# taz.de -- „Lindenstraßen“-Demo in Köln: The Show Must Go On
       
       > Am Samstag demonstrierten 300 Menschen gegen die Absetzung der ARD-Serie.
       > Ein Landtagsabgeordneter der SPD kam auch vorbei.
       
 (IMG) Bild: „Lindenstraße forever“ fordern die Demonstrierenden
       
       Köln taz | „Helga Beimer ist für mich fast wie eine Mutter.“ Oder: „Mit der
       Lindenstraße habe ich gelernt, für Menschen zu kämpfen, die am Rand
       stehen.“ Oder: „Lindenstraße darf nicht sterben.“ So hört sich politisches
       Engagement an. Zumindest bei der Demonstration am vergangenen Samstag in
       Köln [1][gegen die Absetzung] der seit 1985 laufenden ARD-Serie
       „Lindenstraße“.
       
       Für [2][Jörg Flöttl, der die Demonstration organisiert hat], ist es die
       erste öffentliche Kundgebung, an der er teilnimmt. Er arbeitet mit
       geflüchteten Jugendlichen in Nürnberg, ist massig und hat kurze, gelbe
       Haare. Die Rolle des Organisators bekam Flöttl übertragen von einem anderen
       Ewig-Fan, der so überlastet ist, dass er nicht mal kommen kann, weil sein
       Hundesitter abgesagt hat.
       
       Sollte man nicht lieber Kundgebungen für die Umwelt statthalten, oder gegen
       Krieg, fragt sich da leicht. „Kein Format ist so sehr am Puls der Zeit wie
       die Lindenstraße“, wendet Flöttl ein. „Immer wieder greift sie Tabuthemen
       auf und sorgt so dafür, Vorurteile abzubauen und Normalität zu erzeugen.“
       
       ## Weniger Darsteller und längere Sommerpausen
       
       Bei klirrender Kälte verlaufe ich mich in der Kölner Innenstadt, die
       tatsächlich, wie ein Extra3-Autor neulich schrieb, zur Hälfte dem WDR
       gehört. Vielleicht deshalb muss er sparen; auch das beklagt Flöttl, der
       inzwischen mit einem vollgeladenen Auto aus dem Hotel vorgefahren ist.
       Früher hätten deutlich mehr Darsteller pro Folge mitgespielt. „Die
       Sommerpausen werden länger, Werbung gibt es sowieso schon lange nicht
       mehr“. Die Probleme – hausgemacht. Und die sinkende Quote, nun ja: „Da
       zählen ja die ganzen Online-Aufrufe gar nicht rein.“ Seine Vermutung: „Die
       Lindenstraße hält der Gesellschaft den Spiegel vor. Und da fühlt sich so
       mancher ertappt.“
       
       Diversitymäßig ist die Veranstaltung recht ansehnlich. Um 14 Uhr geht es
       los, fast jeder Mann ist schwul (ich habe nicht alle gefragt) und einer der
       besten Beiträge stammt von einem, der seinen im Rollstuhl sitzenden Partner
       am 27. Juni 1997 geheiratet hat, am gleichen Tag wie Carsten Flöter. Genau,
       der mit dem ersten deutschen schwulen Fernsehkuss der Geschichte. Wie die
       Sendung werden auch die Redebeiträge in Gebärdensprache gedolmetscht.
       
       Der von Petra Namyslo zum Beispiel, ein Gedicht. Sie demonstriere oft gegen
       Massentierhaltung, erzählt sie, habe lange beim Berliner
       Tierschutzbeauftragten gearbeitet und die erste Hanfparade der Stadt
       organisiert.
       
       ## „Lindenstraße ist Leben“
       
       Etwa 300 Leute stehen inzwischen zwischen Dom und Hauptbahnhof, viele
       kennen sich, im Zweifel von Komparsenauftritten. „Ich musste
       Rosinenbrötchen ohne Rosinen bestellen“, berichtet Gabriele Stollmann,
       Übersetzerin. Berufe aus der Mitte der Gesellschaft. „Keinen meiner
       Liebhaber hatte ich länger als die Lindenstraße“, meint sie und lacht. Auch
       ein Politiker nutzt die zeitweilig offene Bühne, der Duisburger
       SPD-Landtagsabgeordnete Frank Börner.
       
       Auf das Privatfernsehen schimpfen die Redner gerne, das Quote bringe und
       marktgängig sei, aber seicht und gefällig. Paradoxerweise argumentieren sie
       gleichzeitig recht überzeugend mit der trotz allem hohen Zuschauerzahl (ca.
       2,5 Millionen) der Lindenstraße; und paradoxerweise ist ein solcher
       Privatfernsehens-Abgott mitten unter ihnen: Marco Jankowski, der 2011 und
       auch dieses Jahr Kandidat bei „Schwiegertochter gesucht“ war. Er ist mit
       zwei Freunden aus der Nähe von Hannover angereist und kann sich, wie alle
       hier, ein Leben ohne nicht vorstellen.
       
       „The Show Must Go On“ von Queen wird gespielt, obwohl ein Lied von Andreas
       Dorau noch passender wäre: Das ist Demokratie / langweilig wird sie nie.
       Zum Höhepunkt läuft – natürlich – der Lindenstraßen-Walzer. Im letzten Jahr
       sei erstmals auch die Silvesterfolge ausgefallen, erklärt Flöttl, an deren
       Ende das gesamte Ensemble traditionellerweise auf der Straße tanzt.
       
       „Lindenstraße ist Leben“, erklärte Flöttl am Anfang pathetisch. Die
       Versammlung vor dem Fernsehgerät nennt eine Siebzehnjährige es auf der
       Bühne. Denn da die Reproduktion der Wirklichkeit diese nie im strengen
       Sinne kopieren kann, bedarf sie ständiger Besprechung und Durcharbeitung.
       So wie das Leben. „Warum soll ich sonst sonntagabends mit meiner Mutter
       telefonieren“, fragt der Pressesprecher Andreas Sartorius am Schluss.
       
       Die nächsten Demonstrationen sind schon in Planung: im Februar, wieder in
       Köln und in München. Ob es was bringt? Man darf gespannt sein. So wie in
       der Lindenstraße.
       
       20 Jan 2019
       
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