# taz.de -- Niederlande im WM-Viertelfinale: Verschlechterung mit Pfiff
       
       > Es war ein Duell zwischen dem japanischen Ballstreichlerinnenspiel und
       > dem niederländischen Kraftfußball. Ein irrsinniger Elfer entschied.
       
 (IMG) Bild: Jubeln nach dem Elfer: die Holländerinnen nutzen die Gunst der neuen Handspielregel
       
       Rennes taz | Japan ist ausgeschieden. Die Vizeweltmeisterinnen haben ihr
       Achtelfinale gegen die Niederlande mit 1:2 verloren. Nach dem Schlusspfiff
       am Dienstagabend in Rennes stand fest: Von den acht Teams, die noch im
       Rennen sind, kommen sieben aus Europa. Das achte kommt aus den USA. Japan,
       2011 noch Weltmeister, gehört nicht mehr zu den besten Mannschaften der
       Welt. Europa ist vorbeigezogen. Jetzt wird nach Erklärungen gesucht. „Wir
       sind einfach nicht so groß“, hat die japanische Trainerin Asako Takakura
       nach dem Spiel gesagt. Es sei offensichtlich, dass man nicht über so viel
       Power verfüge.
       
       An der Körpergröße können sie nicht arbeiten, an der Intensität, mit der
       man in den Wettstreit gehen muss, wollen sie arbeiten, sagte Takakura.
       Woran sie nicht arbeiten sollten, ist ihre Ballfertigkeit und Übersicht.
       Über das schöne Spiel, für das Japan im Frauenfußball steht, würde an
       dieser Stelle vielleicht noch viel mehr geschrieben werden, wenn, ja wenn
       es nicht in der 90. Minute diesen vermaledeiten Handelfmeter gegeben hätte.
       
       Lieke Martens hat ihn verwandelt. Es war ihr zweites Tor in diesem Spiel.
       Doch die Augen der Fans waren nach dem Schlusspfiff auf eine andere
       Spielerin gerichtet, auf die japanische Kapitänin Saki Kumagai. Deren Arm
       war es, von dem der Schuss von Vivianne Miedema abgelenkt wurde. Wie ein
       Häufchen Elend stand die erfahrene Weltmeisterin von 2011 nach dem
       Schlusspfiff auf dem Platz und wird sich gefragt haben, was sie da bloß
       gemacht habe.
       
       Tja, schwierige Frage. Eigentlich nichts. Ihren rechten Arm hätte sie
       abwerfen müssen, als Miedema abgezogen hat. Aber wer kann das schon? Die
       Regeln, die gerade neu formuliert worden sind, geben Schiedsrichterin
       Melissa Borjas recht. Für ihre Zunft ist sie angepasst worden. Damit die
       Schiedsrichterinnen sich nicht länger fragen müssen, ob Absicht vorlag oder
       nicht, damit sie eine Handspielsituation nicht mehr interpretieren müssen,
       damit sie gar nicht erst über irgendetwas nachdenken müssen, dürfen sie
       jetzt einfach pfeifen, wenn der Ball eine Hand berührt, die nicht wie beim
       Strammstehen angelegt ist.
       
       ## Ein gebrochenes Herz
       
       Ob der Ball dabei aus kürzester Entfernung an den Arm geschossen wird, wie
       in diesem speziellen Fall, egal. Ob die Spielerin versucht, ihre Hand noch
       an den Körper anzulegen und es aufgrund der geringen Entfernung zur
       Schützin einfach nicht mehr geschafft hat, wie es bei Kumagai der Fall war,
       wurscht. Am Ende stand Kumagai mit Tränen in den Augen am Spielfeldrand und
       glaubte, sich bei den Fans und ihren Teamkolleginnen entschuldigen zu
       müssen: „Es tut mir leid!“ Ein Pfiff schien ihr das Herz gebrochen zu
       haben.
       
       Die Regeln mögen den Schiedsrichterinnen helfen, dem Spiel tun sie gewiss
       nicht gut. Denn von dem hätte man an diesem Abend gerne noch viel mehr
       gesehen. In diesem Achtelfinale standen sich zwei völlig unterschiedliche
       Spielauffassungen gegenüber. Da war das körperliche Spiel der
       Niederländerinnen, das von den schnellen Sprints über außen lebt, vom
       vollen Körpereinsatz bei der Ballannahme, vom direkten Passspiel, von der
       Kraft.
       
       Und da war das viel feinere Spiel der Japanerinnen, die auch in Bedrängnis
       spielerische Lösungen gefunden haben, die eine Art Zweikontaktspiel –
       Ballannahme, Pass – perfektioniert haben und die vor allem in der zweiten
       Hälfte dadurch Räume geschaffen haben, nach denen sie im bisherigen
       Turnierverlauf oft vergeblich gesucht haben. Zweimal landeten Abschlüsse am
       Gestänge, einmal musste die niederländische Torfrau Sari van Veenendaal
       eine Parade vom Feinsten auspacken. Drüber. Vorbei. Nur drin war außer dem
       1:1-Ausgleich durch Yui Hasegawa kein Ball.
       
       Die Japanerinnen hatten endlich in diesem Turnier zu ihrem Spiel gefunden.
       Und als die neutralen Zuschauerinnen im Stadion eine Verlängerung
       herbeisehnten, weil man von so einem Spiel einfach nicht genug bekommen
       kann, da zeigte die Schiedsrichterin in der 90. Minute auf den
       Elfmeterpunkt. Wie gern hätte man gesehen, wie dieses Duell zwischen dem
       japanischen Ballstreichlerinnenspiel und dem europäischen Kraftfußball
       spielerisch entschieden worden wäre. Denn ansehnlich sind beide Varianten,
       wenn sie funktionieren. Das haben die Niederländerinnen vor allem in der
       ersten Halbzeit gezeigt. Deshalb stehen sie gewiss nicht zu Unrecht im
       Viertelfinale, wo sie am Samstag auf Italien treffen.
       
       Die Japanerinnen dagegen müssen abreisen. „Wir müssen die Niederlage
       akzeptieren“, sagte Trainerin Takakura nach der Partie. Jetzt sollen die
       Spielerinnen an ihrer Härte und Kraft arbeiten. So wolle man zurück an die
       Weltspitze. Bleibt zu hoffen, dass dabei das schöne Spiel nicht verloren
       geht.
       
       26 Jun 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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