# taz.de -- Vietnamesischer Blogger verschwunden: Ein neuer Entführungsverdacht
       
       > Der nach Thailand geflohene vietnamesische Blogger Truong Duy Nhat ist
       > verschwunden. Freunde vermuten, dass ihn der Geheimdienst entführt hat.
       
 (IMG) Bild: Truong Duy Nhat beim US-Sender Radio Free Asia, 2016
       
       Hat Vietnams Geheimdienst nach der [1][Entführung des Ex-Politikers Trinh
       Xuan Thanh im Juli 2017] von Berlin nach Hanoi erneut einen vietnamesischen
       Staatsbürger entführt, der im Ausland Schutz suchte? Das vermuten Freunde,
       Verwandte und Arbeitgeber des Bloggers und Journalisten Truong Duy Nhat.
       Von dem Mann, der Anfang Januar nach Thailand geflohen war, fehlt seit dem
       26. Januar jede Spur. Auf internationalen Druck ordnete Thailands Chef der
       Einwanderungspolizei, Surachate Hakparn, inzwischen eine Untersuchung an.
       
       Nhat arbeitete bis 2010 für eine staatliche Regionalzeitung und war seit
       seinem Berufsverbot einer der einflussreichsten Blogger Vietnams. Die
       Themen des Mittvierzigers: Korruption und Amtsmissbrauch von Politikern
       sowie Umweltverschmutzung. Er ist freier Mitarbeiter des US-Senders Radio
       Free Asia. 2014 wurde er wegen „Missbrauchs demokratischer Freiheiten“,
       also wegen seiner journalistischen Berichte, in Vietnam [2][zu einer
       zweijährigen Haftstrafe verurteilt]. Einen Tag vor seinem Verschwinden ließ
       sich Nhat laut Radio Free Asia in Thailands Hauptstadt Bangkok beim
       UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR als Flüchtling registrieren. Das UNHCR will
       dazu keine Stellung nehmen. Zu Einzelfällen, so Sprecher Chris Melzer zur
       taz, gebe man im Interesse des Flüchtlingsschutzes keine Auskunft.
       
       Am Tag seines Verschwindens besuchte Nhat ein Einkaufszentrum am Stadtrand,
       heißt es aus seinem Freundeskreis. Dort soll er entführt worden sein. Die
       Angaben seiner Bangkoker Freunde, darunter vietnamesische Blogger, die in
       Thailand Asyl beantragt haben, sind sehr konkret. Ihnen zufolge wollte der
       Geheimdienst mit der Entführung von Nhat geplante Enthüllungen über die
       Familie von Vietnams Premierminister Nguyen Xuan Phuc zuvorkommen. Der
       Freundeskreis will wissen, dass die Entführung der militärische
       Geheimdienst durchführte und nicht der polizeiliche Geheimdienst wie im
       Falle Trinh Xuan Thanh.
       
       Auf der anderen Seite behauptet ein Bürgerjournalist gegenüber der taz,
       Nhat sei nicht entführt worden, sondern untergetaucht, um einer Entführung
       zuvorzukommen. Seit dem Besuch im Einkaufszentrum gibt es kein
       Lebenszeichen mehr von Truong Duy Nhat. Er ginge nicht an sein Telefon.
       Seine letzten Einträge bei Facebook und auf seinem Blog sind vom 24.
       Januar.
       
       ## Nicht der erste Verdachtsfall einer Entführung
       
       Die diplomatischen Vertretungen Vietnams und Thailands reagierten nicht auf
       taz-Anfragen. Gegenüber der Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG)
       dementierte Thailands Polizei, dass sich Nhat in ihrer Gewalt oder in einem
       thailändischen Internierungslager befinde. ROG fordert von Thailand
       Aufklärung über das „äußerst beunruhigende Verschwinden“ des Mannes.
       ROG-Asien-Direktor Daniel Bastard sagt: „Wenn hier keine thailändischen
       Behörden involviert sind, bedeutet das, dass sich Vietnams Geheimdienst
       nicht an das Völkerrecht hält und die Souveränität eines Partnerlandes
       verletzt, um einen Kritiker zu verfolgen.“ Dies wäre auch für andere
       vietnamesische Blogger beunruhigend, die in Bangkok Zuflucht gesucht haben.
       Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch fordert von Hanoi
       Auskunft über Nhats Schicksal.
       
       Es ist nicht der erste Verdachtsfall einer Entführung eines vietnamesischen
       Bürgers aus einem südostasiatischen Nachbarland durch Vietnams
       Geheimdienst. 2003 verschwand der Mönch Thich Tri Luc in Kambodscha. Dort
       hatte er einen Flüchtlingsstatus. Er wurde danach in Vietnam zu einer
       Haftstrafe verurteilt und reiste nach deren Verbüßung nach Schweden. Dort
       berichtete er, von Vietnams Geheimdienst entführt worden zu sein. Nicht
       geklärt ist das Verschwinden des Dissidenten Le Tri Tue 2007 in
       Kambodscha. Seine Familie verdächtigt den vietnamesischen Geheimdienst.
       Von Le Tri Tue gibt es seitdem kein Lebenszeichen.
       
       Das Flüchtlingspaar Pham Ba Huy und Pham Thi Phuong soll nach Angaben ihrer
       Familie sowie nach Spuren am Tatort 2010 durch Vietnams Geheimdienst aus
       Thailand entführt worden sein. Anschließend wurden sie in Vietnam zu elf
       Jahren Haft verurteilt, die sie noch absitzen.
       
       Und 2012 verschwand der abtrünnige Wirtschaftsfunktionär Duong Chi Dung aus
       Kambodscha und tauchte erst in vietnamesischer Haft wieder auf. Dort ist er
       inzwischen verstorben. Vietnam räumte in keinem Fall eine Entführung ein
       oder stellte mutmaßliche Entführer vor Gericht.
       
       10 Feb 2019
       
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