# taz.de -- Kommentar Arbeitszeiterfassung: Stechuhr? Ja, bitte!
       
       > Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs müssen Arbeitszeiten
       > künftig komplett erfasst werden. Das stärkt die Rechte der Beschäftigten.
       
 (IMG) Bild: Flexibel und ständig erreichbar im Job: Das Erfassen der Arbeitszeit wird immer wichtiger
       
       Es ist eine sehr gute Nachricht für Beschäftigte, auch wenn viele das auf
       den ersten Blick nicht so empfinden: Der Europäische Gerichtshof will, dass
       die [1][EU-Mitgliedsstaaten Arbeitgeber zwingen, Arbeitszeiten von
       Beschäftigten komplett zu erfassen]. Das ist gut, denn es stärkt die
       ArbeitnehmerInnen.
       
       Die – analoge oder digitale – Stechuhr mag vielen wie ein
       Kontrollinstrument von ArbeitgeberInnen erscheinen, die sie gängeln
       wollen. Ja, Arbeitszeiten werden mit einer kompletten Erfassung
       kontrollierbarer. Aber das ist meistens nicht zugunsten der Unternehmen.
       Denn die profitieren davon, dass oft im Unklaren bleibt, wie viel ihre
       Leute ackern. Sie zahlen für nicht nachvollziehbare Mehrarbeit nicht.
       
       Bislang müssen in Deutschland nur Überstunden erfasst werden. Das ist
       weltfremd. Denn wer listet denn Mehrarbeit auf, wenn die reguläre Arbeit
       gar nicht erfasst wird? Vielen Menschen ist gar nicht gewusst, wie viel sie
       ohne Bezahlung arbeiten – weil sie das eben nicht festhalten.
       
       Gerade angesichts der immer stärkeren Verdichtung der Arbeit und der
       verschwimmenden Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben ist es ein
       immenser Fortschritt, wenn die gesamte Arbeitszeit erfasst wird. Zuhause
       E-Mails zu beantworten oder etwas anderes für den Job zu erledigen, ist für
       viele selbstverständlich. Im Zeitalter der ständigen Erreichbarkeit und
       [2][flexibler Arbeitszeiten] muss es neue Regeln geben. Die Erfassung ist
       dabei zentral. Ohne akribische Dokumentation werden immer mehr Menschen
       immer mehr umsonst arbeiten. Im Jahr 2018 wurden in Deutschland mehr als
       eine Milliarde – nicht Million! – geleistete Überstunden nicht bezahlt. Ein
       riesiges Geschenk der Beschäftigten an Unternehmen.
       
       Der Europäische Gerichtshof schreibt nicht vor, wie Arbeitszeiten künftig
       dokumentiert werden sollen. Die Herausforderung besteht darin, Systeme zu
       finden, bei denen die Beschäftigten die Kontrolle über die Kontrolle haben
       und die nicht nervtötend sind – und die Unternehmen dazu zu bringen, die
       heute unsichtbare Arbeit auch vernünftig zu vergüten.
       
       15 May 2019
       
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 (DIR) Anja Krüger
       
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