# taz.de -- Berlinale „Der Boden unter den Füßen“: (Un-)gleiche Schwestern
       
       > Die eine ist Businessfrau, die andere muss in die Psychiatrie – Marie
       > Kreutzers Film über die Geschwister Lola und Conny (Wettbewerb).
       
 (IMG) Bild: Mavie Hörbiger und Valerie Pachner in „Der Boden unter den Füßen“
       
       Doch tut das Dämmern meinem Innern wohl …“ Die Verszeile stammt von Conny,
       aber die ist nicht im Bild, während sie zu hören ist. Sondern Lola, ihre
       Schwester, die im morgendlichen Dämmerlicht durch einen Wiener Schlosspark
       joggt.
       
       Conny und Lola, gespielt von Pia Hierzegger und Valerie Pachner, denen man
       die Verwandtschaft trotz Grundverschiedenheit abnimmt, sind auf eine Art
       verbunden (und gleichsam getrennt), wie es das Kino gerne anstellt: Die
       eine angestrahlt und mit hellem Haar, glänzend und erfolgreich; die andere
       eher verschattet, problematisch, gefährdet. Dass die österreichische
       Regisseurin Marie Kreutzer beide direkt am Anfang ihres Films „Der Boden
       unter den Füßen“ in der Dämmerung versetzt, ist Bestandsaufnahme und Omen
       zugleich.
       
       Lola, obwohl jünger als Conny, ist seit einigen Jahren deren rechtmäßiger
       Vormund. Die große Schwester leidet unter Schizophrenie und Paranoia, in
       ihrer Wohnung, die auch die einer älteren Frau sein könnte, stapeln sich
       die Medikamentenpackungen, es liegen Notizen verstreut und eine rote Katze
       streift umher. Jetzt hat sich Conny 120 Pillen einverleibt – und landet in
       der Psychiatrie.
       
       Neben der Spur ist auch Lolas Leben, aber es mutet, oberflächlich
       betrachtet, wie das genaue Gegenteil an: eine Überholspur. Lola ist eine
       perfekt in Businessoutfits gekleidete aufstrebende Unternehmensberaterin,
       die sich mit ihrem Team gerade an ein neues Projekt in Rostock gemacht hat.
       
       ## Sydney oder Hildesheim
       
       Von hier wird sich entscheiden, wie es mit ihr (und vielleicht auch mit
       Chefin Elise, mit der sie eine Liebesbeziehung eingegangen ist) weitergehen
       wird: Sydney oder Hildesheim. Top oder Flop.
       
       In Kreutzers Film begegnen sich extreme Effizienz (trotz Schlafmangel
       treibt sich Lola vor Arbeitsbeginn beim Sport den Schweiß aus die Poren)
       und die Unfähigkeit, überhaupt einen Einkauf zu erledigen. Beide haben
       etwas miteinander zu tun. „Wir alle bemühen uns die ganze Zeit, perfekt zu
       sein. Und die Frauen, die leugnen, dass es ein Kampf ist, sind diejenigen,
       die mich gleichzeitig irritieren und faszinieren“, sagt Kreutzer.
       
       Lola ist Inbegriff dieser Schizophrenie. Dass ein solches Verhalten kein
       Wahnsinn ist, sondern unter anderem ein Symptom der
       Geschlechterungleichheit, auch das zeigt Kreutzers Film. Einmal sogar ganz
       drastisch, am Pissoir, als Lolas Kollege ihr sein schlaffes Glied
       entgegenhält: Ob sie denn immer noch nicht verstanden hätte, was der
       Unterschied zwischen ihnen sei.
       
       10 Feb 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Carolin Weidner
       
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