# taz.de -- nord🐾thema: Es muss nicht immer Streik sein
       
       > Im Kampf um mehr Gehalt oder bessere Arbeitsbedingungen setzen
       > Unternehmen und Gewerkschaften immer noch zu wenig auf Mediation. Dabei
       > ließen sich mit diesem Verfahren wirtschaftliche Schäden vermeiden und
       > Eskalationen verhindern
       
 (IMG) Bild: ... aber manchmal eben doch: Mitarbeiter*innen des Hamburger Flughafens beim prominent unterstützten Warnstreik, 15. Januar 2019
       
       Von Florian Maier
       
       Wenn Arbeitskämpfe eskalieren, können sie viel Zeitaufwand, hohe Kosten und
       Imageschäden bei den Konfliktparteien verursachen. Aber es geht auch
       anders: Mit mehr Verhandlungsgeschick und dem Einsatz von Mediator*innen
       könnten diese negativen Auswirkungen vermieden werden. Mediation – ein
       strukturiertes und vor allem freiwilliges Verfahren, um Konflikte
       beizulegen – gilt als eine Alternative zu Streiks, die weniger
       volkswirtschaftlichen Schaden anrichtet. Beteiligte Parteien versuchen mit
       Hilfe von Mediator*innen zu einer gemeinsamen Vereinbarung zu kommen. Ziel
       ist es, zu einem Kompromiss zu gelangen, der allen Bedürfnissen entspricht.
       
       Dabei ist die Mediator*in aber keinesfalls in einer
       Schiedsrichter*innenrolle. Sie soll kein Urteil fällen, sondern beiden
       Parteien helfen, zu kommunizieren und in einen Dialog zu treten. Genau hier
       liegt der Unterschied zu einer schlichtenden Person. Wo Heiner Geißler bei
       den Stuttgart-21-Verhandlungen die erhabene weise Lichtgestalt gab, die
       über Recht und Unrecht entscheiden kann, ist der*die Mediator*in eher
       Gesprächsvermittler*in. „Im Gegensatz zum Schlichter macht der Mediator
       keine eigenen Vorschläge“, so Kerstin Blome, Mediatorin aus Bremen.
       
       Die Mediator*in macht weder inhaltliche Vorschläge, noch fällt sie Urteile.
       Eher beruhigt sie die Verhandlungsatmosphäre. Die Mediation setzt viele
       Ebenen früher ein als ein Warnstreik. Das Eskalationsrisiko wird so
       deutlich minimiert. Der Mediator Onno Spannhoff bestätigt das: „Zu Beginn
       einer Mediation wird sich darüber geeinigt, wie das Verfahren ablaufen
       soll. Oft sind auch Einzelgespräche hilfreich. Als Mediator versucht man
       dann Überschneidungen zu finden. Meistens handelt es sich nämlich nicht um
       Entweder-oder-Fragen.“ So lasse sich im späteren Verlauf einfacher ein
       Konsens finden.
       
       Um Qualität in Mediationen zu gewährleisten, verabschiedete der Bundestag
       2012 das Mediationsgesetz. In diesem wird geregelt, welche Aufgaben
       Mediator*innen übernehmen sollen und wie eine Mediation abläuft. Zusätzlich
       wird die Ausbildung von Mediator*innen mittlerweile durch Fortbildungen
       geregelt, die an Bildungseinrichtungen wie der Universität Bremen oder der
       Universität Hamburg angeboten werden. Im Zentrum stehen Kommunikation oder
       Verhandlungstechniken. In diversen Fallbeispielen werden diese Methoden
       geübt und verinnerlicht.
       
       Berichterstattung bislang rar
       
       In Tarifverhandlungen ist die Berichterstattung über die Lösung von
       Konflikten durch Mediation bisher dünn gesät. Dies allerdings sei gerade
       einer der Vorteile der Mediation, sagte etwa Jörg Risse, Professor für
       Verhandlungsführung und -management, in einem Interview mit der Südwest
       Presse. Nur die beteiligten Parteien wüssten Bescheid, dass eine
       Mediator*in eingesetzt werde. Anders als eine Schlichtung sei die Mediation
       gesichtswahrend, denn die Mediator*innen sind an Vertraulichkeit gebunden.
       
       Spannhoff bestätigt Risses Aussagen: „Schlichtungen oder Gerichtsverfahren
       finden meist öffentlich oder halböffentlich statt. Mediationen sind völlig
       vertraulich. Firmen und Gewerkschaften verwenden diese, weil so Ruf- oder
       Ansehensschädigung vermieden werden kann.“ Auch wenn nicht oft darüber
       berichtet werde, werde Mediation häufig auch in Tarifverhandlungen
       angewendet. Gerade große Unternehmen unterhielten mittlerweile oft eigene
       Mediator*innen.
       
       Der Volkswirtschaftler Hagen Lesch beschreibt in einem Kurzbericht für das
       private Institut der deutschen Wirtschaft (IW) die Akzeptanz von Mediation
       in Tarifkonflikten in Deutschland allerdings als begrenzt. Denn beide
       Seiten müssten freiwillig auf Optionen verzichten, gerade für
       Arbeitgeberverbände bedeute das aber, dass sie Zugeständnisse anbieten
       müssten, die sie sonst nur im Falle von Streiks und Arbeitskämpfen machen
       würden.
       
       „Mediationen sind natürlich kein Allheilmittel“, bestätigt Spannhoff, „doch
       gerade in Tarifstreitigkeiten sind die Parteien darauf angewiesen, auch
       künftig miteinander klarzukommen.“ Die Mediation helfe dabei. Die Parteien
       versuchten einen Konsens zu finden, Verhärtungen für zukünftige Konflikte
       würden so minimiert. Streiks wiederum beförderten Verhärtungen.
       
       Auch Blome betont: „Es ist klar, dass nicht jeder Konflikt durch Mediation
       gelöst werden kann.“ Gerade wenn beide Parteien schon sehr verhärtete
       Ansichten haben, sei es schwer, eine Einigung zu finden. Den besten Erfolg
       hätten Mediationen dann, wenn ein grundsätzlicher Wunsch zur Einigung
       vorhanden ist. Zugleich sei ein Abbruch der Mediation jederzeit möglich, da
       es sich um ein grundsätzlich freies Verfahren handelt.
       
       „Andere Maßnahmen wie Schlichtung oder Gerichtsverfahren können danach
       immer noch eingeleitet werden“, so Spannhoff. Grundsätzlich sei aber die
       Mediation der günstigere und schnellere Weg, da die Mediation nicht an
       Fristen oder Termine geknüpft sei: „Die Erfahrung zeigt, dass es dadurch
       meistens schneller geht.“ Dabei komme es aber auch immer auf den Einzelfall
       an, geben beide Mediator*innen zu bedenken.
       
       Zusätzlich sei die Kostenaufteilung deutlich fairer geregelt. „Der Standard
       ist, dass die Kosten zur Hälfte vom Unternehmen und zur anderen Hälfte von
       der Gewerkschaft bezahlt werden“, sagt Spannhoff, „aber auch das ist ein
       Verhandlungspunkt, der am Anfang der Mediation geklärt wird.“ Das spare für
       alle Beteiligten im Gegensatz zur Arbeitsniederlegung viel Geld.
       
       Mediation hat also viele Vorteile gegenüber einem herkömmlichen Streik:
       Pendler*innen würden sich nicht mehr über ausgefallene Züge aufregen;
       Reisende würden sich nicht mehr über lange Aufenthalte an Flughäfen
       beschweren; und Eltern verfluchten nicht mehr die Kindergärtner*innen.
       
       19 Jan 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Florian Maier
       
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