# taz.de -- WM-Kolumne Gilet jaune: Fußball auf Briefmarkengröße
       
       > Wo man nicht überall auf Experten trifft – und warum am Ende der
       > Afrika-Cup wichtiger sein kann. Fußball in einem tunesischen Bistro in
       > Lyon.
       
 (IMG) Bild: Wo man nicht überall landet beim Fußballschauen in Frankreich
       
       Ich sitze vor einem Fernseher neben einem an die Wand gemalten Hamburger,
       und der Hamburger ist etwa sechs Mal so groß wie der Bildschirm. Ich sollte
       also vielleicht sagen: Ich sitze vor einem gigantischen Hamburger und da
       ist auch ein Fernseher. Ich gucke das deutsche Aus in einem tunesischen
       Bistro in Lyon.
       
       Das hat Gründe. Mein Gastgeber ist unterwegs, und ich habe das
       WLAN-Passwort nicht. Die Box ist in einem verschlossenen Glasschrank, und
       nach einigen Versuchen, es verrenkt auf dem Boden liegend abzulesen,
       beschließe ich, draußen gucken zu gehen. Die Gegend ist, man würde sagen,
       sozial schwach, aber ich erinnere mich an dieses Bistro. Ob da wohl
       Frauenfußball läuft?
       
       Zwei ältere arabischstämmige Männer sind da, der dürre Inhaber und ein
       befreundeter Gast. Sie helfen sofort. Bloß schafft der Inhaber es nicht,
       das Programm umzuschalten. Die Fernbedienung will nicht. „Die Hitze“,
       murmelt der Gast. „Die Hitze“, stimmt der Inhaber zu. Er wechselt
       umständlich die Batterien. Dann geht gar nichts mehr. Er wechselt den
       Bildschirm, jetzt ist der Bildausschnitt nur auf Briefgröße. Aber er gibt
       nicht auf, nach etwa einer Viertelstunde geht es.
       
       Der Gast setzt sich zu mir und kommentiert leidenschaftlich für
       Deutschland, auf Französisch mit starkem ausländischem Akzent, ich verstehe
       nur die Hälfte. „Gib ab, schneller jetzt, außen, allez!“ Das 1:0 fällt,
       „Lina Magull“, sagt er, „die ist sehr gut, wo spielt sie noch?“ Allmählich
       fange ich an, mich zu wundern. Irgendwann sagt er ungefragt: „Meine Tochter
       spielt übrigens Fußball.“ Wo denn?, frage ich. „Sie hat in Lyon gespielt,
       jetzt spielt sie in Montpellier.“
       
       Ich bin einigermaßen platt. Ist sie Profi? „Nein, nein“, sagt er, „sie kann
       davon nicht leben.“ Er hebt dann zu einer Erklärung über die neue Profiliga
       in England an, wie toll das sei. Und er schimpft, dass die Deutschen kaum
       zur WM reisen. „Warum unterstützen sie ihre Frauen nicht?“
       
       Ich bin aufs Neue überrascht, werde mir meiner Vorurteile bewusst, nichts
       davon hätte ich hier erwartet. Zur Halbzeit haut mein Kommentator mit einem
       Freund ab. Ich bleibe zurück mit dem netten Inhaber. Der versteht nicht
       viel von Frauenfußball, tröstet aber sehr engagiert („Noch 25 Minuten, da
       ist noch alles drin“), schenkt mir eine Fanta und schleppt noch einen
       Ventilator an. Der tut es aber auch nicht. Macht nichts, sage ich,
       Hauptsache, der Fernseher geht. Die Frauen-WM gucke er nicht, sagt er.
       „Aktuell ist Afrika Cup, das ist für mich wichtiger.“ Leuchtet ein. Dann
       ist das Spiel aus.
       
       2 Jul 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alina Schwermer
       
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