# taz.de -- Kommentar Klage gegen Boris Johnson: Der Rechtsstaat verliert
       
       > Sollen Politiker jetzt immer gegeneinander klagen, wenn sie
       > unterschiedlicher Meinung sind? Das wäre eine absurde Politisierung des
       > Rechtsstaats.
       
 (IMG) Bild: Prominenter Vertreter einer prominenten Brexit-Wahlkampfparole: Boris Johnson
       
       Brexit-Gegner dürfen jubeln: Endlich landet die prominenteste mutmaßliche
       Lüge des Brexit-Wahlkampfs, nämlich die Behauptung von wöchentlichen
       Zahlungen Großbritanniens an die EU in Höhe von 350 Millionen Pfund, vor
       Gericht. Aber wer sich über die Zulassung [1][der Klage gegen Boris
       Johnson] als prominentesten Vertreter dieser Wahlkampfparole freut, sollte
       vorsichtig sein.
       
       Zum einen ist der Vorwurf merkwürdig. Unter Amtsmissbrauch wird gemeinhin
       verstanden, dass ein Amtsträger seine Kompetenzen überschreitet oder sein
       Amt zum eigenen Vorteil nutzt. Im englischen Recht wird Amtsmissbrauch so
       definiert, dass ein Amtsträger sich absichtlich und ohne vernünftige
       Begründung oder Rechtfertigung in einer Weise verhält, die das Vertrauen
       der Öffentlichkeit in sein Amt erschüttert. Das ist eine sehr schwammige
       Definition, aber öffentliche Äußerungen in einem Wahlkampf sind noch nie
       darunter gefallen. Wahlkämpfer äußern sie sich im Rahmen ihrer Kampagne
       nicht qua Amt.
       
       Und wenn jede politische Äußerung, die vom Gegner als Unwahrheit
       zurückgewiesen wird, vor Gericht landet, wird jeder politische Widerstreit
       unmöglich. Sollen Politiker jetzt andauernd gegeneinander Klage einreichen,
       wenn sie unterschiedlicher Meinung sind? Es wäre eine völlig absurde
       Politisierung des Rechtsstaates.
       
       Die jetzt vom Bezirksgericht Westminster zugelassene Klage wird vor allem
       eine Wirkung haben: in der breiteren britischen Öffentlichkeit die
       Überzeugung festigen, dass das Establishment alle Hebel in Bewegung setzen
       will, um zu verhindern, dass mit Boris Johnson ein überzeugter Brexiteer
       Premierminister wird. Die Bezirksrichterin könnte mit ihrem Verhalten also
       das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz nachhaltig geschädigt haben.
       Man könnte sie fast wegen Amtsmissbrauchs verklagen. Und dann? Man muss
       schon große Lust an der Zerstörung haben, um irgendeinen Aspekt dieser
       gesamten Geschichte für sinnvoll zu halten.
       
       31 May 2019
       
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