# taz.de -- Kommentar EU und Brexit: Was ihr (nicht) wollt
       
       > Wer nun erwartet, dass die EU Großbritannien entgegenkäme, übersieht:
       > Politik ist kein Wunschkonzert. Vor allem nicht in diesem Fall.
       
 (IMG) Bild: Kein Wunschkonzert: der Brexit
       
       Der Ball liegt jetzt im Spielfeld der EU – das scheint
       Brexit-BefürworterInnen die Metapher der Wahl zu sein, nachdem das
       britische Unterhaus am Dienstag Premierministerin Theresa May beauftragt
       hat, das Austrittsabkommen [1][noch einmal nachzuverhandeln]. Jetzt, so
       sagen die Brexiteers, müsse die EU ihnen entgegenkommen. Stellt sich nur
       die Frage: Wobei denn eigentlich?
       
       Am Dienstag haben die Abgeordneten in Westminster May zwei Aufträge
       gegeben: Sie stimmten zum einen für die Willensbekundung, einen Austritt
       ohne Abkommen – einen No-Deal-Brexit – abzuwenden. Zum anderen stimmten die
       Abgeordneten mit 317 zu 301 Stimmen dafür, das zwischen EU und der
       Premierministerin ausgehandelte Austrittsabkommen nachzuverhandeln und den
       sogenannten Backstop durch „alternative Arrangements“ zu ersetzen.
       
       Mit diesem Votum droht aber gerade das, was doch eigentlich niemand wollen
       kann: ein harter Brexit ohne Abkommen. Denn die 317 ParlamentarierInnen
       haben sich genau den Punkt ausgesucht, den die EU nicht fallen lassen kann,
       ohne dabei zutiefst unsolidarisch gegenüber [2][ihrem Mitgliedsland Irland
       zu sein].
       
       Brüssel und die EU-Staaten hatten seit Dezember immer wieder fast unisono
       betont, den Deal nicht noch einmal nachverhandeln zu wollen. Als
       alternativlos hatte einst auch May das Abkommen beworben – bis die
       Abgeordneten es abschmetterten und sie nun im Parlament zur Kehrtwende
       aufrief.
       
       Der Backstop ist ein politisches Sicherheitsnetz, das eine offene Grenze
       zwischen Nordirland und Irland garantieren soll. Bei einer harten Grenze
       wäre zu befürchten, dass alte Konflikte wieder aufflammen und der Frieden
       gefährdet wird.
       
       Wenn es nach der Übergangsphase nicht zu einem Handelsabkommen zwischen EU
       und Großbritannien käme, würde der Backstop dauerhaft in Kraft treten,
       Großbritannien in der Zollunion verbleiben und Nordirland noch dazu im
       Binnenmarkt. Den BefürworterInnen [3][eines harten Brexits] ist das nicht
       recht – sie fürchten, ewig der EU-Handelspolitik unterworfen zu bleiben.
       
       ## Der „Malthouse Compromise“
       
       Die Lesart vieler Brexiteers ist nun: Wir haben der EU gesagt, was wir
       wollen – jetzt sollen die anderen sich bewegen. Sie sind irritiert, dass
       PolitikerInnen wie der deutsche Außenminister Heiko Maas immer noch die
       Frage vorbringen, was das Vereinigte Königreich wolle. Doch wer der EU
       Sturheit vorwirft, sollte selbst einen realistischen Vorschlag machen
       können. Aber: Die BritInnen haben schlicht keine Idee vorgebracht, die noch
       nicht aus guten Gründen in den Verhandlungen längst verworfen wurde.
       
       Diskutiert wird derzeit etwa der „Malthouse Compromise“, für dessen
       Entstehen sich verfeindete Tory-Lager zusammengerauft haben. Dieser Plan
       schlägt zuvörderst technologische Lösungen an der Grenze vor, die eine
       feste Grenzinfrastruktur verhindern sollen. Schade nur, dass eine solche
       Technologie noch nicht existiert, das sagten ExpertInnen schon während der
       Verhandlungen zum abgelehnten Austrittsabkommen.
       
       Brüssel kann sich erst dann rühren, wenn die BritInnen einen praktikablen
       Kompromissvorschlag mitgeteilt haben – und wenn sie sagen, was sie dafür zu
       geben bereit sind. Der Politikwissenschaftler Nicolai von Ondarza schrieb
       ganz zutreffend auf Twitter, die korrekte Frage an Großbritannien laute:
       „Welche Abstriche seid Ihr für Brexit bereit zu akzeptieren?“ Nur zu sagen,
       man wolle reibungslosen Handel, keine harte Grenze zu Nordirland, keine
       Zollunion, keinen Binnenmarkt und keinen Backstop, sei keine Politik,
       sondern eine Wunschliste.
       
       Gäbe es Zugeständnisse seitens der Briten, einen mehrheitsfähigen
       Vorschlag, dann – und nur dann – müsste sich die EU bewegen. Ein
       No-Deal-Brexit hätte zwar ebenfalls zur Konsequenz, dass Irland Grenzen
       errichten müsste. Aber Brüssel kann nicht aus Angst vor einem ungeregelten
       Austritt Großbritanniens in vorauseilendem Gehorsam einwilligen, die
       berechtigten Sorgen Irlands und seiner Wählerschaft in den Wind zu
       schlagen.
       
       3 Feb 2019
       
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