       Bis eine Gruppe von jungen Leuten um Fuhrken das nicht mehr hinnehmen
       wollte. „Mit Anfang, Mitte 20 haben wir gedacht: Es kann nicht sein, dass
       in Delmenhorst kein Leistungsfußball gespielt wird und die jungen Talente
       nach Oldenburg und Bremen gehen“, sagt Fuhrken.
       
       „Mit der Neugründung wollten wir an die Historie von Atlas anknüpfen, von
       der viele Menschen in Delmenhorst immer noch erzählen. Dass wir es
       innerhalb von sieben Jahren aus der Kreisklasse zu einem Pflichtspiel gegen
       Werder Bremen ins Weser-Stadion schaffen – damit hat keiner gerechnet.“
       
       Dass es dann sogar noch zum Ehrentreffer reichte, ist dem Verein 2.500 Euro
       für die Mannschaftskasse wert, verriet Kapitän Nick Köster nach der
       gemeinsamen Stadionrunde mit den Werder-Spielern. Mindestens genauso freute
       er sich darüber, dass sein ehemaliger Jugendtrainer Florian Kohfeldt ihn
       nach dem Spiel um sein Trikot gebeten habe.
       
       ## Nicht ganz so harmlos ging es weiter
       
       Nicht ganz so harmonisch ging es in der Nacht weiter: Laut Polizei ist ein
       Fan in der Nacht zum Sonntag auf ein Autodach geklettert und soll einem
       Beamten, der die Fangruppe begleitete, gegen den Kopf getreten haben. Als
       sie den Mann festnehmen wollten, seien die Beamten mit Steinen beworfen und
       mit Stangen attackiert worden. Die Polizei hat eine Ermittlungsgruppe
       eingerichtet.
       
       Ach ja: Werder gewann 6:1, die Tore schossen Yuya Oskao, Niklas Moisander,
       Milot Rashica, Davy Claassen und Claudio Pizarro (2). Und für die
       Konterabsicherung stellte der Klub am Sonntag den Innenverteidiger Ömer
       Toprak vor, der von Borussia Dortmund ausgeliehen wird.
       
       11 Aug 2019
       
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