# taz.de -- Rechte Gewalt in Berlin-Neukölln: 9 mm für Engagierte
       
       > Morddrohung als Machtdemonstration: Die Serie rechter Gewalt in
       > Berlin-Neukölln geht offenbar weiter. Die Kritik an den
       > Ermittlungsbehörden ebenfalls.
       
 (IMG) Bild: Dieser Schriftzug stammt vom letzten Wochenende, der Name des Opfers ist aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes verpixelt.
       
       „Rote Sau“ oder „Du linke Ratte“, dazu jeweils Vor- und Nachname des
       Opfers: Mit diesen an Hauswänden oder in Treppenhäusern angebrachten
       Schriftzügen bedrohten mutmaßlich rechtsextreme Täter [1][im Winter
       2016/2017] in mehr als 20 Fällen Personen, die sich gegen rechts
       engagieren. Jetzt sind die Schriftzüge wieder da, nur noch drastischer: Vor
       dem vollständigen Namen der jeweiligen Person – den die taz aus Gründen des
       Persönlichkeitsschutzes nicht veröffentlicht – stehen die Worte „9 mm für“.
       Morddrohung und Mordaufruf zugleich.
       
       Vier solcher Drohungen wurden nach Informationen der taz in der Nacht auf
       den vergangenen Samstag an Privatadressen angebracht, alle in Nordneukölln
       oder direkt angrenzend. Bei den Opfern handelt es sich zum Teil um
       Personen, die schon mehrmals von mutmaßlich rechtsextremen Angriffen an
       ihrer Privatwohnung betroffen waren. Sowohl die Auswahl der Opfer als auch
       die Art der Bedrohungen lässt nicht nur den Rückschluss zu, dass die Taten
       mit den früheren Schmierereien in Zusammenhang stehen, sondern auch, dass
       diese Bedrohungen Teil der aktuellen rechtsextremen Angriffsserie sind, die
       Neukölln seit Mai 2016 erschüttert und zu der auch Brandanschläge gehören.
       
       Davon geht auch Bianca Klose aus, Leiterin der Mobilen Beratung gegen
       Rechtsextremismus. Ihre Arbeitsstelle ist dieses Mal selbst betroffen:
       Einer der Schriftzüge fand sich am Samstagmorgen an der Privatadresse eines
       MBR-Mitarbeiters, auch die Organisation selbst ist dort genannt.
       
       „Nach den Brandanschlägen im letzten Jahr dachten viele, dass nun wieder
       etwas Ruhe eingekehrt sei. Aber die Betroffenen wussten immer, dass es
       jederzeit weitergehen kann, solange die Täter nicht gefasst sind“, sagt
       Klose.
       
       Die letzten mutmaßlich zur Serie gehörenden Brandanschläge gab es im
       Februar 2018. Wie [2][im Januar veröffentlichte Recherchen der taz zeigen],
       hatte der Verfassungsschutz damals nach eigener Aussage schon vor dem
       Anschlag Kenntnis darüber, dass das spätere Opfer von zwei bekannten
       Neuköllner Rechtsextremen ausspioniert wurde. Warum dennoch weder die Taten
       verhindert noch die Täter gefasst wurden, ist bis heute unklar. Bianca
       Klose sagt, angesichts dieser Erkenntnisse stelle sich umso mehr die Frage:
       „Führen diese Täter weiter unbehelligt ihre Taten aus – und das unter den
       Augen von Verfassungsschutz und Polizei?“ Die Taten vom vergangenen
       Wochenende seien ein Hinweis darauf, dass die Täter sich nach wie vor
       „sicher genug für immer neue Angriffe fühlen“. Solange das der Fall sei,
       müsse auch davon ausgegangen werden, dass sie den Kreis ihrer Opfer und die
       Auswahl ihrer Mittel stetig erweiterten.
       
       „Für alle bereits in der Vergangenheit und potenziell in der Zukunft
       Betroffenen sind die Ereignisse vom Wochenende ein klares Zeichen, dass es
       weitergeht“, sagt auch Anne Helm, Abgeordnete der Linkspartei, die sich
       schon seit Jahren mit den rechtsextremen Anschlägen in Neukölln
       beschäftigt. Es handele sich dabei um eine „Machtdemonstration“ der
       Neonazis, die selbstverständlich für große Verunsicherung sorge.
       
       Als Abgeordnete warte sie weiterhin auf eine Erklärung der
       Ermittlungsbehörden zu den in der taz veröffentlichten Erkenntnissen zu der
       Anschlagserie, sagt Helm. Auch eine [3][als Verschlusssache geheim
       eingestufte Erklärung des Verfassungsschutzes] dazu im Februar habe nicht
       erklären können, „warum die Behörden so entschieden haben, wie sie
       entschieden haben“. Aus ihrer Sicht seien hier „Fehler bei den
       Ermittlungsbehörden passiert, die sich so nicht wiederholen dürfen“.
       
       Die Taten wurden zur Anzeige gebracht, nach Informationen der taz hat der
       Staatsschutz auch die Ermittlungen übernommen. Die Pressestelle der Polizei
       konnte am Dienstag dazu jedoch bis Redaktionsschluss keine Auskunft geben;
       eine Polizeimeldung zu den Taten wurde bislang nicht veröffentlicht.
       
       Im Rahmen der aktuellen Serie seit Mai 2016 ist es das erste Mal, dass die
       rechtsextremen Schmierereien direkte Morddrohungen enthalten. In den Jahren
       2010 und 2011, als Neukölln schon einmal von einer solchen Serie betroffen
       war, gab es jedoch ebenfalls Schriftzüge in Hausfluren, in denen die Opfer
       mit der Formulierung „9 mm für“ bedroht wurden.
       
       19 Mar 2019
       
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