# taz.de -- Die China-Connection
> Experimentierfeld für Ausstellungen, Geld von einem chinesischen
> Immobilienentwickler: Auf der Potsdamer Straße eröffnet ein neuer
> Kunstraum aus China mit sehenswerter „Videokunst aus dem Perlflussdelta“
(IMG) Bild: Ausstellungsansicht The D-Tale, Video Art from the Pearl River Delta Foto: Times Art Center
Von Julia Gwendolyn Schneider
Bei der Eröffnung des Times Art Center Berlin (TACB) war es nicht nur
rappelvoll, zwischen den Gästen tummelte sich auch eine schwarz gekleidete
– mit Helm und Schutzschild ausgestattet – Polizeitruppe. Es war der
Künstler Isaac Chong Wai, der sie die von Polizeiakademien bekannten
Trainingsübungen aufführen ließ. Allerdings in Zeitlupe. Die extreme
Verlangsamung transformierte das oftmals aggressive Gebaren in einen
poetischen Tanz.
In Anbetracht der vorherrschenden Gewalt während urbaner Proteste
signalisiert die konzeptuelle Performance des jungen Hongkonger Künstlers
den Wunsch nach einer friedlicheren Welt. Es schwingt etwas Versöhnliches
mit, und zuweilen waren die Performer gar auf fremde Hilfe angewiesen.
Polizisten, aber auch Menschen aus dem Publikum, wurden auf den Boden
gelegt, streckten einen Arm empor und warteten, bis ihnen jemand die Hand
reichte und auf die Beine half.
Das Guangdong Times Museum aus dem südchinesischen Guangzhou hat seine
kleine Dependance in den ehemaligen Räumen der Galerie Arratia Beer
eröffnet. Für diesen Schritt stellt das Museum die Ausweitung seines
experimentellen Ansatzes in den Vordergrund und den Wunsch nach einem
kulturellen Dialog zwischen Asien und Europa. In dem neuen Kunstraum, der
sich als eine „South-South Cooperation“ zwischen Guangzhou und Berlin
versteht, soll es mehr um Diskurse als um Nationalitäten gehen.
In Guangzhou befindet sich das Museum auf dem Dach eines Wohnhauses im 19.
Stock. 2005 luden Hou Hanru und Hans Ulrich Obrist im Rahmen der 2.
Guangzhou Triennial Rem Koolhass ein, den Raum für das Museum zu entwerfen.
Die Finanzierung läuft über Times Property, einen der größten chinesischen
Immobilienentwickler. Dass Museen von der Immobilienbranche gesponsert und
zur Stadt- und Kapitalentwicklung genutzt werden, ist in China keine
Seltenheit. Auf dem Berliner Immobilienmarkt soll die Gesellschaft keine
Interessen haben, wie Chefkuratorin Nikita Yingqian Cai auf Nachfrage
sagte, wobei sie ergänzte, dass gegenüber dem Sponsor keinerlei
Rechenschaft über das Programm des Kunstraums abzulegen sei. Das Museum
konzentriert sich seit seiner Eröffnung 2010 auf einen kritischen Beitrag
zur Kulturproduktion in China. 2012 kam HB Station dazu, eine alternative
Kunstschule, die von Huang Xiaopeng und Xu Tan mitbegründet wurde,
Künstler, die ihre Professorenposten an der Guangzhou Academy of Fine Arts
verloren und entlassen wurden.
Wie frei ein Museum in China wirklich operieren kann, ist allerdings auch
von anderen Faktoren abhängig, schließlich ist Zensur immer wieder ein
gravierendes Thema. Nur zwei Tage vor der Eröffnung des TACB ging die
Nachricht um die Welt, dass der bekannte Fotograf Lu Guang in China
verschwunden und festgenommen worden sei – er gilt als das fotografische
Gewissen des Landes.
Die dreiteilige Eröffnungsausstellung wird von Hou Hanru, Direktor des
MAXXI in Rom, und Xi Bei, der künstlerischen Leiterin des TACB, kuratiert.
Sie zeigen sehenswerte Videokunst aus dem Perlflussdelta, wo seit Mitte der
1980er Jahre mit Video experimentiert wurde. Interessant sind vor allem
auch historische Werke, etwa von Ellen Pau, die Videotage mitbegründete,
Hongkongs ältester Ort für Videokunst, oder von Mitgliedern der Big Tail
Elephant Group, bedeutende Akteure der Kunstszene in Guangzhou.
Chen Shaoxiongs gefilmte Tuschemalereien drücken ein Entfremdungsgefühl
gegenüber der drastischen Stadtentwicklung aus. Liang Juhui spielte 1996
eine Stunde lang im fahrenden Aufzugskorb einer Hochhausbaustelle ein
Videospiel. Im selben Jahr bewegte Lin Yilin eine Ziegelmauer mit Namen von
Politikern und Regierungsabteilungen durch eine Überführung in Hongkong,
als Anspielung auf die bevorstehende Übergabe an die Volksrepublik China,
in San Francisco (2011) rollt er sich über den Asphalt und blockierte den
Verkehr.
Eine Aneignung des urbanen Raums nehmen auch Cao Feis Cosplayer vor, die
kostümiert ihre surreale Videospielwelt in die reale Welt übertragen. Cao,
die in Düsseldorf gerade eine große Einzelausstellung hat, ist auch
hierzulande als Pionierin ihrer Künstlergeneration bekannt. Ein rares
Phänomen ist Chen Tongs 1997 gegründetes Libreria Borges Institute for
Contemporary Art, ein Buchladen, spezialisiert auf Übersetzungen des
Nouveau Roman und französischer Philosophen, der auch als Ausstellungsort
dient. In „Seeing without Using Eyes“ (2015) spielt Chen einen Einbrecher
in der Libreria Borges, der beim Herumschnüffeln die selbstgeschaffene
institutionelle Praxis beleuchtet.
Bis 13. April, Times Art Center Berlin, Potsdamer Straße 87
14 Dec 2018
## AUTOREN
(DIR) Julia Gwendolyn Schneider
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