# taz.de -- Rechenzentrum in Potsdam: Unfreundliche Übernahme
       
       > In Potsdam soll ein Kreativhaus im früheren Rechenzentrum dem
       > Wiederaufbau der Garnisonkirche weichen. Doch das ist nicht das einzige
       > Problem.
       
 (IMG) Bild: Ob das ehemalige Rechenzentrum irgendwann nochmal so schön leuchtet wie 2016?
       
       Aus der Entfernung sieht das Kreativhaus in der Potsdamer Innenstadt nicht
       besonders auffällig aus: funktionale DDR-Bürohausarchitektur. Ist man näher
       dran, erkennt man im Erdgeschoss ein großflächiges Mosaik. Startende
       Raketen, Raumschiffe und ein Mähdrescher, der vermutlich der Planerfüllung
       diente, sind abgebildet. „Der Mensch bezwingt den Kosmos“ heißt das Relief
       von Fritz Eisel. Daneben steht ein Marx-Zitat. Das alte Bürohaus
       beherbergte jahrelang die Verwaltung des Rechenzentrum des Landes
       Brandenburg.
       
       In den vergangenen drei Jahren hat es sich zum Zentrum von Potsdams
       kreativer Szene entwickelt. Mehr als 200 Künstler und Kreative arbeiten
       dort. Bildende Künstler nutzen Ateliers, Grafikdesigner und Filmemacher
       haben dort ihre Arbeitsräume, Theatermacher proben. Im Erdgeschoss gibt es
       Räume für Vernissagen, Lesungen, Musik- und Filmabenden, Vorträgen und
       Diskussionen. Das Rechenzentrum ist ein lebendiger Ort.
       
       Doch die Zeit läuft offenbar gegen das kreative Zentrum. Der
       Nutzungsvertrag mit dem Eigentümer, dem kommunalen Sanierungsträger für das
       Potsdamer Stadtzentrum, läuft Ende 2023 aus. Aus bauordnungsrechtlichen
       Gründen könne er nicht verlängert werden, heißt es von dort. Im Klartext:
       Das Haus ist so heruntergewirtschaftet, dass sich eine Sanierung nicht
       lohnen würde.
       
       Bauliche Zeugnisse der DDR werden im Zentrum der brandenburgischen
       Landeshauptstadt immer seltener. Schon mehrere stadtbildprägende Gebäude
       sind trotz Protesten der Abrissbirne zum Opfer gefallen, zuletzt die
       Fachhochschule am Alten Markt. Das Rechenzentrum soll sich da langfristig
       einreihen, denn es steht teilweise auf einem Grundstück, das der Stiftung
       zum umstrittenen Wiederaufbau der Garnisonkirche gehört. Die Kreativen
       sitzen sozusagen im Hotspot der Auseinandersetzung um Potsdams
       Identitätsfragen.
       
       ## Hoffnung Machbarkeitsstudie
       
       Doch es gibt auch Hoffnung für die Kreativen: Die Stadt plant in Sichtweite
       einen Neubau. Derzeit läuft eine Machbarkeitsstudie. Sie soll den genauen
       Bedarf klären, ebenso Kosten und Trägerschaft.
       
       Um letztere gab es jüngst ein paar Unstimmigkeiten: Der Verein Freundliche
       Übernahme Rechenzentrum (FÜR), der sich auch aus den Nutzern rekrutiert,
       hatte per Presseerklärung angekündigt, nicht nur Träger des neuen Gebäudes
       zu werden, sondern auch schrittweise den Betrieb des alten zu übernehmen.
       Die für die Übernahme der Betreiber*innenschaft des künftigen Gebäudes
       nötigen Schritte würden derzeit vorbereitet, teilte der Verein mit. Man
       beabsichtige, bereits vorher ein selbstverwaltetes Management für das
       bestehende Rechenzentrum aufzubauen. „Nur eine selbstbestimmte,
       nutzer*innenorientierte Entwicklung und Gestaltung des Standortes
       ermöglicht es sämtliche Potenziale eines Kunst- und Kreativortes in der
       Mitte der Stadt zu entfalten.“
       
       Beim Sanierungsträger und dem von ihm bis 2023 beauftragten Betreiber, der
       Stiftung Sozialpädagogisches Institut (SPI), war man überrascht, davon aus
       der Lokalpresse zu erfahren. In der Kommunikation sei da wohl etwas falsch
       gelaufen, hört man hinter den Kulissen. „Nicht alle Informationen sind
       rechtzeitig an alle Stellen durchgedrungen“, teilte FÜR e.V. der taz mit.
       
       Trotz der Irritationen stehen die Zeichen allerdings auf Zusammenarbeit.
       „Wir werden miteinander sprechen“, sagt der zuständige SPI-Bereichsleiter
       Stefan Zaborowski. Das Gespräch soll im März stattfinden. Einen Termin gibt
       es noch nicht. Er freue sich, dass die Nutzer mehr Verantwortung übernehmen
       wollen, allerdings sei SPI gegenüber dem Sanierungsträger vertraglich bis
       2023 gebunden. Und dort sieht man keine Spielraum: „Der Konzessionsvertrag
       mit der Stiftung SPI sieht keinen vorzeitigen Trägerwechsel vor“, heißt es
       auf Anfrage.
       
       Dass die Uhr für das Rechenzentrum tickt, wurde in dieser Woche auf dem
       Nachbargrundstück deutlich. Dort wurden am Montag die ersten Ziegel für den
       Kirchturm gemauert. Die Baukosten werden auf 40 Millionen Euro beziffert.
       Trotz einer Finanzspritze aus dem Bundeshaushalt von zwölf Millionen Euro
       für das „Projekt von nationaler Bedeutung“ fehlen den Bauherren noch rund
       neun Millionen Euro, die sie nun durch Spenden einwerben wollen. Bis Sommer
       2021 soll er fertig sein.
       
       Anschließend will die Stiftung dort ein Versöhnungszentrum eröffnen. Das
       Vorhaben stößt auch überregional auf Kritik, zum Beispiel von der
       Martin-Niemöller-Stiftung. Umstritten ist das Bauvorhaben vor allem, weil
       sich 1933 Hitler und Hindenburg anlässlich der Reichstagseröffnung vor der
       Kirche die Hände schüttelten. Die Zeremonie gilt als Symbol für die Allianz
       von Nationalsozialismus und preußischem Militarismus. Im Zweiten Weltkrieg
       wurde der Bau zerstört, der Turm 1968 gesprengt.
       
       ## Die Höhe des Turmes
       
       Gegen den umstrittenen Wiederaufbau der barocken preußischen Militärkirche
       hatten 2013 rund 15.000 Potsdamer ein Bürgerbegehren unterzeichnet. Der
       damalige Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) trug daraufhin brav dem
       Stiftungskuratorium die Bitte vor, den Wiederaufbau abzusagen. Geändert hat
       das nichts. Die privatrechtliche Stiftung hat eine Baugenehmigung und
       prominente Unterstützer. Schirmherr ist der Bundespräsident.
       
       Wächst der Turm in die Höhe, müssen im nur wenige Meter entfernten
       Rechenzentrum einige Fenster zugemauert werden. Aus Brandschutzgründen, wie
       es heißt. Als Ateliers kann man die Räume dann nicht mehr nutzen,
       allenfalls als Dunkelkammern. Wie viele Kreative deshalb umziehen müssen,
       ist noch nicht klar. Etwa ein Dutzend ist zum Jahreswechsel ohnehin
       ausgezogen. Einigen war die Mieterhöhung von 7 auf 9,95 Euro warm pro
       Quadratmeter zu viel. Der Sanierungsträger begründete die Anhebung mit den
       hohen Betriebskosten in dem betagten Gebäude.
       
       Eigentlich will die Wiederaufbaustiftung natürlich nicht nur einen Turm
       bauen, sondern auch das Kirchenschiff. Doch dafür wären wohl noch mal 100
       Millionen Euro nötig. Das Geld hat die Garnisonkirchen-Stiftung nicht. Es
       ist also möglich, dass das Rechenzentrum lediglich einer Brache weichen
       muss.
       
       1 Mar 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Zschieck
       
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