# taz.de -- Rainer Schäfer Radikale Weine: Heißzeit am Kaiserstuhl
       
       Die Weinernte begann 2018 an Friedrich Kellers Geburtstag. Und der ist am
       17. August. „Es war ein unwirkliches Gefühl“, sagt Keller. „So früh ging es
       noch nie los.“ Vor Oktober wird nicht gelesen: Diese über Generationen
       geltende Faustregel hat der Klimawandel in den letzten Jahren außer Kraft
       gesetzt.
       
       2018 war ein Rekordjahr: Über Wochen war es so warm und trocken, dass „die
       Versorgung der Reben grenzwertig war“, wie Keller sagt. Viele Winzer nahmen
       das Mehr an Sonne und Reife gerne mit. Die Erntemengen waren
       überdurchschnittlich, manch einer redet gar schon von einem
       Jahrhundertjahrgang. Friedrich Keller, der 28-jährige Juniorchef des
       Weingut Franz Keller in Oberbergen am Kaiserstuhl, ist da zurückhaltender.
       Für ihn war 2018 „eher ein Rotwein- als ein Weißwein-Jahr“. Bei manchem
       Weißen dürfte Säure fehlen und der Alkohol zu mächtig ausfallen.
       
       Auf die Klimaveränderung reagieren die deutschen Winzer unterschiedlich:
       Einige bauen inzwischen Reben wie Tempranillo, Syrah und Cabernet Sauvignon
       an, die es gerne warm mögen, die vor allem Kraft und Volumen haben. Das ist
       nicht Kellers Weg. Ihm sind fette und plumpe Weine ein Gräuel, er will es
       „frisch und elegant“. Kein einfaches Unterfangen am Kaiserstuhl, dieser
       Sonnenbank mit mediterranen Verhältnissen.
       
       Um sein Weinideal auch in diesem extremen Jahr zu erreichen, begann Keller
       frühzeitig das Wachstum der Reben zu zügeln und „den Vegetationsrhythmus zu
       verschleppen“. Schon während der Blüte wurden Blätter entfernt. Der Effekt
       komme „einem Hagelschlag nahe“, erklärt Keller: Es dauerte, bis die Blätter
       wieder Photosynthese betrieben. Um der Rebe „weniger Assimilationsfläche
       zur Zuckerbildung zu bieten“, wurde zudem die Laubwand stark gekürzt.
       
       Friedrich Keller ist ein großer Freund von Pinot Noir, der Rebe, die in
       Deutschland Spätburgunder heißt und die vermutlich die elegantesten
       Rotweine liefert. „Es gibt nichts Größeres als Pinot“, sagt der frankophile
       Keller. Einer von Friedrich Kellers Spätburgundern hat es zur
       Klassifikationsstufe „Großes Gewächs“ gebracht. Er kommt vom Jechtinger
       Enselberg, einer Lage mit Vulkangestein und Löss, in der die Kellers
       Pinot-Noir-Klone aus dem Burgund angepflanzt haben.
       
       Der Wein wurde 18 Monate lang im französischen Barrique ausgebaut, er
       duftet nach Brombeere, Kirsche und Mokka. Im Mund zeigt er sich feinsinnig
       verspielt und balanciert mit fein gewobenem Tanninnetz und agilem
       Säurespiel – solo ein Genuss wie auch zu hellem Fleisch, Geflügel und Wild.
       Ein wahrer Festtagswein.
       
       22 Dec 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rainer Schäfer
       
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