# taz.de -- Mehr Lohn für Paketboten: Ausgebeutet, im Auftrag von…
       
       > Im Bund hat sich die große Koalition auf ein Gesetz geeinigt, das die
       > Situation für Paketboten verbessern soll. Doch kann das funktionieren?
       
 (IMG) Bild: Viel zu tun, harter Job: Paketbote bei der Arbeit.
       
       Hamburg taz | Im Hamburger Industriegebiet in der Peutestraße reihen sich
       zahllose Lieferfahrzeuge mit Firmenlogos verschiedener
       Logistikdienstleister auf den Seitenwänden aneinander – Kleinlaster der
       Sprinterklasse. Außerdem weiße Busse ohne Logos, aber mit Spuren von
       Verkehrsunfällen und Fahrzeuge einschlägiger Mietwagenfirmen. „Im Auftrag
       von …“ steht auf Schildern, die hinter der Windschutzscheibe angebracht
       sind. Der Weltkonzern Amazon betreibt hier seit 2018 einen eigenen
       Standort.
       
       Ähnliche Schilder, die erklären, dass FahrerInnen „im Auftrag“ unterwegs
       sind, lassen sich vielerorts finden, mit den Namen fast aller Unternehmen,
       die mit Pakettransporten zu tun haben. Dahinter verbirgt sich ein
       Geschäftsmodell, das als Outsourcing bezeichnet wird. Die Subunternehmen
       bringen etwa für große Paketdienstleister Sendungen zum Paketzentrum und
       von dort weiter zum Verbraucher. Rund die Hälfte der Unternehmen in der
       Branche ist an solchen Nachunternehmerketten beteiligt.
       
       Am Dienstag nun hat sich die große Koalition in Berlin darauf geeinigt,
       eine gesetzliche Lösung in Form einer Nachunternehmerhaftung umzusetzen.
       Das soll Sozialabgaben und faire Löhne garantieren. Der Grund sind die
       wiederholten Vorwürfe, das Beschäftigungsmodell der Branche würde
       ausbeuterische Arbeitsverhältnisse begünstigen.
       
       Für das Prinzip der Nachunternehmerhaftung hatte sich neben
       Bundesarbeitsminister Hubertus Heil auch die Landesregierung Niedersachsens
       im Bundesrat eingesetzt. „Wir müssen auf die schwarzen Schafe Druck
       ausüben, und den Druck können wir mit der Nachunternehmerhaftung erhöhen“,
       sagte Birgit Honé (SPD) der taz, die als niedersächsische Ministerin für
       Bundes- und Europaangelegenheiten die Initiative in den Bundesrat
       eingebracht hatte.
       
       ## Schon lange in der Kritik
       
       Auch die schleswig-holsteinische SPD-Fraktion hat das Thema für die heutige
       Landtagssitzung auf die Tagesordnung gesetzt und fordert die
       Landesregierung dazu auf, gegen „Missstände in der Paketbranche“
       vorzugehen. „Wir begrüßen die Einigung für die Paketboten im Bund“, sagte
       der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Wolfgang Baasch.
       
       Seit Langem kritisieren Gewerkschaften die Missstände in der Paketbranche.
       Die Konkurrenz um die Aufträge der Generalunternehmer führt unter den
       Subunternehmern zu einem harten Preiskampf. Susanne Labusch, Betriebsrätin
       und seit acht Jahren für den Paketdienstleister DPD in Hamburg tätig,
       erklärt: „Fast alle alteingesessenen Subunternehmer sind weg. Die haben
       entweder aufgegeben oder sind insolvent gegangen.“
       
       Der Pressesprecher der DPD, Peter Rey, kann diese Tendenz zumindest
       bundesweit nicht bestätigen. Angesicht des Mangels an Arbeitskräften und
       Unternehmern in der Branche könne man sich kaum leisten, auf gute
       Unternehmer zu verzichten.
       
       Klar ist: Die Schwächsten in der Kette sind am Ende die Botinnen und Boten.
       Bei Kontrollen stößt der Zoll regelmäßig auf Unterschreitungen des
       Mindestlohns oder nicht abgeführte Sozialabgaben. Beides könne ineinander
       übergehen, sagt Matthias Haack, der beim Hamburger Zoll für die Kurier-,
       Express und Paketbranche zuständig ist und unter anderem Schwarzarbeit
       kontrolliert. „Zum Beispiel wenn der Mindestlohn auf dem Papier eingehalten
       wird, die reellen Arbeitsstunden aber viel höher als angegeben sind.“
       
       Ein früherer Mitarbeiter eines Subunternehmens bei Amazon, der nicht
       namentlich genannt werden möchte, bestätigte das gegenüber der taz. Er habe
       das Lieferauto vor jedem Schichtanfang von einem Schotterparkplatz im
       entfernten Gewerbegebiet in Hamburg-Billbrook abholen und später
       zurückbringen müssem. „Das waren gut eineinhalb Stunden unbezahlter
       Arbeit“, sagt er.
       
       ## Flächendeckende Kontrolle unmöglich
       
       Aber ist die angestrebte Nachunternehmerhaftung wirklich so
       vielversprechend? Zuständig für die Kontrolle des Gesetzes in Hamburg wären
       Haack und seine KollegInnen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Deren
       Sachbereichsleiterin Astrid Fiebelkorn erklärte, von ihrer Überprüfung
       würden Arbeitnehmer nur indirekt profitieren. „Wenn es optimal läuft, wären
       wir dazu in der Lage, die Arbeitgeber zur Auszahlung ordentlicher Löhne zu
       zwingen“, sagt Fiebelkorns Kollege Matthias Haack.
       
       Auch ist ihre Abteilung des Zolls zwar dafür zuständig zu prüfen, ob die
       Unternehmen gesetzliche Bestimmungen einhalten, allerdings würden diese
       Kontrollen nicht flächendeckend durchgeführt, das sei personell nicht
       möglich. Man arbeite „risikoorientiert“, das heißt: Es werde dort geprüft,
       wo bereits ein Verdachtsmoment besteht.
       
       Aber Fiebelkorn berichtet auch von weiteren Problemen. Aus verschiedenen
       Branchen erhalte der Zoll jährlich Tausende anonyme Hinweise. Diese seien
       aber selten belastbar, denn für eine Zeugenvorladungen meldeten sich die
       Hinweisgeber oft nicht mehr.
       
       Erfahrungen mit der Nachunternehmerhaftung gibt es in Niedersachsen. 2017
       hatte eine Initiative des Bundeslandes zu einer ähnlichen Regelung für die
       Fleischindustrie geführt, auf die sich nun immer wieder berufen wird. „An
       dem Vorbild in der Fleischwirtschaft haben wir gesehen, dass es sich
       bewährt hat“, sagte zumindest Ministerin Honé.
       
       Matthias Brümmer ist da skeptischer. Der Geschäftsführer der Gewerkschaft
       Nahrungsmittel-Genuss-Gaststätten (NGG) in Oldenburg beschäftigt sich seit
       Langem mit der Fleischindustrie. „Auf dem Papier hört die sich gut an, in
       der Praxis kenne ich aber nicht einen einzelnen Fall, in dem ein
       Generalunternehmer haftbar gemacht wurde.“ Das liege auch daran, dass die
       Überprüfungen Jahre dauern könnten.
       
       ## Hauptsache vom Tisch
       
       Soweit komme es aber gar nicht erst, erzählt er: „Die Betriebe legen vorher
       Geld auf den Tisch, einigen sich gütlich und der Richter ist froh, dass er
       ein Verfahren vom Tisch hat. Dann wird ein Vergleich geschlossen und das
       war es: Es gibt kein Urteil.“ Ein Grund dafür sei die strukturelle
       Unterlegenheit der Arbeitnehmer, die oft nur wenig Deutsch sprächen, das
       Rechtssystem nicht verstünden und von ihrer Arbeit finanziell abhängig
       seien.
       
       Auch DPD-Betriebsrätin Labusch ist skeptisch, dass die Kontrollen
       ausreichen, um die Probleme im Betrieb zu lösen. „Ich würde es als sinnvoll
       erachten, wenn die Betriebsräte auch diesen Bereich mit abdecken können.“
       Denn die Beschäftigten von Subunternehmen sind nicht Teil des Betriebes,
       der Betriebsrat des Hauptunternehmens ist somit nicht zuständig. „Es darf
       diese Abgrenzung nicht geben“, sagt Labusch. Noch einfacher ist es für
       Ministerin Honé: „Besser wäre es noch, wenn die Unternehmen direkt
       anstellen würden.“
       
       15 May 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marinus Reuter
       
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