# taz.de -- Umsturzversuch in Gabun: Der Putsch, der keiner war
       
       > Soldaten verkünden in Gabun den Sturz von Präsident Bongo. Nach wenigen
       > Stunden ist der Umsturz allerdings schon wieder beendet.
       
 (IMG) Bild: Die Putschisten in Gabuns Staats-TV am Morgen des 7. Januar
       
       Berlin taz | Die älteste Familiendiktatur Afrikas hat den wohl kürzesten
       Militärputsch des Kontinents überstanden. Wenige Stunden, nachdem am
       Montagfrüh in Gabun meuternde Soldaten der Präsidialgarde das
       Staatsfernsehen besetzt und die Machtübernahme durch einen „Nationalrat der
       Restauration“ verkündet hatten, war die Situation laut Regierung wieder
       unter Kontrolle.
       
       Dennoch wirft dieser Putschversuch ein Schlaglicht darauf, wie instabil
       Gabun ist. Der zentralafrikanische Ölstaat ist trotz Mehrparteienfassade
       eine zentralistische Autokratie – aber wenn in einem zentralistischen Staat
       ganz oben ein Loch klafft, funktioniert er nicht.Das Loch heißt Präsident
       Ali Bongo. Der 59-Jährige wird seit einem Schlaganfall im Oktober im
       Ausland behandelt. Der Umgang von Gabuns Staat damit ist bezeichnend.
       
       Bongo reiste im Oktober nach Saudi-Arabien zu einem Wirtschaftsgipfel, bei
       dem er nie auftauchte. Er liege seit zwei Tagen im Krankenhaus, meldeten
       saudische Medien am 26. Oktober. Zwei Tage später bestätigte seine
       Sprecherin in Gabun, der Staatschef habe einen „Schwächeanfall“ erlitten.
       Dann: nichts. Ali Bongo war weg. Gabuns Staat schwieg. Am 11. November
       sagte ein anderer Sprecher schließlich, es gehe ihm schon viel besser. Nach
       knapp zwei Wochen wurde seine Weiterreise nach Marokko angekündigt, zur
       „Gesundung“.
       
       Am 4. Dezember versammelten sich alle hohen Amtsträger Gabuns im
       Militärkrankenhaus der marokkanischen Hauptstadt Rabat und ließen sich mit
       Ali Bongo filmen – das erste Lebenszeichen des Präsidenten seit sechs
       Wochen. Zurück in Gabun, jubelte am nächsten Tag Premierminister Emmanuel
       Ngondet: „Der Staatschef ist bei Bewusstsein, er erkennt seine
       Gesprächspartner, er sieht gut, er spricht gut, wir sind beruhigt.“
       
       Da kursierten in Gabun längst alle möglichen Gerüchte darüber, wo und woran
       Ali Bongo gestorben sein könnte. Gabun ist so etwas gewohnt. Als sein Vater
       Omar Bongo, seit 1968 Präsident, [1][im Jahr 2009 starb], wurde die
       Nachricht als Erstes in Frankreich publik.
       
       ## Gabun gehört den Bongos
       
       2009 hatte Ali Bongo von seinem Vater [2][die Präsidentschaft übernommen].
       Sein Bruder Frédéric Bongo wurde Geheimdienstchef. Gabun gehört der
       Bongo-Familie, und das soll auch so bleiben: Bei den Parlamentswahlen im
       Oktober 2018 gewann Ali Bongos Tochter Malika Bongo den Wahlkreis
       Bongoville, Heimat der Familie, mit 99,19 Prozent.
       
       Opposition ist in einem Land mit 1,8 Millionen Einwohnern, in dem alle
       Entscheidungsträger sich kennen oder gar miteinander verwandt oder
       verschwägert sind, schwer.
       
       Oppositionsführer Jean Ping – er hätte 2016 die Präsidentschaftswahlen
       gewonnen, wenn nicht Wahlbetrug in Bongos Heimatprovinz die Zahlen gedreht
       hätte – hat mit Ali Bongos Schwester Pascaline zwei uneheliche Kinder. Er
       soll auch ein Kind mit der langjährigen Präsidentin des Verfassungsgerichts
       haben, Marie-Madeleine Mborantsuo, die wiederum einst Omar Bongos Geliebte
       war.
       
       Solche Dinge, in Frankreich regelmäßig enthüllt, sind mehr als nur Tratsch,
       denn von Mborantsuo hängt ab, wie es mit Gabun weitergeht, wenn der
       Präsident sein Amt nicht ausüben kann. Eigentlich stellt dann nämlich das
       Verfassungsgericht die Vakanz des obersten Staatsamtes fest und setzt
       Neuwahlen an. Aber offiziell ist Gabuns Präsidentschaft nicht vakant; der
       Präsident ist bloß nicht da.
       
       In seiner Abwesenheit leitet Vizepräsident Maganga Moussavou
       Kabinettssitzungen. Aber Gabun hat auch kein Kabinett, denn mit den
       Parlamentswahlen lief dessen Amtszeit ab.
       
       ## Regieren von Marokko aus?
       
       Moussavou sagte im Dezember, das alles sei kein Problem: Bongo könne auch
       von Marokko aus regieren. „Es dauert bloß fünf Stunden, um nach Rabat zu
       fliegen und Dekrete unterschreiben zu lassen“, erklärte er ganz ernsthaft.
       Seine Neujahrsansprache nahm Präsident Bongo in Marokko auf. Während Gabun
       somit aus Marokko regiert wird, hat Marokkos König soeben Weihnachtsurlaub
       gemacht – in Gabun.
       
       Dass an diesem System nichts zu ändern ist, merkte die Opposition, als sie
       2016 massiv gegen den Wahlbetrug protestierte. [3][Es kam zu Massakern]
       durch Armee und Polizei, [4][mehrere Hundert Menschen starben.] All dies
       dürfte ein Grund gewesen sein, warum jetzt eine Handvoll junger Soldaten
       Mut fasste und den Umsturz probierte. Ihr Anführer Kelly Ondo Obiang nannte
       sich Anführer einer „Patriotischen Bewegung der Jugend in Gabuns
       Streitkräften“.
       
       Im wirklichen Leben war er aber nur Vizekommandant der Ehrenformation der
       Präsidentengarde. Kämpfen konnte er nicht. Seine Truppe putschte im
       TV-Senderaum und schloss sich dann ein, bis die Armee das Gebäude stürmte.
       
       Manche Beobachter mutmaßen, dieser Operettenputsch sei von Geheimdienstchef
       Bongo inszeniert worden, um Gegner aus der Deckung zu locken – und dann die
       Schrauben anziehen zu können. Das System soll ja auch ohne Präsident
       funktionieren.
       
       7 Jan 2019
       
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