# taz.de -- Die Wahrheit: Milchtanker mit Herz
       
       > Neues aus Neuseeland: Wie die von Klimaschützern angegriffene
       > Milchwirtschaft Aotearoas einen PR-Coup landete.
       
       Als Mitte März die Nazischüsse in Christchurchs Moscheen fielen,
       demonstrierten nur zwei Kilometer weiter Schüler erstmals gegen die
       Klimakatastrophe. Der Friday for Future ging im schwarzen Terrorfreitag
       unter. Aber nicht für immer. Zwei Monate später waren die jungen Erdretter
       zurück, und Extinction Rebellion kickte voll in Action.
       
       Für Aotearoa sind die Klimarebellen nicht nur eine politische Provokation,
       sondern eine wirtschaftliche: Kühe, deren Methanrülpser die Atmosphäre
       versauen, sind neben dem Tourismus die Haupteinnahmequelle der Inseln. Also
       heilig. Von Kiwis zu fordern, dass sie der Umwelt zuliebe keine Milch
       trinken sollen, käme ungefähr der Abschaffung von Autobahnen in Deutschland
       gleich.
       
       Die Kooperative Fonterra von über 10.000 Milchbauern, als größter
       neuseeländischer Multi verantwortlich für dreißig Prozent des weltweiten
       Milchexports, ist für hiesige Ökos eine ähnliche Bedrohung wie
       Atomkraftwerke für grüne Europäer. Um ihr ramponiertes Image aufzubessern,
       hat die Laktose-Zapfstelle eine anrührende Geschichte unters Volk gebracht,
       bei der selbst Greta Thunberg die Tränen kommen.
       
       Andy Oliver ist 35 Jahre alt, aber wirkt wie ein Sechsjähriger. Er ist
       einer von acht Menschen auf der ganzen Welt mit der Chromosomenkrankheit
       Fryns-Aftimos-Syndrom. Andy lebt mit seinen Eltern auf einer Farm nahe
       Hamilton. Seit fünfzehn Jahren dreht sich sein Leben um den Milchtanker,
       der jeden Abend auf dem Hof einfährt. Vorher malt er immer ein Bild für den
       Fahrer, jeden Tag. Und erst wenn der Tanker da war, kann er einschlafen.
       
       Manchmal war das mitten in der Nacht oder um zwei Uhr morgens. Für Andys
       Eltern, die um fünf Uhr früh den Tag beginnen, war es nicht mehr
       auszuhalten. Die Mutter hatte einen Schlaganfall. Der Vater rief vor zehn
       Jahren bei Fonterra an: „Ich muss schlafen, und das geht nur, wenn der
       Junge im Bett ist.“ Fonterra versprach zu helfen. Seitdem änderte der
       Tanker seine Route und ist jeden Abend vor acht Uhr da. Dann radelt Andy
       ihm auf einem Riesendreirad entgegen und übergibt sein handgemaltes Bild.
       
       Kevin, der Lasterfahrer, sagt: „Es ist eine besondere Beziehung.“ Da Andy
       auch noch an Epilepsie leidet, haben die Tankerfahrer sogar eigens eine
       Schulung gemacht, um ihm zu helfen, falls er einen Krampfanfall hat. Sie
       haben Andy außerdem mit einer Fonterra-Uniform in Leuchtfarben ausgestattet
       und ihm einen Modelllaster für seine Sammlung geschenkt.
       
       Da selbst Veganerherzen aufgehen, wenn sie das lesen, kommt hier leider
       eine andere Geschichte zu kurz: Hell’s Pizza hat Ende Juni 3.000 Kunden
       gefoppt und seine „Burger-Pizza“ heimlich mit Kunstfleisch bestückt – um zu
       beweisen, dass das so gut schmeckt wie echtes Rind. Der Umerziehungsversuch
       kam nicht bei allen gut an: Das Erbsenprotein im Fake-Burger kann Allergien
       auslösen. Da wäre man doch gern gewarnt. Kein PR-Sieg wie bei der Milch.
       
       8 Aug 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anke Richter
       
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