# taz.de -- Rainer Schäfer Radikale Weine: Eine animierende Zufallskreuzung aus dem 500-Liter-Holzfass
       
       Zierfandler, Gumpoldskirchner, Rotgipfler, Traminer, Gebeshuber – über kein
       Weinland kann man so klangvoll schreiben wie über Österreich. Beginnen wir
       in Gumpoldskirchen, einer idyllischen Gemeinde in der Thermenregion, 30
       Kilometer südlich von Wien gelegen. Von dort stammt der Zierfandler, wohl
       eine Zufallskreuzung aus rotem Veltliner und einer Traminer-ähnlichen
       Sorte.
       
       Seit mehr als zweihundert Jahren wird die weiße Rebsorte nur in und rund um
       Gumpoldskirchen kultiviert – eine exklusive Besonderheit. Genau wie auch
       der Gumpoldskirchner, eine Cuvée aus Zierfandler und dem ebenfalls raren
       Rotgipfler. Der zählte mal zu den besten Weinen des Landes, der am
       Kaiserhof geschätzt und auch bei Staatsbesuchen ausgeschenkt wurde.
       
       Doch in den 1970er Jahren geriet der Zierfandler durch aufgeblähte Erträge
       und lieblose Interpretationen in die Kritik und beinahe in Vergessenheit.
       Auch Gumpoldskirchen litt unter dem ramponierten Ruf seiner degradierten
       Star-Rebe: Einheimische Gastronomen strichen den Zierfandler von ihren
       Weinkarten und schenkten lieber Weine aus anderen Regionen und Ländern aus.
       
       Kaum zu ertragen für einen engagierten Winzer – und Gumpoldskirchner – wie
       Johannes Gebeshuber. Als der vor gut 20 Jahren anfing, Wein zu erzeugen,
       war er fest entschlossen, den Zierfandler und sein Heimatdorf zu
       rehabilitieren. Unbeirrt hielt Gebeshuber an der autochthonen Rebsorte
       fest: Von seinen 25 Hektar Weinbergen entfallen fast acht auf den
       Zierfandler, ein Teil der Rebstöcke ist bis zu 80 Jahre alt.
       
       Zierfandler steht bei Gebeshuber ausschließlich auf Muschelkalkboden, der
       eine mineralische Grundierung beisteuert. Seine Weingärten bearbeitet der
       50-Jährige biodynamisch nach Demeter-Richtlinien. „Ich hole mir meine Kraft
       aus der Natur, genau wie meine Weine“, sagt er. In der Weinbereitung gehöre
       Gelassenheit zu seinen wesentlichsten Ingredienzien, „nur in und mit
       absoluter Ruhe reifen meine Weine zu Persönlichkeiten“.
       
       Den Zierfandler vom Muschelkalk von 2016 ließ Johannes Gebeshuber mit
       natürlichen Hefen vergären und baute ihn zwölf Monate im 500-Liter-Holzfass
       aus. Er riecht nach Zitrusfrüchten, Ananas, Stachelbeeren und Blüten, am
       Gaumen zeigt er sich dicht, kraftvoll und elegant mit guter Frische. Es ist
       ein bestens balancierter und animierender Zierfandler, mit Ausstrahlung und
       Tiefe, der sich gut zu Fisch, Meeresfrüchten und Austern macht.
       
       Inzwischen werden in Gumpoldskirchen wieder knapp 80 Hektar der raren
       Rebsorte angebaut. Winzer wie Johannes Gebeshuber haben es geschafft, dass
       der Zierfandler auf den heimischen Weinkarten wieder weit oben steht.
       
       15 Jun 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rainer Schäfer
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA