# taz.de -- Die Wahrheit: Nicht vom selben Gendersternchen
       
       > Sprachwissenschaftelnde werden zu Anstoßnehmenden, wenn gendergerechtes
       > Formulieren jeden öffentlichen Text vermurkst.
       
 (IMG) Bild: Unser Autor fand seine Deutschlehrerin doof – die Liebe zur Sprache entdeckte er trotzdem
       
       Liebe Zwangsbeglückende, alle mal bitte herhören, als Feministin und
       Ewiggestrigende würde ich es vorziehen, mein Leben ungegendert in Ruhe
       beenden zu können. Und zwar frühestens in zwanzig Jahren. Wenn ihr so lange
       vielleicht noch mal warten könntet?
       
       Als gelernte Sprachwissenschaftelnde weiß ich nämlich, dass das
       grammatische Geschlecht nichts mit dem Schniedel und der Muschi zu tun hat,
       auch nicht damit, ob man beides hat oder nichts von beidem oder sich noch
       nicht entschieden hat. Oder mit den Genen oder Chromosomen und
       Chromosom*innen.
       
       Aber ihr, ihr wisst es nicht und wollt es nicht hören, obwohl ihr alle auch
       mal zur Schule Gehende gewesen seid. Und während ich sonst sehr froh bin,
       gottsfroh praktisch, oder nein, gott*innenfroh, dass wir Germanisten, oder
       wie ihr sagen würdet, Germanist*inn*ende, nirgendwo regieren, weil wir üble
       Besserwissende und Anstoßnehmende sind, Nörgelnde und Oberlehrende, wäre
       ich jetzt gerade sehr dankbar für ein kleines Fitzelchen Weltherrschaft.
       
       Neulich las ich in einem christlichen Magazin – nein, es war nicht Christ
       und Hund, auch nicht Christ*in und Hu*ünd*in – einen langen Artikel über
       Verkehrspolitik. Dort schrieb das politisch korrektelnde Autorendenwesen
       tatsächlich über Auto Fahrende, Radelnde und zu Fuß Gehende, statt über
       Autofahrer, Radler und Fußgänger. Einknicken tat es nur bei dem Wort
       „Verkehrspolitiker“, denn die sind böse und dürfen deswegen männlich sein.
       Dabei wäre jeder Satz durch die Wendung „Verkehrspolitik Betreibende“
       gewiss noch viel schöner geworden.
       
       Da draußen, wo es um die Macht und die wirklichen Probleme geht, sinkt der
       Frauenanteil im Bundestag, gibt es kaum eine von uns in den Vorständen
       großer Firmen, bekommen wir nirgends dasselbe Geld für dieselbe Arbeit. Und
       alle so: Och nö, langweilig, ich kümmer mich mal lieber um das Sternchen.
       Weil ohne bin ich beleidigt. Apropos: Vorstand, das bin ich auch, das ist
       ein Amt, und ich finde es lächerlich, dass ich irgendwo lesen musste, ich
       sei Vorständin. Ist das ein Vorstand mit rosa Schleife dran oder was?
       
       Sprache kann etwas sehr Schönes sein, aber nur, wenn man lieb zu ihr ist.
       Oh, ich habe „man“ geschrieben, wahrscheinlich wähle ich auch AfD. In
       Gesetzen und Verordnungen ist Sprache jetzt schon Murks, und eine ähnlich
       unangenehme Form von Vermurksung muss neuerdings Zeitungsartikel und jede
       Form von öffentlichem Text ungenießbar machen? Das macht mich als Leser
       krank, und nein, „Lesende“ sind wir nur in dem Augenblick, wo wir eben
       genau das tun. Ein Buch hat Tausende von Lesenden? Na, danke.
       
       Gespannt warte ich nun nur noch darauf, ob der Sundermeiernde seinen
       schönen, verdienstvollen Verbrecher Verlag in „Verbrechende Verlag“
       umbenennt. Wahrscheinlich wird es dazu aber nicht kommen, Verbrecher sind
       ja böse und dürfen deshalb männlich bleiben.
       
       10 Apr 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Fischer
       
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