# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Alle gegen die Grünen
       
       > Jenseits der Schnappatmungsempörung: Bleibt die neu positionierte Partei
       > von Baerbock und Habeck die Nummer zwei im Land?
       
 (IMG) Bild: Ein Jahr im Amt: Die Grünen-Spitze aus Annalena Baerbock und Robert Habeck
       
       Es gibt ein großes Ziel für 2019, das alle anderen demokratischen Parteien
       eint: die Grünen wieder in ihre kleine Ecke der angeblich moralisch
       daherschwätzenden Besserwisser zurückzujagen.
       
       Die Frage lautet: Wird das gelingen – und was tun die Grünen selbst dafür
       oder dagegen?
       
       2011 setzten sie bekanntlich den legendären Trittin-Plan um, mit dem es
       gelang, Umfragenzuspruch von 30 Prozent bis zur Bundestagswahl auf 8,4
       Prozent zu begradigen.
       
       Und damit zur Außenwelt. Bekanntlich werden die Grünen seit vielen Jahren
       in einer medialen Zwickmühle hin- und hergejagt. Entweder sind sie radikal
       weltfremd. Oder opportunistisch machtgeil. Nun hat die politische
       Konkurrenz für 2019 eine neue Zwickmühle aufgestellt: Sei ja schön und gut,
       wie der wirklich nette Robert Habeck in seiner intellektuell-volksnahen Art
       die richtigen Fragen aufgeworfen habe. Aber jetzt müsse er endlich
       Antworten liefern.
       
       Und? Behält er die erfolgreiche Nachdenklichkeit bei, dann wird er als
       Schönredner attackiert. Liefert er aber auch nur gemäßigte
       Zukunftsentwürfe, dann geht er voll in die Falle, denn dann werden sie ihm
       um die Ohren gehauen, dass es nur so kracht.
       
       Der Tenor wird sein: Wussten wir es doch, dass hinter dem charmanten
       Lächeln und der empathischen Zuwendung der Parteivorsitzenden Annalena
       Baerbock und Habeck die alten und kalten Erzieherinnen und Verbieter
       stecken, die uns unsere Autos wegnehmen wollen, unser Industriefleisch,
       unsere Verkehrstoten und überhaupt.
       
       Viele Sachen, die grundsätzlich wünschenswert und richtig sind, verhindern
       in der realen Welt jeden – auch kulturellen – Fortschritt. Sie taugen nur
       dazu, die Luft mit nichtsnutziger Empörung über die jeweils anderen zu
       verpesten und Aufmerksamkeits-Slots zu blockieren.
       
       Was die neuen, postideologischen Wähler an ihren Grünen schätzen, das ist
       nicht billige Schnappatmungsempörung über Porschefahrer, das sind die
       Fragen, das ist die Kultur des zugewandten Sprechens und Zuhörens, das ist
       das Alleinstellungsmerkmal eines innerparteilich unumstrittenen liberalen
       Europäertums. Im Grunde ideale Voraussetzungen für ein Jahr mit Wahlen in
       der EU und den ostdeutschen Ländern.
       
       Die Aufgabe einer Orientierungspartei der liberalen Europäer ist es nicht,
       Spaltung zu bewahren und politisch zu bewirtschaften wie früher. Der Job
       ist es, angesichts der neuen Spaltungen, Allianzen zu schließen, um den
       demokratischen und europäischen Laden zusammenzuhalten und im Wachstum die
       Kraft zur Bewegung zu erschließen. Hoffend, dass es doch noch hin geht zu
       einer radikal realistischen Politik im ökologischen Zeitalter, in dem wir
       nun mal sind – also einer postfossilen Wirtschaftspolitik, die gleichzeitig
       Gerechtigkeits- und Friedenspolitik wäre.
       
       Aber haben die Partei und die Bundestagsfraktion wirklich verstanden, dass
       die Grünen mit dem ersten richtigen [1][politischen Frau-Mann-Duo Baerbock
       und Habeck] in dieser neuen Phase sind, nach Zählart des
       Parteiintellektuellen Bütikofer ist das die dritte, die Kretschmann-Phase,
       die Partei für das große Ganze?
       
       Ich habe darüber mit diversen Grünen gesprochen. Kein einziger sagte: Ja,
       er sei sicher. Viele haben auf Habeck gewartet und brennen für das Neue.
       Andere sehen und schätzen zwar den großen Erfolg, aber so ganz verstanden
       und kulturell angenommen haben sie den Paradigmenwechsel nicht.
       
       Kann man sich auf die Radikalität dieses Marsches in das Herz der
       Gesellschaft einlassen, wenn man es viele Jahre für das Herz der Finsternis
       gehalten hat? Einfach wird das nicht.
       
       27 Jan 2019
       
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