# taz.de -- Demokratin Elizabeth Warren und Trump: Nuancen gegen Großmaul
       
       > In ihrem früheren Leben war Elizabeth Warren Republikanerin. Nun will sie
       > für die Demokraten 2020 gegen Trump antreten.
       
 (IMG) Bild: Elizabeth Warren nennt sich selbst eine „Kapitalistin bis in die Knochen“
       
       New York taz | Treffpunkt: das „Furchtlose Mädchen“. Die kleine Bronzefigur
       mit den in die Hüften gestemmten Fäusten steht allein auf den
       Pflastersteinen der Wall Street, von wo aus sie der mächtigsten Börse der
       Welt trotzt. Um sie herum haben sich UnterstützerInnen von Elizabeth Warren
       versammelt. 16 Monate vor den nächsten Präsidentschaftswahlen beginnen sie
       ihre Kampagne auf den Straßen von New York mit einem symbolischen Besuch
       bei den sechs Denkmälern für Frauen in Manhattan.
       
       „Warren ist besser vorbereitet als alle anderen und sie lässt sich von
       niemandem einschüchtern“, sagt Theaterproduzentin Diane Wondisford, die zu
       ihren Lebzeiten unbedingt eine Frau im Weißen Haus sehen möchte. „Sie weiß,
       wie man Koalitionen baut“, meint Pädagogin und Psychologin Arun Gustavus.
       „Sie ist eine Kämpferin, die Bankenchefs zur Verantwortung zieht“, findet
       die 26-jährige Studentin Monica Hunter-Hart, die in Massachusetts
       aufgewachsen ist, „wo wir die Senatorin lieben“.
       
       Bei den letzten Präsidentschaftswahlen war noch kaum jemand aus der Gruppe
       politisch aktiv. Damals gaben fast alle ihre Stimme Hillary Clinton. Manche
       taten es ohne Enthusiasmus, aber sie waren überzeugt, dass sie gewinnen
       würde. Dann kam der Schock der Wahlnacht. Übersetzerin Sze Chan, die bis
       dahin zwar jedes Mal gewählt hatte, aber nie selbst politisch aktiv gewesen
       war, verstand damals, „dass Politik kein Zuschauersport ist“. Und Lehrer
       Joe Blakely wurde mit Donald Trumps Wahl schlagartig klar: „Meine Stimme
       allein reicht nicht aus.“
       
       Der 20-jährige Student Skylar Moore war im November 2016 noch vier Tage zu
       jung zum Wählen. In seinem heimatlichen Kohlestaat West Virginia musste er
       zusehen, wie Trump fast zwei Drittel der Stimmen absahnte, darunter die von
       seinem Vater und von vielen KlassenkameradInnen, die ihn nach seinem
       Coming-out geschnitten hatten. Moore fürchtet, dass es 2020 wieder
       passieren könnte. Auch deswegen engagiert er sich mit ganzer Kraft in der
       Warren-Kampagne: „Wir müssen jede Wahl behandeln, als wäre es unsere
       letzte.“
       
       ## „Dream Big, Fight Hard“
       
       Die Kandidatin selbst ist an diesem heißen Samstag im Juli nicht in New
       York dabei. Sie macht Wahlkampf im Mittleren Westen. An ihrer statt zieht
       Übersetzerin Chan an jedem Stopp ein lebensgroßes Warren-Foto aus einer
       Plastiktüte, klappt es auseinander und platziert es für den Fototermin
       neben die jeweiligen Denkmäler: neben das fearless girl, das seit 2017 an
       der Wall Street steht, um für Unternehmen mit weiblichen Führungskräften zu
       werben; neben die Schriftstellerin Gertrude Stein; die in den USA geborene
       israelische Ministerpräsidentin Golda Meir; die First Lady Eleanor
       Roosevelt; die französische Nationalheldin Joan of Arc sowie die schwarze
       Fluchthelferin Harriet Tubman, die mehr als 70 SklavInnen befreit hat.
       
       Jedes Mal stellen sich die Warren-UnterstützerInnen, deren Zahl an diesem
       Tag zwischen einem und zwei Dutzend variiert, zwischen Denkmal und
       Warren-Foto auf und rufen einen Slogan, den die Kandidatin bei ihren
       Auftritten benutzt: „Dream Big, Fight Hard“: „Träume groß, Kämpfe hart“. An
       der Wall Street klingt das noch zaghaft. Aber mit jedem Stopp wird der Ruf
       entschlossener. Als sie sechs Stunden später bei Tubman ankommen, die auf
       einer Verkehrsinsel in Harlem steht, kommt der Slogan laut und
       selbstbewusst.
       
       Manchen von Warrens New Yorker UnterstützerInnen ist die Kandidatin schon
       aufgefallen, als sie noch als Jura-Professorin in Harvard arbeitete. 2005
       kam die Expertin für Konkursrecht zu einem Hearing des Senats nach
       Washington, bei dem sie dafür plädierte, KreditkartenbenutzerInnen per
       Gesetz vor Bankenmissbrauch zu schützen. Das Vorhaben scheiterte unter
       anderem an Joe Biden, der den winzigen Bundesstaat Delaware, ein Paradies
       für Kreditkartenbetreiber, im Senat vertrat.
       
       ## Erste Frau im Senat von Massachusetts
       
       Zwei Jahre später, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, legte sich
       Professorin Warren erneut mit der Wall Street an. Sie schlug eine Behörde
       für den finanziellen Verbraucherschutz vor, um die Banken zu überwachen.
       Als Präsident Barack Obama die Behörde ein paar Jahre später tatsächlich
       schuf, war der Widerstand der Republikaner so groß, dass er es nicht wagte,
       die Initiatorin zur Chefin zu machen. Zu dem Zeitpunkt hatte Professorin
       Warren Geschmack an der Politik gefunden. 2012, da war Warren 63, ließ sie
       sich als erste Frau aus dem Bundesstaat Massachusetts in den US-Senat
       wählen. Seither hat sie dort viele das Fürchten gelehrt.
       
       Legendär ist ihr Kommentar zu dem damaligen Chef von Wells Fargo, Timothy
       Sloan, dessen Bank ihre Kunden mit betrügerischen Praktiken zu Konten und
       Kreditkarten genötigt hatte. „Im besten Fall sind sie inkompetent“, sagte
       Senatorin Warren ihm 2017 bei einem Hearing und läutete damit sein
       Karriereende ein: „im schlimmsten Fall mitschuldig. Auf jeden Fall aber
       gehören Sie gefeuert“.
       
       Die Mischung aus sorgfältig vorbereiteten Fragen und messerscharfen
       Attacken, die Warren mit besonnener und ruhiger Stimme vorträgt, imponiert.
       Als „eine Sachverständige mit Herz“ beschreibt sie Gustavus, die den New
       Yorker Aktionstag Women for Warren in New York vorbereitet hat. Die
       Studentin Hunter Hart folgert daraus, dass Warren entschlossener gegenüber
       den Verantwortlichen der Finanzkrise sein wird, als Obama es war.
       
       Aber die Fans von Bernie Sanders sehen das anders. Sie werfen Warren vor,
       dass sie mit ihrer Kandidatur die Stimmen der Parteilinken spaltet. Und
       viele nehmen ihr bis heute übel, dass sie sich beim letzten Mal nicht
       hinter Sanders gestellt hat. Stattdessen schwieg Warren so lange, bis
       Clinton die Parteinominierung in der Tasche hatte, und unterstützte sie
       dann so entschieden, dass manche den Eindruck hatten, sie wollte
       Vizepräsidentin unter Clinton werden.
       
       In den Umfragen sind Warren und Sanders gegenwärtig auf Gleichstand – sie
       mit steigender, er mit sinkender Tendenz. Zusammen haben sie fast 40
       Prozent der demokratischen Basis hinter sich. Damit bekommen die beiden
       Linken zusammen sehr viel mehr Stimmen als der zentristische
       Ex-Vizepräsident Joe Biden. Dessen Popularität ist bereits auf 25 Prozent
       geschrumpft.
       
       ## Tech-Konzerne zerlegen, neue Arbeitsplätze schaffen
       
       Viele Pläne von Warren und Sanders ähneln sich zum Verwechseln. So prangern
       sie die wachsenden ökonomischen Ungleichheiten in den USA an, wollen die
       Steuern für Spitzenverdiener anheben und die unteren Löhne verbessern, die
       Studiengebühren an öffentlichen Universitäten abschaffen und die
       Studienverschuldungen, die auf Millionen von Haushalten lasten, tilgen.
       Beide verzichten auch auf die Spenden aus der Wall Street und auf die
       „Fundraiser“, bei denen zahlende Gäste unter Ausschluss von Öffentlichkeit
       und Medien hinter verschlossenen Türen mit den KandidatInnen diskutieren,
       deren Wahlkämpfe sie finanzieren.
       
       Aber Ideologie, Stil und Basis trennen Warren und Sanders. „Ihre Wurzeln
       sind ganz unterschiedlich“, sagt Gustavus. Sanders ist sich seit 50 Jahren
       treu geblieben. Er stand schon in den 60er-Jahren auf den Barrikaden gegen
       Vietnamkrieg und Rassentrennung, nennt sich einen demokratischen
       Sozialisten und spricht von „Revolution“. Warren hingegen war in der ersten
       Hälfte ihres Lebens eine eingetragene Republikanerin und wechselte erst
       1996 zur Demokratischen Partei über.
       
       Sie beschreibt sich als „Kapitalistin bis auf die Knochen“, die den Markt
       mit Regeln bändigen will. Dazu gehört, dass sie Tech-Konzerne wie Amazon in
       Einzelteile zerlegen will, wenn sie zu groß werden, und dass sie einen
       Klimaplan vorgelegt hat, der 1,2 Millionen Arbeitsplätze schaffen soll.
       
       ## Kurvenreiche Biografie
       
       Die Pläne – und ihre kurvenreichen Biografie – machen Warren zu einer
       Identifikationsfigur für viele. Sie stammt aus dem konservativen Südstaat
       Oklahoma, hat jung geheiratet, zwei Kinder bekommen, war Lehrerin, ließ
       sich scheiden, heiratete zum zweiten Mal, studierte Jura und begann eine
       akademische Karriere, die sie bis an die Eliteuniversität Harvard führte.
       In der Politik kann der Quereinsteigerin niemand vorwerfen, dass sie
       politische Fehlentscheidungen von Jahrzehnten mitzuverantworten hat.
       
       „Bernie ist grob und aggressiv“, sagt die Buchhalterin Kristin Ralph, die
       an diesem Tag ein T-Shirt mit der Aufschrift trägt: „Warren hat einen Plan
       dafür“. Auch Ralph ist erst durch den Schock von Trump zum Aktivismus
       gekommen: „Er zerstört seit 30 Monaten den Fortschritt.“ Andere
       Warren-UnterstützerInnenhaben mehr Sympathie für Sanders und manche haben
       ihn 2016 sogar unterstützt.
       
       Aber sie halten es für ausgeschlossen, dass die Demokratische Partei einem
       Außenseiter und demokratischen Sozialisten die Nominierung gibt. Sanders
       hat die jüngsten Fans, darunter viele junge und radikale Linke. Warrens
       UnterstützerInnen sind älter, etablierter und haben höhere Einkommen. Von
       ihrer Kandidatin wünschen sie sich, dass sie kompromissfähig ist.
       
       Sollte Warrens Aufwärtstrend anhalten und sie im Sommer 2020 für die Partei
       nominiert werden, muss sie anschließend ganz allein Trump trotzen. Es würde
       einen Zusammenstoß von zwei Welten geben: Mann gegen Frau. Geld gegen
       Wissen. Großmaul gegen Nuancen. Im Weißen Haus warnen Berater schon jetzt,
       dass die Frau mit den Plänen eine gefährliche Gegnerin ist. Weil sie etwas
       von Wirtschaft versteht.
       
       26 Jul 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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