# taz.de -- SPD-Wahlkampf in Bremen: Instagram und Kaffee-Kränzchen
       
       > Zwei Generationen, zwei Wahlkampf-Strategien: Die 24-jährige Hilke
       > Lüschen setzt auf soziale Medien. Der 67-jährige Ulrich Mäurer tingelt
       > durch die Ortsvereine.
       
 (IMG) Bild: taz-Autorin Wendla Schaper (links) und SPD-Politikerin Hilke Lüschen
       
       Bremen taz | Ich sitze mit Hilke Lüschen an einem Freitag im April im Cafe
       Ambiente an der Weser. Wir trinken Kaffee mit viel Milchschaum. Die
       Sozialdemokratin kandidiert für die Bürgerschaftswahl am 26. Mai. Zum
       ersten Mal darf ich wählen und frage mich, wie sich der Wahlkampf zwischen
       den Generationen unterscheidet. Antworten suche ich bei der 24-jährigen
       Lüschen und beim 67-jährigen SPD-Innensenator Ulrich Mäurer.
       
       Lüschen wirkt auf mich interessiert und offen. Seit sechs Jahren engagiert
       sie sich bei den Jusos, der Jugendorganisation der SPD, und ist seit 2016
       im Landesvorstand. Sie kandidiert auf Listenplatz 23 und ist auf der Liste
       der SPD die erste Frau unter 40 Jahren. Nebenbei studiert sie Philosophie
       in Oldenburg.
       
       Lüschen ist 15 Jahre alt, als sie im Fernsehen eine Debatte über
       Managergehälter sieht. „Die Gespräche führten am Ziel vorbei“, sagt sie. Am
       liebsten hätte sie sich an den Tisch gesetzt und mit diskutiert. „Ein
       linkes Bewusstsein hatte ich schon immer“, sagt Lüschen. Gleichzeitig habe
       sie den Drang gespürt, ihre eigene Meinung mit einzubringen. Anfangs
       interessierte sie sich für Umweltschutz, später kamen Feminismus und
       Arbeitspolitik hinzu.
       
       Während es draußen an diesem Apriltag zu schneien beginnt, erzählt sie mir
       von ihrem Wahlkampf: „Ich habe extra einen Instagram-Account erstellt, auf
       dem ich regelmäßig poste.“ Außerdem wurde ein Sticker designt mit der
       Aufschrift: „Who the fuck is Hilke“. „Die sollen meinen Namen bekannter
       machen“, sagt sie und lacht.
       
       Die Jusos führen einen eigenen Wahlkampf. Sie haben Flyer, Plakate und
       Infostände. Außerdem ein achtseitiges Jugendwahlprogramm, in dem es bei den
       Themen Wirtschaft und Innere Sicherheit Unterschiede zur Mutterpartei gibt.
       „Unsere Zielgruppe sind Studierende, Azubis und Schüler. Das gilt sowohl
       für den Wahlkampf als auch für die Politik, die wir machen“, sagt die
       Jungsozialistin.
       
       Auf die Frage, für wen sie mehr Wahlkampf macht, für sich oder ihre Partei,
       und wie sich dieser unterscheide, antwortet Lüschen ohne zu zögern: „Ich
       mache Wahlkampf für meinen Jugendverband“. Klar wünsche sie sich, dass die
       SPD stärkste Kraft wird. Aber sie hofft auch, dass die Jusos in der
       Bürgerschaft vertreten sein werden. Deshalb betreibe die 24-Jährige keinen
       Listen-, sondern einen Personenwahlkampf. „Ich will die Jusos
       repräsentieren, als Stachel im Fleisch der Bürgerschaftsfraktion.“
       
       Lüschen bezeichnet die SPD als Altherrenpartei. Doch durch die
       No-Groko-Kampagne sei die Bekanntheit und Durchsetzungskraft der Jusos
       gewachsen, vor allem in den Medien, aber auch in der Partei selbst. „In den
       Ortsvereinen und bei Parteitagen müssen wir mehr miteinander kommunizieren,
       uns mehr vermischen und darauf arbeiten wir hin.“ Einige Jusos seien in
       Parteistrukturen verankert. Außerdem gelang es der Parteijugend, zwei
       wichtige Themen in das SPD-Wahlprogramm einzubringen: das elternunabhängige
       Bafög und die Ausbildungsumlage. Generell müssten mehr Jugendbewegungen
       über Parteien gehen, meint Lüschen. „Sie sind der Ort, wo Demokratie
       passiert, wo sich etwas durchsetzen und verändern kann.“
       
       Mich interessiert, wofür sie sich einsetzen möchte. Vielleicht gibt es auch
       hier Unterschiede zwischen jung und alt. Lüschen ist für eine
       Arbeitsumlage, damit größere Unternehmen den Anreiz verlieren, keine
       Ausbildungsplätze anzubieten. Sie will mehr Ausbildungsplätze in der Pflege
       schaffen und Krankenpfleger*innen Fortbildungsmöglichkeiten und
       Aufstiegschancen ermöglichen. „Pflegekräfte müssen mehr gehört und
       wertgeschätzt werden.“ Die 24-jährige Jungsozialistin hofft auf eine
       absolute Mehrheit, doch dies sei ein Wunschkonzert. Für realistisch hält
       sie eine rot-rot-grüne Mehrheit, Angst habe sie vor einem Jamaika-Bündnis
       aus CDU, FDP und Grünen.
       
       Drei Tage später stehe ich vor dem Sitz des Innensenators an der
       Contrescarpe. Dort treffe ich mich mit Innensenator Ulrich Mäurer. Der
       67-Jährige steht auf Platz 3 der SPD-Liste. Bevor er 2008 Innensenator
       wurde, war er seit 1997 Justiz-Staatsrat. Der Vietnamkrieg und die
       Abrüstungspolitik hätten bei ihm mit 18 Jahren das Interesse für Politik
       geweckt, sagt er. Ein Jahr später, 1970, trat er in die SPD ein und wurde
       als Student an der Uni Bremen politisch aktiv.
       
       Mir wird Kaffee angeboten und Ingwerwasser eingeschenkt. „Der Wahlkampf
       wird überschätzt“, sagt Mäurer. Er wirkt ruhiger und abgeklärter als Hilke
       Lüschen. „90 Prozent der Termine sind Routine, der Dienstbetrieb läuft
       normal weiter. Hinzu kommen Veranstaltungen von SPD-Ortsvereinen.“ Dort sei
       es seine Pflicht teilzunehmen. Auf diesen präsentiere er ein
       stadtteilbezogenes Programm und diskutiere mit den Genoss*innen. Die
       sozialen Medien nutzt der 67-Jährige für seinen Wahlkampf nicht. Er sagt
       aber mehrmals: „Wir versuchen, die Dinge, die wir angefangen haben, zum
       Abschluss zu bringen.“ Mit dem Wahltermin rückt für ihn auch das Ende der
       Legislaturperiode näher. „Da werden keine neuen Ideen entwickelt, es ist
       das Ende einer Entwicklung.“
       
       Hier zeigt sich einer der größten Unterschiede zur 24-jährigen Lüschen, die
       vor Ideen und Tatendrang nur so strotzt. Für sie steht alles am Anfang,
       Mäurer, der auf eine lange politische Laufbahn zurückblickt, betont den
       Abschluss. Hat sich über die Zeit etwas an seinem Wahlkampf verändert?
       „Nein, da hat sich nicht viel verändert“, sagt er. Mäurer erzählt vom
       Findorffmarkt, dem Verteilen von Flyern, Wahlprogrammen und Luftballons.
       Das alles, so scheint es, sind für ihn Nebensächlichkeiten. In Printmedien,
       dem Fernsehen und dem Radio hält Mäurer es für „nicht nötig“ sich „noch
       mehr“ zu präsentieren. Mit seiner Politik möchte der 67-Jährige alle
       erreichen. „Ob das gelingt ist eine andere Frage“, sagt er.
       
       Der Innensenator glaubt, dass die Älteren sich mehr für die Innere
       Sicherheit interessieren würden. Es sei schwierig mit den Jungen in den
       Dialog zu treten. Aber setzt er mit einer verstärkten Polizeipräsenz und
       dem Ausbau des Ordnungsdienstes am Hauptbahnhof auch die passenden Themen
       für junge Menschen?
       
       Mäurer findet ein aktuelles Thema: „Fridays for Future zeigt, dass sich
       Jugendliche durchaus Gedanken über die Zukunft machen.“ Es sei ihm wichtig,
       dass die Bewegung und das Engagement blieben.
       
       18 Apr 2019
       
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