# taz.de -- Projekt „Housing First“ in Hannover: Liegen gelassen
       
       > Die Stadt Hannover hatte ein Projekt angekündigt, um Obdachlose in
       > Wohnungen unterzubringen. Was ist daraus geworden?
       
 (IMG) Bild: Ihre Chancen auf dem freien Wohnungsmarkt liegen bei null: Obdachlose in Hannover
       
       Hannover taz | Monatelang hat der Rat der Stadt Hannover auf das Konzept
       der Verwaltung gewartet. Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP will ein
       [1][Housing-First-Projekt in der Stadt starten], also Wohnungen anbieten,
       in die Obdachlose ziehen können, ohne wie bisher erst zeigen zu müssen,
       dass sie wohnfähig sind.
       
       Sucht, psychische Probleme oder Schulden [2][lassen sich leichter
       bearbeiten, wenn man erst einmal ein sicheres Zuhause hat, so der Ansatz].
       Die Verwaltung sollte nun aufzeigen, wie das Projekt in Hannover umgesetzt
       werden kann. Noch vor der Sommerpause sollte das Papier vorliegen, aber die
       Verwaltung verschob den Termin – bis in den Dezember.
       
       Das, was nun tatsächlich in der Drucksache steht, nennt die grüne
       Ratspolitikerin Katrin Langensiepen „eine maximale Enttäuschung“. „Es ist
       wirklich ernüchternd, dafür, dass das so lange gedauert hat.“ Denn die
       Stadtverwaltung hat in ihrem Konzept keine einzige mögliche Fläche, kein
       Haus oder auch nur Wohnungen identifiziert, die sich für Housing First
       eignen würden.
       
       Der Fachbereich Soziales verfüge nicht über eigene Objekte und auch durch
       mögliche Kooperationspartner, die man angesprochen habe, sei keine
       Liegenschaft gefunden worden, heißt es in dem Papier, das sich
       „Niedrigschwelliges Wohnangebot für Wohnungslose“ nennt.
       
       Zudem gebe es in Hannover bereits Angebote, die mit einer ähnlichen
       Ausrichtung arbeiteten: Die Soziale Wohnraumhilfe vermiete beispielsweise
       178 öffentlich geförderte Wohnungen in Hannover, Burgdorf und Langenhagen
       an Menschen, die von Wohnungslosigkeit betroffen oder bedroht seien.
       Sozialpädagogische Betreuung gebe es dort auch. Die Verwaltung wirft
       deshalb „die Frage auf, ob die Umsetzung eines Projektes Housing First in
       Hannover erforderlich ist oder ob der Ausbau bestehender Projekte der
       sinnvollere Weg sein könnte“.
       
       Dirk Machentanz von der Gruppe Linke/Piraten im Rat der Stadt Hannover hält
       diese Haltung für „eine komplette Missachtung der mehrheitlichen
       Ratspolitik“. Es sei die Aufgabe der Verwaltung, die Beschlüsse des Rates
       umzusetzen. Zudem sei die Annahme, Housing First könne überflüssig sein,
       eine komplette Fehleinschätzung. „Wenn das so wäre, würde es keine
       Obdachlosen auf der Straße geben“, sagt Machentanz.
       
       Linke und Piraten haben selbst bereits schon ein grobes Konzept von Housing
       First vorgelegt. Sie stellen sich darin vor, dass das städtische
       Wohnungsunternehmen Hanova ein Gebäude mit 15 bis 25 Wohneinheiten
       bereitstellt, in dem es auch einen Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss geben
       soll. Notwendige Umbaumaßnahmen sollen durch die späteren Bewohner unter
       Anleitung selbst vorgenommen werden. „Die Obdachlosen müssen die
       Möglichkeit bekommen, selbst ihre Wohnung zu gestalten“, so Machentanz. Der
       Ratspolitiker kritisiert, dass das Housing-First-Projekt nun gar nicht im
       Haushalt von 2019 vorkommt. „Es war ein Fehler, den Haushalt so zu
       beschließen“, sagt Machentanz.
       
       Und auch die Grüne Langensiepen ist darüber unglücklich. „Wir hätten gern
       Geld eingestellt, aber das war nicht machbar“ – so ganz ohne Konzept oder
       genaueren Plan, sagt sie. „Das macht die Arbeit als ehrenamtliche
       Abgeordnete nicht leichter.“
       
       Der sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Robert Nicholls, sieht in
       dem Konzept der Verwaltung hingegen „gute Grundlagen“. Der Fachbereich
       Soziales habe bereits Gespräche mit der Region Hannover, Unternehmen der
       Wohnungswirtschaft sowie Trägern der Wohnungslosen- und Suchthilfe geführt.
       „Das begrüße ich, weil es das Bewusstsein herstellt, dass hier
       Handlungsbedarf besteht“, sagt Nicholls.
       
       ## Steigende Baukosten
       
       Housing First sei nach wie vor ein sinnvoller Ansatz. Nun sei die Politik
       gefragt, um aus den Erkenntnissen einen Antrag für ein Modellprojekt zu
       formulieren. „Angesichts der Realitäten auf dem Wohnungsmarkt macht es nur
       bedingt Sinn, zu glauben, das macht jetzt allein die Stadt“, sagt der
       SPD-Ratspolitiker.
       
       Aufgrund steigender Baukosten sei es unwahrscheinlich, dass die Stadt
       Hannover selbst ein Haus bauen könne. Die Stadt brauche Partner. Nicholls
       hofft, dass die Bauverwaltung in Kooperation mit der Wohnungswirtschaft
       eine Immobilie findet.
       
       „Ich hoffe, dass wir mit dem Modellprojekt im kommenden Jahr starten
       können“, sagt Nicholls. Konkrete Pläne, um Obdachlose von der Straße direkt
       in eine eigene Wohnung zu bringen, sind das noch nicht.
       
       29 Dec 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Wohnungen-fuer-Obdachlose-in-Hannover/!5489785
 (DIR) [2] /Ratsfrau-ueber-Wohnungen-fuer-Obdachlose/!5473991
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andrea Maestro
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Housing First
 (DIR) Hannover
 (DIR) Obdachlosigkeit
 (DIR) Wohnungslosigkeit
 (DIR) Wohnungslosigkeit
 (DIR) Obdachlosigkeit
 (DIR) Elke Breitenbach
 (DIR) Obdachlosigkeit
 (DIR) Hannover
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Obdachlosigkeit in Berlin: Housing First, Bedenken second
       
       Paradigmenwechsel in der Wohnungslosenhilfe: Nach einem Jahr Housing First
       zieht Sozialsenatorin Breitenbach ein positives Fazit.
       
 (DIR) Halbherzig gegen Obdachlosigkeit: Hannover will keine Risiko-Mieter
       
       Was mal als niedrigschwelliges Angebot für Menschen gedacht war, die durch
       jedes Raster fallen, ist nun doch wieder an Bedingungen geknüpft.
       
 (DIR) Berliner Modellprojekt: Helfen ohne Druck
       
       Modellprojekt „Housing First“ gestartet: Obdachlose sollen fast ohne
       Vorbedingungen in eine eigene Wohnung ziehen. Noch allerdings fehlen die
       Wohnungen.
       
 (DIR) Wohnungen für Obdachlose in Hannover: Wohnst du schon?
       
       Die Winter-Notquartiere schließen, die Obdachlosigkeit bleibt. Viele
       Menschen könnten mit Programmen wie „Housing First“ von der Straße geholt
       werden.
       
 (DIR) Ratsfrau über Wohnungen für Obdachlose: „Der Leistungsdruck muss weg“
       
       Die Stadt Hannover plant ein Projekt, in dem Obdachlose einfach eine
       Wohnung bekommen. Mit „Housing First“ können sie ankommen, bevor sie ihre
       Probleme angehen.