# taz.de -- Kolumne Frauen-WM: Keine Zeit für Spaß
       
       > Bei den WM-Spielen im multikulturellen Nizza dominieren weiße Familien.
       > Menschen mit Migrationshintergrund müssen derweil arbeiten.
       
 (IMG) Bild: Viel Werbung und Flaggen für die Frauen-WM – aber leisten können sich den Spaß nur wenige
       
       Wer hätte gedacht, dass Nizza irgendwann noch WM-Geist atmen würde? Das
       Heimspiel der Französinnen haucht der mit sich selbst beschäftigten
       Metropole am azurblauen Wasser plötzlich Fußball ein; morgens ist das erste
       Fenster beflaggt, ich glaube noch an Zufall, da hängt schon eine zweite
       Trikolore am Nachbarhaus. Das muss Absicht sein.
       
       Auch die Werbung rollt. Volunteers auf beflaggten Segways düsen durch die
       Fußgängerzone und drücken jedem, der nicht beiseitespringt, WM-Flyer in die
       Hand. Der Grundgedanke war wohl Zeitersparnis bei gleichzeitiger
       Omnipräsenz, ja, so denkt die Fifa. Und die Polizei hat wirklich die ganze
       Straße um die Fanbushaltestelle gesperrt, damit alle Fahrgäste zweimal auf
       Schusswaffen, Bomben und ähnliche übliche Mitbringsel kontrolliert werden
       können. Im Bus wird dann kollektiv Trikoloreschminke ausgetauscht, und als
       wir das Stadion erreichen, singen drei kleine Mädchen ekstatisch „Allez les
       filles“. Das wiederum ist so progressiv, dass es schon fast wieder kitschig
       ist.
       
       Aber es ist ja nur ein Ausschnitt. Beim Spiel im multikulturellen Nizza
       dominieren weiße Familien, da ist nicht viel mit „Black, blanc, beur“
       („schwarz, weiß, arabisch“). Als ich nach dem Spiel per Anhalter zurück
       Richtung Stadt fahre, lande ich im Auto von Moussa und Floris. „Wie ist es
       ausgegangen?“, fragt Floris interessiert. Nein, nein, geguckt haben sie
       nicht, sie kommen von ihrer Spätschicht bei KFC. Moussa ist beladen mit
       Fast Food und Softdrinks. Ob sie in Nizza aufgewachsen sind? „Nein,
       Senegal“, sagt Moussa. „Rumänien“, sagt Floris.
       
       Wir fahren durch die Nacht in eine Stadt, in der keiner von beiden bleiben
       will. Moussa, ein zurückhaltender Typ mit breitem Grinsen, studiert
       Elektrotechnik, danach möchte er zurück in die Heimat. „Ich will helfen,
       was aufzubauen. Sie brauchen mich im Senegal mehr als hier.“ „Meine Heimat
       braucht mich“, spottet Floris liebevoll, aber Moussa meint es so. Bei KFC
       arbeitet er, um sich ein Zimmer in Nizza leisten zu können, warum sonst?
       Das Leben in der Stadt schlägt mächtig auf den Geldbeutel.
       
       Floris kann mit Moussas Pflichtgefühlen für die Heimat nichts anfangen. In
       Rumänien, berichtet er, habe er viele Jahre bei großen Projekten
       gearbeitet, dann hatte er keinen Bock mehr auf Hamsterrad und kaufte sich
       ein One-Way-Ticket nach Nizza. „Da habe ich erst mal sechs Monate
       gegammelt.“ Jetzt arbeitet er bei KFC, weil er halt ohne großen Aufwand an
       Geld kommen will, und träumt davon, weiter nach Barcelona zu ziehen. Weil
       er gern Tacos zum Frühstück isst, sagt er, und außerdem ist das Bier dort
       billig.
       
       So sind die Motivationen. Zwei Menschen auf Durchreise, vereint durch
       Kentucky Fried Chicken. Und weit weg von der französischen
       Stadiongesellschaft. Zu einem WM-Spiel werden sie nicht gehen. „Ich habe
       keine Zeit, Spaß zu haben“, sagt Moussa lachend, und eigentlich ist es kein
       Witz.
       
       15 Jun 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alina Schwermer
       
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