# taz.de -- Die Wahrheit: Vier Stücker gerettet
       
       > Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (77): Kamerunschafe,
       > einst Provianttiere, bewegen nicht nur Berlin.
       
 (IMG) Bild: Kamerunschafe wurden früher als Futter für Zootiere importiert
       
       Das Kamerunschaf wurde aus dem Westafrikanischen Zwergschaf gezüchtet und
       es ist das einzige Nutztier, das gegenüber dem von der Tsetsefliege
       übertragenen Erreger der Naganseuche tolerant ist. Laut Wikipedia soll es
       als „Provianttier“ auf Schiffen nach Europa gelangt sein. Der Berliner
       Postille B. Z. zufolge wurde es als Futter für Zootiere importiert.
       „Hobbyhalter“ konnten demnach einige Vertreter dieser inzwischen
       „anerkannten Haarschafrasse“ retten.
       
       Heute gibt es bereits einen Verband der Deutschen Kamerunschafzüchter,
       deren Vorsitzender, der in Neudrossenfeld (Bayern) lebende Thomas Kilian
       ist. Der Halter von 39 rehbraunen Kamerunschafen, der es sich zusammen mit
       seiner Frau „seit 2012 zur Aufgabe gemacht hat, überwiegend den sehr
       seltenen schwarzmarken Farbschlag zu züchten“, meint: „Das Fleisch ist
       reines Muskelfleisch – wie beim Reh.“
       
       Das Kamerunschaf erfreut sich auch in deutschen muslimischen Kreisen einer
       gewissen Beliebtheit. In Berlin-Kreuzberg stand in den siebziger Jahren vor
       dem islamischen Opferfest bei den Türken und Kurden mitunter ein lebendes
       Schaf auf ihrem Balkon, das dann in der Badewanne geschächtet wurde. Nach
       dem Fest hing sein Fell über dem Balkongeländer. Das waren jedoch durchweg
       westdeutsche, nach dem Mauerfall auch ostdeutsche Merinofleischschafe.
       
       Im Berliner Ortsteil Altglienicke gibt es eine Schlachterei, in der Schafe
       geschächtet (also ohne Betäubung getötet) werden dürfen. Dem Tagesspiegel
       erzählte der Besitzer: „‚Zu DDR-Zeiten wurden bei uns Tausende von Tieren
       geschächtet.‘ Diplomaten aus allen islamischen Ländern seien mit
       Familienangehörigen und Freunden das ganze Jahr über in der Schlachterei
       seines Vaters vorgefahren, hätten Schafe und Lämmer gekauft, die man
       anschließend geschächtet hätte. In der DDR sei das nicht verboten gewesen.
       ‚Jetzt haben wir nur noch die jüdische Gemeinde als Kunden‘, sagt er. Warum
       die muslimischen Kunden seit dem Fall der Mauer nicht mehr kommen, kann er
       nur vermuten: ‚Ich bin zu teuer‘. Viele türkische Händler, aber auch
       Privatkunden fahren deshalb ins Umland und lassen Tiere ganz legal mit
       Betäubung schlachten“ – zur Freude der Tierschützer. Daneben kommt es
       angeblich auch zu „unerlaubtem Schächten“.
       
       ## Einer muss dabei sein, um hinzuschauen
       
       Die Schäferin Ruth Häckh verkaufte zum Opferfest einige Jahre lang Schafe
       an Türken. Als aber nach einer einzigen Schächtung auf ihrem Hof das
       Veterinäramt eine „Großrazzia“ veranstaltete, stieg sie „aus dem
       nervenaufreibenden Opfertagstrubel“ aus, wie sie letztes Jahr in ihrem Buch
       „Einer für alle“ schreibt.
       
       Die märkische Schriftstellerin Karen Duve begleitete einmal die „Animal
       Angels“ in die spanische Marokko-Exklave Melilla, wo zum Opferfest jedes
       Jahr 2.000 Schafe geschächtet werden. Die Tierschutzgruppe geht dorthin, um
       kleine Verbesserungen des brutalen Rituals zu erreichen: „Sie sind sehr
       pragmatisch. Der Leiter von den ‚Animal Angels‘ litt jedoch derart mit den
       Tieren, dass es ihm immer schlechter ging. Das Sich-Identifizieren mit
       einem Tier können die nicht wählen, im Gegensatz zu mir. Sie fahren aber
       jedes Jahr dorthin: Einer muss dabei sein, um hinzuschauen, sagen sie.“
       
       Karen Duve arbeitete ihr Erlebnis in Melilla in ihren Roman „Macht“ (2016)
       ein. Es gibt darin einen Dialog zwischen einer Tierschützerin und zwei
       Kindern, die sich immer dort drängten, wo gerade einem Schaf- oder
       Ziegenbock der Hals durchschnitten wurde. Die zwei Kinder standen an einer
       Zeltwand, wo man mehrere gefesselte Schafe abgelegt hatte: „Ihre Augen sind
       weit aufgerissen, die großen Körper pumpen schwer, die Wolle hebt und senkt
       sich.“ Dann wird ein zusammengeschnürter Ziegenbock neben sie gelegt: „Das
       Böckchen reckt den Kopf und schreit. Es meckert nicht, es schreit.
       Unglaublich laut. Wie ein Mensch, der in einen Abgrund fällt.“
       
       ## Von ihren Kabelbinder-Fesseln befreit
       
       Eins der Kinder beugt sich zu ihm herunter und macht sein Schreien höhnisch
       nach, sein Freund stellt sich ebenfalls vor das Tier, „als das Böckchen das
       nächste Mal seinen Kopf reckt, um zu schreien, gibt er ihm eine Ohrfeige“.
       Die Tierschützerin kann nicht mehr an sich halten und schimpft: „Dieser
       Ziegenbock muss gleich den Kopf dafür hinhalten, dass Rotzlöffel wie ihr
       verschont werden könnt. Ist euch das eigentlich klar?“ Die beiden Jungs
       schauen sie verständnislos an, sie erklärt: „Sobald hier die Schafe und
       Ziegenböcke ausgehen, nimmt euer Gott nämlich auch kleine Jungs. Eigentlich
       findet er kleine Jungs sogar viel besser als Schafe.“
       
       In Berlin, genauer gesagt in Neukölln, sind Ende Mai vier weibliche
       Kamerunschafe, die mutmaßlich am Ende des Fastenmonats Ramadan zum
       Opferfest im August geschlachtet werden sollten, von der Polizei von ihren
       Kabelbinder-Fesseln befreit, beschlagnahmt und an einem geheim gehaltenen
       Ort bei einem Züchter in Sicherheit gebracht worden. Mit einem Audi hatte
       man die Tiere am 24. Mai aus dem Kofferraum geholt und auf einen
       „Autoplatz“ in Alt-Buckow angebunden. Laut Einsatzprotokoll standen sie
       „auf Splitt, hatten kein Heu, nur ein bisschen Wasser. In einem Bauwagen
       lagen Grillanzünder“.
       
       ## Zwei Zentner schwere Goldmünze
       
       Die Hauptstadtpresse vermutete sofort, dass sie dem berühmt-berüchtigten
       Issa Remmo (51) gehören, den sie stets als „Clanchef“ libanesischer
       Herkunft bezeichnet und gegen den die Abteilung „Organisierte Kriminalität“
       schon seit Langem ein Kompromat zusammenstellt. „Ich bin nicht Oberhaupt
       von einem Clan oder für meine Brüder und deren Familien“, beteuerte Remmo
       in der Berliner Zeitung. Ein Jahr zuvor, 2017, waren drei Angehörige des
       laut taz „arabischstämmigen Remmoclans“ in Moabit angeklagt worden, im
       Bodemuseum eine zwei Zentner schwere Goldmünze geklaut zu haben. Der
       entfernte Angehörige Houssam Remmo steht aber auf Seiten des Gesetzes, er
       trat in Bremen aus der SPD aus, weil diese Partei „sich zu wenig für die
       Polizei stark macht,“ wie er der taz bremen erklärte.
       
       Issa Remmo hat 15 Kinder, laut Berliner Kurier soll „der Araber-Clan Remmo
       Kleingärtner ins Visier genommen und sie von ihren Grundstücken vertrieben
       haben“. Die Polizei beschlagnahmte in Berlin 77 Immobilien von ihnen,
       später dann auch noch die Mieteinnahmen daraus. Issa Remmo bestritt, damit
       etwas zu tun zu haben, er mache nur im Libanon Immobiliengeschäfte.
       
       ## Dem Züchter „auf der Spur“
       
       Der „Autoplatz“-Besitzer soll schon mehrmals wegen Betrugs verurteilt
       worden sein. Nachdem die vier Kamerunschafe dort beschlagnahmt wurden,
       meldete sich Issa Remmo bei den Behörden und verlangte – vergeblich – die
       Herausgabe der Tiere. Der B. Z. sagte er: „Mir gehört weder ein Autoplatz
       noch lasse ich einen betreiben. Ich kenne auch keine Schafe und kenne auch
       niemanden, der Schafe besitzt.“ Die Springer-Zeitung erwähnt noch, dass der
       „Remmo-Clan“ dem Züchter, bei dem die vier Schafe versteckt wurden, „auf
       der Spur“ ist, weswegen der „inkognito bleiben muss“.
       
       Ich finde die Berichterstattung der Hauptstadtpresse in diesem Fall
       ziemlich antisemitisch, aber weniger anthropozentrisch gedacht begrüße ich
       natürlich die Rettung der Kamerunschafe, also der „Vier vom Autoplatz“.
       
       3 Jun 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Helmut Höge
       
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